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2005-07-10

Frankreichausflug - 10

Es keimt Hoffnung

Noch in der Nacht sehe ich mir die Videoaufzeichnung der Etappe von Pforzheim nach Gerardmer an. Ich habe die Nachtsession nicht zu bereuen. Das war gestern Radsport auf aller höchstem Niveau, was sich da in den Vogesen abgespielt hat. Zunächst wieder Fluchtgruppen und unser beliebtes Spiel „Fang die Ausreißer“. Und dann 30 Kilometer vorm Ziel der Col de la Schlucht. Und seit dem ist nichts mehr, wie es die letzten 6 Jahre in der Tour de France war. Denn das Feld kommt praktisch geschlossen an den Fuß dieses giftigen Anstiegs. Armstrong noch wohl behütet von seiner Mannschaft. Das Tempo wird enorm beschleunigt und das Feld zerbröselt hinten raus. Vorne attackiert Christophe Moreau FRA und eröffnet damit eine Multiattacke auf den amerikanischen General. Der sieht sich plötzlich von seiner Mannschaft verlassen, mutterseelen alleine seinen Gegnern ausgeliefert. Zunächst zermürbt ihn Telekom, mit Vinokourow, Ullrich und Klöden. Dann sieht er sich der spanischen Armada ausgeliefert. Allen voran Valverde. (War da nicht was in der Fahrerparade?) Auch die Holländer sind da, und Armstrong hat alle Hände voll zu tun, weil er nicht mehr weiß, welchen Angriff er parieren muss und welchen nicht. Schließlich muss er Peter Weening von Rabobank und Andreas Klöden von T-Mobile ziehen lassen. Die Zwei liefern sich dann einen tollen Zielsprint, den ich als totes Rennen gesehen hätte. Die Jury erklärt allerdings den Holländer zum Etappensieger.

Fazit: Armstrong wurde gestern erstmals seit Jahren von mehreren Seiten gleichzeitig angegriffen. An dieser Stelle darf durchaus einmal angemerkt werden, dass der entscheidende Tipp für diese Taktik natürlich von der kärnöl-Site kam. Er hat dem Druck zwar noch standgehalten, aber es ist undenkbar, dass er das die nächsten 2 Wochen durchhalten kann. Schon heute halte ich es für möglich, dass sich die Situation für den Ami noch verschärft. Die Etappe stellt sich nämlich von den reinen Profildaten her, als noch schwerer dar, als die gestrige. Allerdings geht es heute nach dem letzten Berg noch 50 Kilometer bis zum Ziel, was die Situation allerdings grundsätzlich etwas leichter für diejenigen macht, die am Berg Probleme haben werden. Ein Blick auf das Klassement zeigt: CSC ist mit 4 Leuten unter den ersten 7, und T-Mobile 3 Leuten unter den ersten 9. Die Tour hat gestern wirklich begonnen und wir können in Erwartung tollen Radsports, die nächsten Tage herbeisehnen.

Nachmittag geht es los.

Vorerst aber hier noch das gestrige Etappenergebnis:

1 WEENING Pieter RAB NED
2 KLÖDEN Andréas TMO GER 00' 00"
3 VALVERDE Alejandro IBA ESP 00' 27"
4 KIRCHEN Kim FAS LUX 00' 27"
5 VOIGT Jens CSC GER 00' 27"
6 ULLRICH Jan TMO GER 00' 27"
7 EVANS Cadel DVL AUS 00' 27"
8 MOREAU Christophe C.A FRA 00' 27"
9 HORNER Christopher SDV USA 00' 27"
10 VINOKOUROV Alexandre TMO KAZ 00' 27"


Wie steht es gesamt:

1 ARMSTRONG Lance DSC USA
2 VOIGT Jens CSC GER 01' 00"
3 VINOKOUROV Alexandre TMO KAZ 01' 02"
4 JULICH Bobby CSC USA 01' 07"
5 BASSO Ivan CSC ITA 01' 26"
6 ULLRICH Jan TMO GER 01' 36"
7 SASTRE Carlos CSC ESP 01' 36"
8 HINCAPIE George DSC USA 01' 47"
9 KLÖDEN Andréas TMO GER 01' 50"
10 LANDIS Floyd PHO USA 01' 50"


Hier noch die Platzierungen der 10 Leute, die für das kärnöl Team fahren:

Ivan Basso (Italien), Position 5; -1´26”
Santiago Botero (Kolumbien), Position 13; -2´18"
Alexander Vinokourov (Kasachstan), Position 3; -1´02"
Lance Armstrong (USA), Position 1;
Jan Ullrich (Deutschland), Position 6; -1´36"
Iban Mayo (ESP), Position 52; -5´48"
Alejandro Valverde (ESP), Position 23; 3´24"
Roberto Heras (ESP), Poition 20; 2´58"
Levi Leipheimer (USA), Position 14; 2´31"
Yaroslav Popovych (Ukraine), Position 12; 2´14"

Also sogar mein Sorgenkind Iban Mayo kommt langsam in Tritt. Nur schade, dass der Popovych in der Mannschaft vom Armstrong heute etwas verloren hat.

