2005-07-05
Frankreichausflug - 5
Warum du beim Radeln eine Mannschaft brauchst
Regen und Sturmetappe heute in Villach Völkendorf, daher Umzug vom Garten ins Haus. Die gestern angedachte Helmpflicht wegen des teilweise extremen Birnenschlages in der Altenfelsstraße tritt also frühestens morgen in Kraft. In Frankreich ist das Wetter zum Glück besser.
Ich kann Ihnen versichern, dass ich sehr gut regeneriert habe, nicht zuletzt wegen der fachmännischen Bewirtung des offiziellen Tourwirtes, Hermann Obiditsch, in der Gebergasse. Zu Mittag habe ich noch mit Grenadiermarsch und grünen Salat meine Energiespeicher gefüllt, denn Sie wissen es ja. Heute ist ein Tag der Entscheidung bei der Tour durch Frankreich. Mannschaftszeitfahren. Und ich habe mich bei den Teams umgehört und überall war bei der Befehlsausgabe von den Teamchefs das gleiche zu hören:
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!T R E T E N !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Und zwar bis zum Speiben. Erst wenn dir schwarz vor Augen wird und du vom Rad fallen willst, um die eine oder andere Stunde im Sauerstoffzelt zu verbringen, dann fängt das Renen heute an. Alle müssen heute in den roten Bereich gehen, und die wenigsten tun das für sich selbst. Sie bringen dieses Opfer am Altar ihrer Mannschaft. Sie dienen demütigst ihrem Chef und können dabei eigentlich nur zu schwach oder zu langsam sein. Wenn keiner was zu dir sagt, dann ist es das höchste Lob. In diesem Sinne ist Mannschaftszeitfahren die perfekte Sado/Masoübung für den jungen Raddomestiken.
Topfavorit ist das CSC Team und natürlich die Amis von Discovery Channel. Um das Team Telekom sorge ich mich auch nicht, um den Ulle, den Jan Ullrich, allerdings schon eher. Weil da bin ich mir nicht wirklich sicher, ob der nach seinen Auffahrunfall topfit ist. Man wird sehen.
Das Ballett ist in vollem Gange. Es schaut natürlich schon unglaublich aus, wenn die 9 Männer mit ihren High-Tech-Geräten, eines kostet immerhin 23000.- Euro, und ihren futuristischen Helmen sich in der Führung abwechseln. Allerdings stößt mich persönlich die bizarr anmutende Uniformität und die beinahe militärisch ausgeführten Wechsel auch ab. Weil die Leichtigkeit und das Individuelle, was beides den Radsport eine gewisse Fröhlichkeit verleiht, natürlich total flöten gehen. Ich vermisse das bunte Feld und die Vielfalt, die dem Radeln ureigen ist. Es muss also irgendwo in Preußen entstanden sein, das Mannschaftsfahren. Weil es halt gar so zackig ist. Aber einmal im Jahr muss ich da durch.
Während die schlechter plazierten Teams bereits auf der Strecke sind, hocken der Armstrong und seine Wasserträger schon eine Stunde vor ihrem Start auf der Rolle und machen sich warm. Man muß sich das ungefähr so vorstellen, wie wenn sich ein Marathonlaüfer auf seinen Start vorbereitet, indem er so auf die lockere von Klagenfurt nach Villach sprintet. Aber unsere Jungs brauchen das.
Alle Teams haben mittlerweile das Rennen aufgenommen und den ersten Zeitmesspunkt bei 25 Kilometern passiert und die Reihenfolge lautet wie folgt:
1. TEAM CSC 00:25:36
2. LIBERTY SEGUROS 00:25:42 - 06"
3. DISCOVERY CHANNEL 00:25:51 - 15"
3. T-MOBILE TEAM 00:25:51 - 15"
5. CREDIT AGRICOLE 00:26:09 - 33"
Das Rennen ist unglaublich spannend. Schauen Sie nur wie knapp die Abstände der Teams zueinander sind. Die große Frage ist, ob Armstrong, so wie voriges Jahr, das Rennen langsam angehen lässt, um im letzten Drittel die Konkurrenz zu zertrümmern, oder ob heute tatsächlich Zeit auf den General gutgemacht werden kann.
