2005-07-15
Frankreichausflug - 15
Schlacht um Grün
Immer, wenn im Kampf um das gelbe Leadertrikot eine gewisse Stagnation eintritt, dann rückt das grüne Trikot für den besten Sprinter der Tour de France, in den Mittelpunkt des Geschehens. So auch heute. Und dafür gibt es beste Voraussetzungen für das Rennen im Rennen.
1. Topfeben. Es gibt auf der ganzen Etappe, von Miramas nach Montepellier ein Gefälle von exakt 10 Metern. Dazwischen eine einzige Erhebung, die gerade einmal 100 Meter Höhenunterschied zum Startort aufweist. Für den Villacher gesprochen: Einmal Fuchsbichl fahren und den Rest der 174 Kilometer brettleben.
2. Wir übersiedeln heute. Der ganze Tourtross, einschließlich der Rennfahrer, muss von den Alpen in die Nähe der Pyrenäen verlegt werden. Und das passiert heute. Das heißt, dass das Team von Discovery Channel heute einen Tag frei kriegt, weil die Arbeit ganz sicher von den Teams der Sprinter erledigt werden wird. Die haben nämlich ein Interesse, dass das Peleton geschlossen nach Montepellier kommt, um dort dann um die Punkte zu sprinten.
3. Durch den Ausfall von Tom Boonen, ist plötzlich ein spannender Dreikampf an der Spitze der Sprintwertung entstanden. Hushovd, McEwen und O´Grady werden sich bis Paris praktisch zerfleischen für dieses prestigeträchtiges Trikot. Dazu kommt, dass mit Kirsipuu, Nazon, Hunter und Furlan noch weitere vier Topsprinter das Rennen bereits aufgeben mussten.
Wir werden heute also ein Hetzjagd von Beginn der Etappe an, sehen. Aber es wird keiner Gruppe, und schon gar keinen Solisten gelingen, sich ins Ziel zu retten. So weit lehne ich mich schon mal aus dem Fenster hinaus.
Und so kommt es auch: Bereits bei Rennkilometer 2 erfolgt der erste Angriff. Quinziato und Lang gehen raus.
Die 2 Ausreißer werden aber wieder zurückgeholt. Es erfolgt sofort eine Konterattacke, aus der heraus sich eine 5 Mann Spitzengruppe bildet.
Mit dabei: Juan Antonio Flecha (ESP - FAS), Chris Horner (USA - SDV), Carlos Da Cruz (FRA - FDJ), Ludovic Turpin (FRA - AG2R) und Thomas Voeckler (FRA - BTL).
Nach 26 Kilometer haben sie 2 Minuten Vorsprung. Jetzt wird das Feld, die armen Hunde an der mehr oder weniger langen Leine spazieren führen. Schauen wir einmal, wie weit heute die Gruppe wegkommen darf.
Nach 40 Kilometern haben die 5 den Vorsprung auf 5:21 geschraubt.
Jetzt sind 50 Kilometer absolviert. 9 Minuten beträgt der Abstand. Ich denke jetzt wird das Feld bald zu fahren beginnen, weil mit dem Flecha ist natürlich ein Mann vorne, der große Distanzen notfalls auch alleine durchdrücken kann.
Wie vermutet, hat jetzt das Feld die Schlagzahl etwas erhöht. Bei Kilometer 62 hat sich der Vorsprung auf 7:37 reduziert.
Noch genau 100 Kilometer sind es bis ins Ziel. Abstand des Feldes 6:30.
S C H O C K! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! !
Alejandro Valverde, der Fünftplazierte, muß das Rennen wegen Knieproblemen beenden. Er wäre einer der vier Fahrer gewesen, denen ich persönlich es noch zugetraut hätte Armstrong anzugreifen.
Ein weiteres Mosaiksteinchen für den Ami, im Gesamtkunstwerk des 7. Toursieges. Es läuft alles für ihn.
Es bleiben noch 80 Kilometer. Der Vorsprung der Fluchtgruppe schmiltz weiter. 4:30 verbleiben noch. Derzeit wichtigste Information: Jens Heppner Kommentator für Eurosport, isst zum Frühstück rote Marmelade mit einer Scheibe Goudakäse und findet das ganz normal. Ich bin immer noch traurig wegen Valverde, der ja sowas wie mein persönlicher Liebling im kärnöl-Team war.
Im Feld ist Davidatmon-Lotto fest entschlossen die Ausreißer zurückzuholen. 65 Kilometer bleiben. Abstand 3:40.
50 Kilometer vor dem Ziel haben die 5 Escapados nur noch 2 Minuten Vorsprung.
Die Davidtamon Leute arbeiten wie im Bergwerk. Für die letzten 35 Kilometer hat die Gruppe noch eine Minute Vorsprung.