Die Trikots tragen seit gestern:

Gelb (Gesamtführender): ARMSTRONG Lance USA
Grün (bester Sprinter): BOONEN Tom BEL
Polka (Bergpreisbester): RASMUSSEN Mickael DEN
Weiß (bester Rookie): KARPETS Vladimir RUS
Team: CSC


Die Tour hat richtig begonnen. Soviel steht fest. Und es macht Spaß. Von Beginn der Etappe an herrscht turbulentes Renngeschehen. Das hat natürlich mit dem Profil de heutigen Abschnittes zu tun. Das ist nämlich am Anfang sehr fieberkurvig. Kategorisch gesehen 3-3-3-2- kleine Pause, dann 3-1.

Zum Stand des Rennens: Wir haben die drei Dreier hinter uns, und wie zu erwarten war ging der Rasmussen mit einem Kollegen, dem Cioni raus, wegen der Bergpunkte. Der will natürlich das Trikot zumindestens heute verteidigen. Dann eine Verfolgergruppe, zirka 2 Minuten zurück, bestehend aus 6 Mann. Mit drinnen in der Partie Voigt und Moreau. Also gefährliche Leute. Dann das Feld, in etwa 4 Minuten zurück. Wenn Sie mich fragen, dann bereitet heute CSC so etwas ähnliches vor, wie gestern die deutschen Telefonierer.

Im Anstieg zum Le Grand Ballon, dem Kategorie 2 Berg, muss das Discovery Team vom Armstrong jetzt die Arbeit machen. Weil der Jens Voigt hat auf den Ami immerhin 5 Minuten Vorsprung und das sollte auch der General ernst nehmen.

Der große Ballon ist überquert. Nach wie vor Rasmusen, Cioni an der Spitze. 2:20 zurüch die 6er Gruppe mit Voigt und Moreau. Das Feld kommt mit 8 Minuten Rückstand.

Mittagspause. Also Verpflegungskontrolle. Bei mir gibt es Nudelsalat. Da hab ich eindeutig den besseren Mannschaftswagen, als die Radler.

So, der letzte Dreier ist passiert. Die Abstände sind gleich geblieben. der schwierigste Berg des heutigen Tages muss eine Entscheidung bringen. Wahrscheinlich schlägt das Pendel Richtung Voigt aus.

Bei der Bergwertung der 1. Kategorie schnauft Rasmussen alleine daher und zementiert damit sein Bergtrikot. Auf der Verfolgung sind jetzt Voigt und Moreau mit rund 4 Minuten Abstand. Armstrong hat 9:40 Rückstand. Na bumm!

Die letzten 30 Kilometer nimmt Rasmussen mit 4 Minuten Vorsprung in Angriff. Er sieht wie der sichere Etappensieger aus. Voigt hat immer noch 5 Minuten gut auf den Texaner und Co. So wie es aussieht zieht Armstrong das Gelbe heute aus.
Rasmussen finalisiert eine 167 Kilometer lange Soloflucht. Allein diese Tatsache ringt Respekt ab. Das Bergtrikot hat er sich sowieso hart erarbeitet. Jens Voigt übernimmt Gelb. Er kommt mit Moreau mit 3 Minuten Rückstand ins Ziel. Das Feld inklusive dem Ex-Leader kommt mit 6 Minuten Abstand.
Es war heute nicht ganz so spektakulär, wie gestern, weil die Etappe von den Abständen zwischen den Gruppen unglaublich stabil war, aber die Auswirkungen sind ungleich größer und wohl auch noch zum Teil auf die gestrigen Ereignisse zurückzuführen.

Der Armstrong hängt in den Seilen und wird angezählt. Morgen ist zwar Ruhetag und die Möglichkeit auf gute Regeneration ist gegeben, aber oft hat der Ruhetag Fahrern schon mehr geschadet als genützt. Und es bleibt ja auch noch die Möglichkeit das der gute Lance den Kollegen wieder einmal Schauspielunterricht erteilt und ab den Alpen am Dienstag die Holywoodtaktik auspackt. Mit Oscargarantie für das beste Drehbuch. Wer weiß.