Vielleicht gibt uns ja die zweite Zwischenzeit, nach 45 km mehr Aufschluss:
1. TEAM CSC 00:47:08
2. DISCOVERY CHANNEL 00:47:14 - 06"
3. T-MOBILE TEAM 00:47:15 - 07"
4. LIBERTY SEGUROS 00:47:28 - 20"
5. PHONAK 00:47:57 - 49"
Die Spitze hat sich noch enger zusammengeschoben. Die Entscheidung fällt auf den letzten 22 Kilometern. Der Schnitt beträgt unglaubliche 58,5 km/h.
Alle bis auf CSC sind im Ziel. Die nehmen gerade die letzten 2 Kilometer in Angriff. Da hängt sich der Gelbe Zabriskie am Vordermann ein, und kommt zu Sturz. Das gelbe Führungstrikot ist damit weg. Aber geht sich der Etappensieg vielleicht noch aus. Es wird hauchdünn. Der Sturz hat natürlich die Mannschaft leicht aus dem Konzept gebracht und am Ende fehlen 2 Sekunden auf DISCOVERY. Damit gewinnen die Amis die Etappe und Armstrong ist jetzt in Gelb. Die Jagd auf den Unschlagbaren ist eröffnet. Nur wer soll ihn packen? Und noch eins ist schade. Der Jens Voigt ist jetzt auf dem dritten Rang in der Gesamtwertung. Dadurch werden wir heuer in den Vogesen auf seine Attacken leider verzichten müssen. Denn ihn läßt der Texaner sicher nicht vom Feld wegkommen. Eigentlich Schade.
Hier das Endklassement:
1. DISCOVERY CHANNEL 01:10:39:000
2. TEAM CSC - 02"
3. T-MOBILE TEAM - 35"
4. LIBERTY SEGUROS - 53"
5. PHONAK - 01' 31"
Daraus ergibt sich folgende Gesamtwertung:
1 ARMSTRONG Lance DSC USA
2 HINCAPIE George DSC USA 00' 55"
3 VOIGT Jens CSC GER 01' 04"
4 JULICH Bobby CSC USA 01' 07"
5 RUBIERA José Luis DSC ESP 01' 14"
6 POPOVYCH Yaroslav DSC UKR 01' 16"
7 VINOKOUROV Alexandre TMO KAZ 01' 21"
8 NOVAL GONZALEZ Benjamin DSC ESP 01' 26"
9 ZABRISKIE David CSC USA 01' 26"
10 BASSO Ivan CSC ITA 01' 26"
Zum Schluß wieder der Blick auf meine Jungs:
Ivan Basso (Italien), Position 10; -1´26”
Santiago Botero (Kolumbien), Position 27; -2´18“
Alexander Vinokourov (Kasachstan), Position 7; -1´21“
Lance Armstrong (USA), Position 1;
Jan Ullrich (Deutschland), Position 14; -1´36“
Iban Mayo (ESP), Position 147; -5´48“
Alejandro Valverde (ESP), Position 55; 3´32“
Roberto Heras (ESP), Poition 37; 2´58“
Levi Leipheimer (USA), Position 28; 2´21“
Yaroslav Popovych (Ukraine), Position 6; 1´16“
Die Trikots sind wie folgt verteilt:
Gelb (Gesamtführender): ARMSTRONG Lance USA
Grün (bester Sprinter): BOONEN Tom BEL
Polka (Bergpreisbester): Dekker Erik NED
Weiß (bester Rookie): POPOVYCH Yaroslav UKR
Team: CSC
Soweit für heute. Keep on cycling.