2004-08-29
Drogerie Horn
Der Duft der weiten Welt
Still und leise ist es verschwunden. Das legendäre 4711 der Drogerie Horn am 8. Mai Platz. Und mit der Tafel, die mir 38 Jahre vertraut war und einen Hauch große Welt nach Villach brachte, auch die Drogerie Horn selbst.
Noch einmal kommt die Erinnerung hoch, wie ich als kleiner Bub am Rockzipfel meiner Stadt-Oma hängend, vier oder fünf Jahre alt, in die tausend Düfte der Parfümerie eingetaucht bin. Sie, um wohl schon zum tausendsten Mal am Channel Nr. 5 zu riechen, das sie sich als Kriegswitwe ja ohnehin nicht leisten konnte, das aber für sie die Teilnahme am großen gesellschaftlichen Leben bedeutete und den Luxus schlechthin darstellte. Ich, um die nette Verkäuferin zu sehen, die mir jedes Mal eine Bensdorp Schokolade zuschob, die sie zuvor im Cafe Urban, bei der Trude in der 10. Oktoberstr., gekauft hatte. Außerdem fand sie meine Bausbäckchen süß, die ich dann meistens zwischen ihren ausladenden Brüsten wiederfand, zwischen die sie mich, ob ich wollte oder nicht presste. Das Gefühl, die schwer wippenden Brüste an meinen Wangen zu spüren, wenn auch nur durch einen harten Fischgrät-BH, erzeugte bei mir so etwas wie erste Geilheit. Erst viel später wurde mir klar, dass der penetrante Geruch ihres Pullovers, erstens Schweißgeruch, also kein Parfüm, und zweitens nicht zwangsläufig der Preis war, den man bezahlen musste, um prickelnde Gefühle unterhalb der Gürtellinie zu erleben. Die Oma kaufte dann, so alle zehn Besuche, also einmal im Jahr, die kleine Flasche vom Kölnisch Wasser 4711. Sie zelebrierte dies mit einer fast religiösen Demut, der ich nicht mehr oft in meinem bisherigen Leben begegnen sollte. Wann immer sie dieses „echt Kölnischwasser“ auftrug, war es für sie tatsächlich Channel Nr. 5, und sie Gesellschaftsdame am schwedischen Königshaus.
Und so zog an vielen Weihnachten, oder anderen hohen Feiertagen, in unsere Wohnung, in der Heidenfeldstr. 15, doch noch so etwas, wie große weite Welt ein.