Auf alle Fälle haben die letzten 2 Tage unheimlich viel Geschmack auf mehr gemacht. Und dieses Mehr sind ab Dienstag zuerst die Alpen und dann die Pyrenäen. Und das innerhalb von nur einer Woche. Na dann.

Etappenergebnis:

1 RASMUSSEN Mickael RAB DEN
2 MOREAU Christophe C.A FRA 03' 04"
3 VOIGT Jens CSC GER 03' 04"
4 O’GRADY Stuart COF AUS 06' 04"
5 GILBERT Philippe FDJ BEL 06' 04"
6 GESLIN Anthony BTL FRA 06' 04"
7 LANG Sebastian GST GER 06' 04"
8 BROCHARD Laurent BTL FRA 06' 04"
9 PINEAU Jérôme BTL FRA 06' 04"
10 GLOMSER Gerrit LAM AUT 06' 04"


Gesamtwertung:

1 VOIGT Jens CSC GER
2 MOREAU Christophe C.A FRA 01' 50"
3 ARMSTRONG Lance DSC USA 02' 18"
4 RASMUSSEN Mickael RAB DEN 02' 43"
5 VINOKOUROV Alexandre TMO KAZ 03' 20"
6 JULICH Bobby CSC USA 03' 25"
7 BASSO Ivan CSC ITA 03' 44"
8 ULLRICH Jan TMO GER 03' 54"
9 SASTRE Carlos CSC ESP 03' 54"
10 HINCAPIE George DSC USA 04' 05"

Wie liegen meine 10 Jungs:

Ivan Basso (Italien), Position 7; -3´44”
Santiago Botero (Kolumbien), Position 15; -4´36"
Alexander Vinokourov (Kasachstan), Position 5; -3´20"
Lance Armstrong (USA), Position 3; -2´18"
Jan Ullrich (Deutschland), Position 8; -3´54"
Iban Mayo (ESP), Position 51; -8´06"
Alejandro Valverde (ESP), Position 24; 5´42"
Roberto Heras (ESP), Poition 21; 5´16"
Levi Leipheimer (USA), Position 16; 4´49"
Yaroslav Popovych (Ukraine), Position 14; 4´32"

Die Trikots tragen jetzt:

Gelb (Gesamtführender): VOIGT Jens GER
Grün (bester Sprinter): BOONEN Tom BEL
Polka (Bergpreisbester): RASMUSSEN Mickael DEN
Weiß (bester Rookie): KARPETS Vladimir RUS
Team: CSC

Soweit für heute. Bis zum Dienstag. Keep on cycling.

Reaktionen Auf den Beitrag reagieren

Herwig- 2005-07-10, Nr. 1981

Lieber Robert

Hut ab vor den Radlern, ich "verfolge" sie auch. aber langsam wird es fad.
Die täglichen Frankreichausflüge. Kärnöl ist nicht nur Sport.

PS: die Herrn Redakteure sollten vielleicht doch endlich einmal den "Zugangsbereich" wieder herstellen. Im "Platzl" ja sagen, daheim alles vergessen. So schaut's aus!

tom trotzki- 2005-07-10, Nr. 1982

Tom Trotzki hat auch seinen Favoriten - Jörg Jacksche von Liberty Seguros Würth Team :-)

VENGA!!!
VENGA!!!
ivenceremos!

Aber ich persönlich finde ja die Österreich Rundfahrt (HERVIS Tour) viel interessanter ;-)......

Liebes Grüßle vom
tom trotzki

Walther Schütz- 2005-07-17, Nr. 2003

Auf einer öffentlichen Mailingliste von ATTAC-Deutschland war zu den Sponsoren des kurzzeitig das gelbe Trikot tragenden Voigt (er hatte es am Sonntag, den 10. Juli errungen) Folgendes zu lesen, das ich der Kärnöl-Community nicht vorenthalten möchte:

Gerhard Wendebourg

IRAKKRIEGPROFITEUR schmueckt sich auf der Tour de France

Nachdem bei uns die Forderung von Arundhati Roy, man solle die Profiteure des Irakkkriegs nicht gewaehren lassen, keine Konsequenzen hatte, finden wir einen der Konzerne, die hier in vorderster Front agieren, vertreten und promotet auf der Tour de France.

