2005-07-13
Frankreichausflug - 13
Heiliger Tour-Boden
Wir betreten heute heiligen Tour Boden, denn mit den Col de la Madeleine, dem Col du Télégraphe und dem Col du Galibier fahren wir heute die legendärsten Berge, die die Tour in den Alpen kennt.
Und was ist mit Alp d´Heuz , werden Sie sicherlich einwenden? Und was ist mit, und, und...?
Aber, das ist alles viel, viel jünger, geneigter Leser. Auf unseren 3 heutigen Alpenriesen befinden wir uns tatsächlich auf Tour-Urgestein. Hier ist jeder Meter Tour-Geschichte. Hier ist jeder Meter getränkt mit den Schweiß und den Tränen der Rennfahrer. Hier haben sich Dramen, aber auch große Triumphe abgespielt. Das sind Schicksalsberge seit Menschen die Idee hatten, mit einem Fahrrad ein Rennen durch die Berge zu machen.
Was haben wir also heute zu erwarten? Die von mir so herbei gesehnten Multiangriffstaktik auf Lance Armstrong, hat sich seit gestern erledigt. Ich sehe nur mehr für 4 Leute die Möglichkeit den Ami anzugreifen. Basso, Valverde, Leipheimer und Ullrich. Denn der Armstrong ist gestern, einschließlich seines Teams, gefahren wie voriges Jahr, und wie vorvoriges Jahr, und wie das Jahr davor, also eigentlich wie immer. Und nichts anderes ist heute von ihm zu erwarten. Er wird heute ganz vorne sein und in Paris die Tour zum siebenten Mal gewinnen. Er wird heute hier den nächsten Grundstein zur Unsterblichkeit legen. Fertig.
12:15. Start in Courchevel. Wir beginnen mit 20 Kilometer flotter Abfahrt. Dann, nach 28 Kilometer geht es mit dem Col de la Madeleine los. 26 Kilometer Anstieg liegt vor den Fahrern. Durchschnitt 6,1%. Also du kannst salopp sagen, zweimal der Drobratsch am Stück. Wer hier attackiert ist entweder verdammt gut drauf, oder muss später dann seinen Teamkapitän helfen, oder ist einfach nur verrückt. Weil wer stirbt schon gerne den langsamen Rennfahrertod.
Nur eines ist auch klar. Wenn einer der großen Geschlagenen von gestern irgendetwas ausbügeln möchte, dann sollte er auf "der" Madleine schon einmal eine Duftmarke setzen. Man wird sehen.
Das Rennen geht schon nach 2 Kilometer richtig los. Die üblichen Verdächtigen versuchen wieder in eine Fluchtgruppe zu gehen. Erstes Opfer der Tempobolzerei Tom Boonen, Träger des grünen Trikots. Er stürzt schwer. Es stellt sich die Frage, ob er den heutigen Tag übersteht.
2 Mann fahren an der Spitze. Hushovd, NOR, und Dumoulin, FRA haben 4:40 Vorsprung.
Wie angekündigt haben jetzt einige der großen Verlierer von gestern zur Revanche ausgeholt. Es hat sich eine starke Gruppe mit Vinokourow, Botero, Mancebo und Sevillia gebildet. Die haben auf Hushovd 5 Minuten Rückstand. Das Feld folgt mit 2 Minuten Abstand. Läßt Discovery Channel diese Gruppe fahren?
Armstrong hat reagiert. Er lässt die 10 Mann Gruppe nicht wirklich weg. Noch 9 Kilometer bis zum Gipfel.
Folgende Situation: 3 Kilometer sind es noch zum Gipfel. Die Spitzengruppe um Vinokourow hat Hushovd aufgeschnupft und wird jetzt ihrerseits von der Gruppe Armstrong wieder aufgefahren. Sie hat noch 30 Sekunden Vorsprung. Das heißt , alle Spitzenfahrern werden praktisch geschlossen über den Gipfel fahren.
Die Madeleine ist bezwungen. Botero, Vinokourow und Pereiro passieren den höchsten Punkt mit 48 Sekunden Vorsprung. In der Abfahrt wird sich wahrscheinlich alles wieder zusammenschieben.
Pereiro verabschiedet sich in der halsbrecherischen Abfahrt in die Botanik. Kommt aber glimpflich davon. Er kann wieder in die Spitze fahren.
Auf der Abfahrt stößt Martinez, ESP, von Rabobank zu den drei Spitzenreitern vor. Der Vorsprung der 4 beträgt 1:20.
Der Fuß des Col du Télégraphe ist erreicht. Die Spitze hat 1:30 Vorsprung.
Alles ist ziemlich konstant. Es gibt nur 2 kleine Veränderungen. Der Martinez ist nicht mehr in der Spitze. Und diese hat auf das Feld jetzt 2:00 Vorsprung. Waffenstillstand. Oder die Ruhe vor dem Sturm.
Der Gipfel des Col du Télégraphe ist erstürmt. Die drei Spitzenfahrer haben 3:20 Vorsprung. Jetzt folgen nur 3 km Abfahrt und dann geht es schon auf den Col du Galibier. Hier muss die Entscheidung über den Etappensieg fallen.
