2005-07-02
Frankreichausflug - 2
Super-hyper-mega-Armstrong
Fromentine. Westliches Frankreich, ungefähr auf der Höhe von Nantes. Ein Nest am Atlantik, das erstmals in der Tourgeschichte auf der Karte auftaucht. „Weißes Land“ sozusagen. Tour-Nirwana. Dazu ein 19 km langes Straßenstück hinaus auf die Ile de Noirmoutier. Eine kleine Insel, die dazu angetan ist, deutschen Mittelklassetouristen das Wasser in die Augen zu treiben, ob der kitschigen Schönheit. Überhaupt, wenn die Sonne im Meer versinkt. Aber so stellt sich scheinbar der hoffnungslos romantische Tourdirektor Jean-Marie Leblanc den Auftakt zur heurigen großen Schleife vor. Den Wind hat der alte Schwerenöter auch dazu bestellt und prompt bekommen. Ansonsten gibt’s hier eigentlich nur Austern und die dazugehörigen Züchter, die halt dementsprechend schauen heute, weil natürlich tour-damisch.
So einfach ist also ein Prolog gestrickt, werden Sie jetzt denken. Aber glauben Sie nicht, dass er deswegen einfach ist, der Prolog.
Prolog. Heuer die ersten 19 Kilometer. Von 3607. Unwichtig, werden Sie jetzt sagen, da kann nichts passieren. Ja, was soll denn da schon groß passieren? Auf 19 Kilometern. Wenn es doch insgesamt über 3600 Kilometer sein werden, die wir heuer herunterradeln. Und grad bei einem Prolog. Wo es doch dabei eigentlich nur darum geht, wer auf der ersten Etappe das Gelbe Trikot, ja zwar das berühmte Gelbe Trikot tragen darf, aber halt nur auf der ersten Etappe. Also eigentlich um des Kaisers Bart, sozusagen. Mehr oder weniger, eine reine Prestigeangelegenheit.
Aber fragen Sie einmal den Pedro Delgado, wie er darüber denkt. Fragen Sie ihn ruhig geradeheraus, ob denn so ein Prolog wichtig sei und warum ein so lächerlich kurzes Stück überhaupt Erwähnung findet. Und fragen Sie ihn ruhig auch über den Kaiser seinen Bart und all die anderen modischen Geschichten, bis hin zu dem Leiberl, dem eierspeisgelben. Und dann wird der gute Pedro ins sinnieren kommen und wissend den Kopf hin und herwiegen. Weil wie er als Tourfavorit des Jahres 89 zum Prolog kam, da lief die Uhr schon knapp 3 Minuten lang. Ja der gute Mann hat den Start einfach verschlafen. Und jetzt holen Sie diese 3 Minuten einmal irgendwo auf. Das ist schwer. Das sage ich Ihnen. Und darum sage ich Ihnen auch, dass so ein Prolog mit seinen lächerlichen 19 Kilometern wichtig ist. Weil zuerst musst du sie fahren, die 19 Kilometer.
Also erste wichtige Regel: Wer sich im Gesamtklassement Chancen ausrechnen will, für den ist es wichtig, jeden Kilometer hochkonzentriert zu fahren. Auch den Prolog. Siehe Beispiel Herr Delgado. Also, wenn ich in Zukunft hier über Etappen rede, wo du nur verlieren kannst, dann meine ich damit, dass diese Abschnitte, mit dem richtigen Maß an Aufmerksamkeit gefahren, gar nicht so schwer sind. Für Fahrer allerdings, die gerne hinten im Feld herumkasperln und allerhand Spompanadeln treiben, und die dann trotzdem glauben in Paris, am Champs Elysées, werden sie ganz vorne dabei sein, für die kommt auf diesen Etappen das böse Erwachen. Weil du halt auf solchen Teilstücken nur verlieren kannst. Und die Tour de France zu gewinnen heißt, auf keiner Etappe zu verlieren.
Hier die Etappenwertung = Einzelwertung:
1 ZABRISKIE David CSC USA
2 ARMSTRONG Lance DSC USA 00' 02"
3 VINOKOUROV Alexandre TMO KAZ 00' 53"
4 HINCAPIE George DSC USA 00' 57"
5 BODROGI Laszlo C.A HUN 00' 59"
6 LANDIS Floyd PHO USA 01' 02"
7 CANCELLARA Fabian FAS SUI 01' 02"
8 VOIGT Jens CSC GER 01' 04"
9 KARPETS Vladimir IBA RUS 01' 05"
10 GONZALEZ GALDEANO Igor LSW ESP 01' 06"
Und wie ist es meinen glorreichen Zehn ergangen, die ich Ihnen als die Top Ten in Paris gestern genannt habe. Haben Sie Zeit verloren?
Ivan Basso (Italien), Position 20; -1´26”
Santiago Botero (Kolumbien), Position 25; -1´30“
Alexander Vinokourov (Kasachstan), Position 3; -0´53“
Lance Armstrong (USA), Position 2; -0´02"
Jan Ullrich (Deutschland), Position 12; -1´08“
Iban Mayo (ESP), Position 175; -3´15“
Alejandro Valverde (ESP), Position 82; 2´24“
Roberto Heras (ESP), Poition 79; 2´20“
Levi Leipheimer (USA), Position 14; 1´13“
Yaroslav Popovych (Ukraine), Position 17; 1´18“
Soviel zum Thema was du auf 19 Kilometern verlieren kannst. Fragen Sie ruhig mal Iban Mayo.
Keep on cycling.