Das Team von CSC schmueckt sich aktuell mit dem gelben Trikot, und vermutlich wissen nur die allerwenigsten, welcher Schmutz an den Sponsorengeldern klebt, mit denen Voigt und sein Team finaziert werden. Ob Drogen-, Menschenhandel: oder blutige Gewalt: durch sportliche Triumpfe wird das Image auf Hochglanz poliert, das auch vorher schon keinen Kratzer hinnehmen musste - geschuetzt durch den Deckmantel der oeffentlichen Unwissenheit.

Der Computerdienstleister CSC kaufte sich vor einiger Zeit eine der fuehrenden Firmen fuer Soeldnerverleih und anderweitige militaerische Dienstleistungen DynCorp, die seitdem profttraechtiger Bestandteil des Konzerns ist.

Bekannt wurde DynCorps unter anderem durch ihre Einsaetze als Polizeitruppe in Ex-Jugoslawien. Hier fiel u.a. auf, welche Standards von DynCorp gepflegt wurden: Als ein Angestellter monierte, dass andere Mitarbeiter die Gelegenheit nutzten, und sich fuer kleines Geld minderjaehrige Sex-Sklavinnen hielten, kam der Geschaeftsfuehrung nicht etwa in den Sinn, mit dergleichen Praktiken aufzuraeumen. Stattdessen erhielt der Mitarbeiter, der seine Kollegen angeschwaerzt hatte, die Kuendigung.

Wer fuer die Prostituiertenringe in Bosnien, die von DynCorp-Angestellten betrieben wurden, letztlich verantwortlich war, wurde nie vollstaendig geklaert: es ist sicher eine Ueberforderung, von einer Truppe, deren Auftrag es war, Polizeigewalt auszuueben, Dergleichen zu verlangen. Inwiefern sich die Praktiken im Irak geaendert haben, darueber fehlen ebenfalls bisher Informationen.

Auch im Irak ist DynCorp einschlaegig taetig, und gehoert zu den groesseren Fischen im Teich der militaerischen Dienstlestungen, nachdem der Soeldnertruppe schon in Afghanistan der Job uebertragen wurde, den Praesidenten Karzai unter ihre Kontrolle zu nehmen.

Zum Glueck interessieren sich unsere Medien nicht fuer dergleichen Schmutz unter dem Teppich des globalen Imperialismus: wieviel angenehmer und erfreulicher ist es doch, Jens Voigt zu bejubeln, und seinem Sponsor dafuer zu danken, dass er endlich wieder einem Sportler deutscher Nationalitaet zum gelben Trikot verholfe hat.

PS: CSC verkaufte vor einigen Monaten Teile von DynCorp, die die Gewinnmargen des Konzerns haetten druecken koennen. Dabei wurde festgestellt, dass das Geschaeftsfeld der militaerischen Dienstleistungen besonders im Irak zu den expansivsten Sparten des Unternehmens gehoerte. Allein durch den Verkauf verchiedener DynCorp-Bereiche wurde ein Gewinn von 400 Millionen Dollar erzielt. Die gesamten Einnahmen des Konzerns betrugen im Jahr des Irakkrieges 2003 mehr als 11 Milliarden. Dies bedeutet selbstverstaendlich nicht, dass man zb. die profitablen Auftraege zur Entwicklung der IT-Infrastruktur im Irak fallengelassen haette. http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A62259-2004Dec13.html

+++++

Werner Schettke merkt an:

"Dazu passt, dass im ZDF ... eine Dokumentation zum Training der CSC-Mannschaftim Winter/Frühling d.J. gesendet wurde:
Die Mannschaft war - einschl. Staff - zu einer mindestens 3-tägigen Überlebensübung beim Dänischen Militär mit Tarnanzügen, Helmen und Kriegsgerät und militärischem Instruktor.
Geschickt verbriet Bjarne Riis was man da alles beim Militär lernen konnte: Einsatzwillen, natürlich Kameradschaft und Teamwork, Mut, Selbstverleugnung und Mut, Ivan Basso musste - obwohl er nicht schwimmen kann, ins Wasser.
Alles in Tarnfarben, immer begleitet von Schützenpanzern. Das war sicher nicht nur gute Reklame für CSC-DynCorp, sondern auch für jedwedes Militär. Das war auch versteckte Werbung für den neoliberalen Leistungsgedanken: Alles wird der Leistung untergeordnet.
Die Neoliberalen sind eben stringenter in ihrem Tun und Denken, als alle zerstrittenen Linken zusammen."

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