Noch 14 Kilometer nach oben. Pereiro hat sich einen Wolf gefahren und muss seine Kollegen ziehen lassen. Also nur noch Botero und Vinokourow an der Spitze. Vorsprung auf die Gruppe Armstrong 3:13.
Auch Botero kann den Tritt von Vinokourow nicht mehr halten. Der Kasache fährt die letzten 10 Kilometer alleine auf den Col du Galibier. Und ihn ist es durchaus zuzutrauen, dass er den Vorsprung, wenn er ihn denn nach oben bringt, die letzten 40 Kilometer bis ins Ziel durchziehen kann.
Discovery Channel zieht das Tempo hoch. Das Feld um Armstrong wird kleiner. Vinokourow hält 3:15 vorne raus. Das nenn ich Wiedergutmachung. Aber so ist dieser sympatische Bursche. Er hat in all den Jahren, in denen er bei der Tour war, immer wieder einen schlechten Tag gehabt. Sonst hätte er unter Umstände, sogar einmal gewinnen können.
Beeindruckend in welch souveränen Manier Vinokourow diese Etappe fährt. Er bringt 2:40 an Vorsprung zum Gipfel. Beeindruckend aber auch wieder die Zuschauerkulisse. Jetzt muss der Kasche noch 35 Kilometer halsbrecherische Abfahrt hinter sich bringen, um seine Parforceritt mit den Etappensieg zu krönen.
Botero liegt zwischen der Spitze und der Armstronggruppe. Für ihn wird es schwer vor dem Feld zu bleiben. Dazu kommt, dass die Straße in der Abfahrt regennass ist.
Der Botero hat auf den ersten Kilometern der Abfahrt 45 Sekunden auf den Kasachen gutgemacht. Also wieder 2 Mann Spitze. Und zwar 2 Klasseleute. Die können das schaffen. Aktueller Abstand 2:33.
Discovery Channel versucht nochmals alles, um Zeit auf die 2 gut zu machen. Weil so ganz aussichtslos sind ja beide in der Gesamtwertung nicht. Abstand 2:20. 15 Kilometer bis zum Ziel.
7 Kilometer. 1:51 Minuten Abstand.
Botero und Vinokourow ziehen voll durch. Es gibt keine taktischen Spielchen. Sie fahren bis zu den letzten 800 Meter vorm Ziel und wer noch mehr Körner hat sprintet den anderen dann nieder. Auf alle Fälle eine fantastische Leistung von beiden. Und am Ende zerlegt Vinokourow den Kolumbianer und gewinnt die Etappe. Sie bringen gerade noch 1:15 auf Armstrong ins Ziel. Eine gute Etappe, aber aus unserer Sicht leider unter der totalen Kontrolle von Discovery Channel.
Etappenwertung:
1 VINOKOUROV Alexandre TMO KAZ
2 BOTERO Santiago PHO COL 00' 01"
3 MOREAU Christophe C.A FRA 01' 15"
4 JULICH Bobby CSC USA 01' 15"
5 MAZZOLENI Eddy LAM ITA 01' 15"
6 ARMSTRONG Lance DSC USA 01' 15"
7 EVANS Cadel DVL AUS 01' 15"
8 LEIPHEIMER Levi GST USA 01' 15"
9 RASMUSSEN Mickael RAB DEN 01' 15"
10 TOTSCHNIG Georg GST AUT 01' 15"
Gesamtwertung:
1 ARMSTRONG Lance DSC USA
2 RASMUSSEN Mickael RAB DEN 00' 38"
3 MOREAU Christophe C.A FRA 02' 34"
4 BASSO Ivan CSC ITA 02' 40"
5 VALVERDE Alejandro IBA ESP 03' 16"
6 BOTERO Santiago PHO COL 03' 48"
7 LEIPHEIMER Levi GST USA 03' 58"
8 MANCEBO Francisco IBA ESP 04' 00"
9 ULLRICH Jan TMO GER 04' 02"
10 KLÖDEN Andréas TMO GER 04' 16"
Die Trikots sind wie folgt verteilt:
Gelb (Gesamtführender): ARMSTRONG Lance USA
Grün (bester Sprinter): BOONEN Tom BEL
Polka (Bergpreisbester): RASMUSSEN Mickael DEN
Weiß (bester Rookie): VALVERDE Alejandro ESP
Team: CSC
Wie liegt die kärnöl-Truppe:
Ivan Basso (Italien), Position 4; -2´40”
Santiago Botero (Kolumbien), Position 6; -3´48"
Alexander Vinokourov (Kasachstan), Position 12; -4´47"
Lance Armstrong (USA), Position 1;
Jan Ullrich (Deutschland), Position 9; -4´02"
Iban Mayo (ESP), Position 54; -48´51"
Alejandro Valverde (ESP), Position 5; 3´16"
Roberto Heras (ESP), Poition 38; - 28´46"
Levi Leipheimer (USA), Position 7; 3´58"
Yaroslav Popovych (Ukraine), Position 15; 6´25"
Soweit für heute. Bis morgen. Keep on cycling.