2007-12-22
Die alte Dame
Ein Denkmal im Sturm der Zeit

Jetzt trägt es also ein paar Narben mehr. Wieder hat man hineingetreten, draufgedroschen und es bespuckt und besudelt. Und die Wunden am Hauptmast werden wohl nicht mehr verheilen. Das Glas wird sich wahrscheinlich auf wunderbare Weise in einem Selbstheilungsprozess wieder erneuern. Und doch bleiben Beschädigungen. Und doch wird mit jedem Zerschlagen einer der Glastafeln nachvollziehbarer, warum es eines solchen Denkmales in unserer Stadt überhaupt bedarf. Jede Zerstörung des Denkmals der Namen führt uns vor Augen, dass Machtfantasien, Intoleranz und Vorurteile nie aufgehört haben in unserer Nachbarschaft zu wohnen. Jede Zerstörung erklärt warum es so wichtig ist, dass die Namen der Opfer des Nationalsozialismus in Villach nicht vergessen werden dürfen. Obwohl es eigentlich heißen muss, dass die Namen der Opfer jener Menschen, die Nationalsozialisten in Villach waren und die unter dem Deckmantel einer Ideologie ihre persönlichen Machtbedürfnisse befriedigt haben und die persönlich für jeden einzelnen Tod, jedes einzelnen Opfers verantwortlich sind, nicht verschwinden dürfen aus unser aller Bewusstsein. Weil es waren ja Menschen in Villach die andere Villacher Menschen dem Tod zugeführt haben.
Lasst die Scherben der zerschlagenen Glasplatten liegen, wo sie jetzt liegen. Lasst die Schrammen am Korpus des Denkmals der Namen Zeugnis ablegen von der wahrhaften Existenz der nationalsozialistischen Ideologie in dieser Stadt. Erneuern wir die Tafeln mit den Namen der Toten, zu ihrem Gedenken. Und erweitern wir das Denkmal um die Namen der behinderten Menschen, die in derselben Zeit in unserer Stadt von selbstherrlichen, machtbesessenen Bürgern dieser Stadt ermordet wurden. Lassen wir das Denkmal der Namen in Würde seine bewegte Geschichte tragen.
Lassen wir die alte Dame in der Widmanngasse ihr Schicksal ruhig zur Schau stellen. Sie soll uns so wie sie ist, mit ihren Falten und Runzeln und auch mit ihren Verwundungen weiter begleiten. Und an manchen Tagen, wenn wir sie wieder hergerichtet haben, soll sie im Glanze wiedererstrahlen und wir werden der Menschen, an die sie uns erinnern will, gedenken. Und wenn sie unserer alten Dame wieder ins Gesicht hineinsteigen und sie geknickt am Boden liegt, dann werden wir ihr halt wieder aufhelfen. Und das werden wir tun, sooft es notwendig sein wird. Und das werden unsere Kinder tun sooft es notwendig sein wird.
So werden wir uns erinnern.