20 Kilometer vor dem Ziel verhungern die armen Teufel vorne ganz, ganz langsam, weil es das Feld halt so will. Sie haben gerade noch 30 Sekunden Vorsprung.
Wir fahren die letzten 10 Kilometer. Nur noch 10 Sekunden Vorsprung. Und natürlich wird Höllentempo gefahren.
Und jetzt passiert das Überraschendste des Tages. Davidtamon-Lotto, die 150 Kilometer wie die blöden Nachführarbeit geleistet haben, gehen aus der Führung. Sofort wächst der Vorsprung wieder auf 20 Sekunden. Versteh das wer will, ich nicht.
Jetzt also nur noch 2 Mann Spitze, Horner und Chavanel, der aus dem Hauptfeld vorgefahren ist, sind an der Spitze. Kommen die durch?
5 Kilometer. Der Franzose und der Ami haben 25 Sekunden gut, auf das geschlossene Feld. Geil was die Jungs in den Asphalt schnitzen.
Jetzt steigen die Mannschaften der Sprinter wieder in die Verfolgung ein. Ob das noch reicht.
3 Kilometer. Abstand 14 Sekunden. O, oh.
2 Kilometer. 12 Sekunden. Es wird sauknapp.
Letzter Kilometer. 8 Sekunden. Sie werden es nicht schaffen. Die gehen 150 Meter vorm Ziel ein. Zum Verzweifeln für die Zwei. Das sind die kleinen Dramen, die das Salz in der Toursuppe sind. Leider.
Und noch im Vorbeifahren eröffnet das Feld den Sprint. McEwen geht schnell in den Wind. Super angezogen vom Teamkollegen Rodriguez.
Robbie McEwen gewinnt die Etappe. Da hat sich also die Arbeit des Davidtamon-Lotto Teams doch noch bezahlt gemacht. Hier das Ergebnis des Tages:
1 MC EWEN Robbie DVL AUS
2 O’GRADY Stuart COF AUS 00' 00"
3 RODRIGUEZ Fred DVL USA 00' 00"
4 TRENTI Guido QST USA 00' 00"
5 HUSHOVD Thor C.A NOR 00' 00"
6 GESLIN Anthony BTL FRA 00' 00"
7 FÖRSTER Robert GST GER 00' 00"
8 BACKSTEDT Magnus LIQ SWE 00' 00"
9 BORTOLAMI Gianluca LAM ITA 00' 00"
10 HORNER Christopher SDV USA 00' 00"
Wie unglaublich geil kann Radsport auf diesem Niveau sein. Und vor allem lässig, dass es solche Etappen gibt, wo wir Urlauber voll auf unsere Kosten kommen. Denn 4 Stunden durch die Camarque zu radeln sind schon ein außergewöhnliches Vergnügen für die Seele.
Morgen gehen wir die Pyrenäen an. Bergankunft in Ax 3 Domaines!!!
Prädikat: Sehr wertvoll.
Die Gesmtwertung ist unverändert:
1 ARMSTRONG Lance DSC USA
2 RASMUSSEN Mickael RAB DEN 00' 38"
3 MOREAU Christophe C.A FRA 02' 34"
4 BASSO Ivan CSC ITA 02' 40"
5 BOTERO Santiago PHO COL 03' 48"
6 LEIPHEIMER Levi GST USA 03' 58"
7 MANCEBO Francisco IBA ESP 04' 00"
8 ULLRICH Jan TMO GER 04' 02"
9 KLÖDEN Andréas TMO GER 04' 16"
10 LANDIS Floyd PHO USA 04' 16"
Die Trikots nicht ganz, weil Valverde die Segel streichen mußte:
Gelb (Gesamtführender): ARMSTRONG Lance USA
Grün (bester Sprinter): HUSHOVD Thor NOR
Polka (Bergpreisbester): RASMUSSEN Mickael DEN
Weiß (bester Rookie): POPOVYCH Yaroslav UKR
Team: CSC
Das Kärnöl-Team heute mit Trauerflor wegen Valverde:
Ivan Basso (Italien), Position 4; -2´40”
Santiago Botero (Kolumbien), Position 5; -3´48"
Alexander Vinokourov (Kasachstan), Position 11; -4´47"
Lance Armstrong (USA), Position 1;
Jan Ullrich (Deutschland), Position 8; -4´02"
Iban Mayo (ESP), Position 55; -48´51"
Alejandro Valverde (ESP), ausgeschieden
Roberto Heras (ESP), Poition 38; - 29´09"
Levi Leipheimer (USA), Position 6; 3´58"
Yaroslav Popovych (Ukraine), Position 14; 6´25"
Soweit für heute. Bis morgen. Keep on cycling.