2004-12-05
Der Herr Karl (9.10.1988 - 30.11.2004)
Ein Nachruf
Charly
„Platz“ oder „sitz“ hatten für ihn keine Bedeutung. „Brings“ oder „Fuß“ lösten bei ihm nur ungläubiges Kopfschütteln aus. Er war der Meinung, dass wir wussten, dass er keine Fremdsprache beherrschte. Er wusste von selbst, wann er sich niedersetzen wollte. Oder wenn er etwas brauchte, so holte er es sich. Was zum Essen zum Beispiel. Das brauchte ihm keiner zu sagen. Und lernen schon überhaupt nicht. Eine Leine hatte in seinem Leben keinen Platz. Er konnte alleine gehen.
Und er ging seine Wege. Manchmal fuhr er den ganzen Tag mit einem Pizzafahrer durch Villach, weil es ihm halt Spaß machte. Da stieg er schon einmal auf der Oberen Fellach bei der Henselkaserne aus und machte sich einen schönen Tag. Und wann immer er dann ein weiteres schwarzes Auto mit Pizza-Express Logo sah, stieg er ein und fuhr wieder mit. Oder er strawanzte den ganzen Tag durch seine Bezirke. Das waren die Auen, bis hinaus nach Warmbad, Völkendorf und die innere Stadt. Überall hatte er seine Bekanntschaften, die er nach Lust und Laune besuchte, betreute und beglückte. Nur in die Perau hinüber ging er nicht mehr gerne. Da hatte er einmal in der Auffeldgasse schwer draufgezahlt und fest eine aufs Dach bekommen. Das hat er sich gemerkt.
Oder er ging auf Beisltour. Das hieß, er wanderte am Nachmittag vom Brauhof, damals gab es noch die Schwemme, hinüber zum Obiditsch, dann weiter ins Platzl und zum Abschluss ins Lichtl, das war die abgefuckte Kneippe vis a vis vom Westbahnhof, wo immer der beste Flipper von ganz Villach drinnen stand, oder zum Kleindienst in der Richard Wagnerstrasse, wo wir kurbelten, also Tischfußball spielten. Und überall wurde er gelabt. Jeder der Wirte hatte für ihn einen Aschenbecher voll Bier übrig. Zuhause kam er dann schleppenden Schrittes an und konnte in Ruhe seinen Rausch ausschlafen.
Wobei die letzten 5 Jahre trank er ja nicht mehr, und ich kann mich, wenn ich ehrlich bin gar nicht mehr dran erinnern, wer von uns beiden das Saufen zuerst aufgegeben hat. Weil da hat es natürlich schon Zeiten gegeben, da hat das braune Flascherl mit dem roten Villacher Etikett drauf, beim Karl schon ziemlich den Pawlowschen Kollegen raushängen lassen. Frage nicht.
Aber mit dem Alter ist es besser geworden. Er wurde durchaus vernünftig.
Allerdings nur was das Trinken betraf. Die Damenwelt war vor ihm bis zum heurigen Frühjahr nicht sicher. Und immer, wenn er mit mir an einer Hundedame vorbeitrottete, spürte man förmlich die Bewunderung und die Hochachtung, die ihm das weibliche Geschlecht entgegen brachte. Man hörte förmlich das Raunen: „He schau, das ist der kleine Braune ohne Leine, von dem ich dir letztens erzählt habe“. Und auch an der Nachkommenschaft fehlte es ihm nicht.
Und jetzt wo er nicht mehr ist, fällt es mir erst auf. Er war immer da, immer mit uns, wahrhaftiger Teil der Familie.
Kurz nachdem wir geheiratet haben, hat die damalige Chefin meiner Frau, die in der Italienerstrasse einen Laden für Imkereibedarf betrieb, der Jutta ein braunes Knäuel Hund in die Hand gedrückt, scheinbar in der Hoffnung, wenn ein Hund da ist, dann werden wir wohl so schnell keine Kinder haben wollen, und die Arbeitskraft bliebe ihr erhalten. Der Hund gefiel uns. Das Kindermachen auch. Alsbald waren wir zu viert. Und so war dieser drahtige, vife Bursche seit über 16 Jahren bei allem dabei was Familie Kravanja bewegt, berührt oder beglückt hat. Er hat die Kinder freudigst begrüßt, ist 2 mal mit uns umgezogen. Hat das Haus mitgebaut und die Firma eröffnet. Litt und freute sich mit uns. Ging auf Hochzeiten, Taufen, Konfirmationen, zum Schuleinschreiben. Feierte Ostern, wobei seine Stärke im Eiersuchen lag, und jaulte am Heiligen Abend "Stille Nacht" mit, ich glaube ja nur des Christbaumknackers wegen.
Jetzt ist er der erste, der aus unseren Familienverband herausgerissen wurde. Und er fehlt uns.
Aber gegen den Tod ist die Liebe machtlos.