2004-09-17
Wie wird Globalisierung durchgesetzt? - Teil 2
Liberalisierung als Instrument
Im 1. Teil
Was ist überhaupt Globalisierung? (ausführlicher
... hier) ging es einmal darum, das Gerede von der „Globalisierung" begrifflich zu präzisieren. Globalisierung bedeutet die Herstellung eines weltweiten Konkurrenzverhältnisses. Aber wie kam es dazu? Darum geht es in diesem 2. Teil:
Der Kapitalismus funktioniert nach ganz eigenen Gesetzen. Kapital muss sich vermehren – und wenn es dies nicht tut, wird es wertlos. Wachstum ist des Kapitals einziger Sinn. Grundlage aber ist, dass der Treibstoff dieser Wachstumsmaschine, die Profitrate, entsprechend hoch bleibt. Und damit das Werkel so richtig läuft, müssen die entsprechenden Ventile geöffnet werden.
Ganz konkret war Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre die Situation gegeben, dass die riesigen Mengen an angehäuftem Kapital nicht mehr zu entsprechend hohen Profitraten angelegt werden konnten. Versuchte man in den 70ern diesem Problem noch mit massenhafter Vergabe von Krediten u.a. an die 3. Welt zu begegnen (woraus später die „Schuldenkrise" wurde), werden seit der „Wende" in den 80erJahren (Thatcher, Reagan und Co., Pinochet in Chile bereits seit dem 11. September 1973) Nägel mit Köpfen gemacht durch:
1) Intensivierung der Ausbeutung: Stagnation bei den direkt ausbezahlten Reallöhnen (wenn nicht gar Lohnkostensenkung durch Produktionsverlagerung), kapazitätsorientierte flexible Arbeitszeiten und durch Lohnnebenkostensenkung (seit den 90ern auch bei uns Kürzungen der Sozialleistungen).
2) Die Intensivierung der Ausbeutung hat aber zur Folge, dass die Kaufkraft im Verhältnis zum Produktionspotential zurückbleibt. Daher ist die Erschließung neuer Anlagesphären für das Kapital umso dringender geworden, als hinein in neue Märkte. In geographisch neue Bereiche in Ost und Süd und in neue Geschäftsfelder: Genetische Ressourcen, Wasser, Pensionen, Gesundheit, Bildung, Telekommunikation, ...
Soweit zum Rahmen. An dieser Stelle spätestens stellt sich die Frage nach der Rolle der Politik.
EXKURS: Grundsätzliches zur Rolle (auch des demokratischen) Staates im Kapitalismus
Eine Gefahr, die im Zusammenhang mit „Globalisierung" (oder richtiger: der neoliberalen Durchsetzung der globalisierten Wirtschaft) oft benannt wird, ist die der Zurückdrängung von Demokratie im Angesicht der Allmacht des Marktes. So richtig es ist, dass hier tatsächlich Einschränkungen in den Gestaltungsmöglichkeiten drohen, so sehr muss umgekehrt betont werden: Auch dem demokratisch geäußerten Willen waren bereits bisher Schranken gesetzt!
Bei diesen Schranken müssen mehrere Ebenen unterschieden werden:
- Prinzipiell gilt: In keinem Gesellschaftssystem war und wird es möglich sein, die materiellen Rahmenbedingungen zu überspringen. Nur kurzfristig kann eine Gesellschaft über ihren Verhältnissen leben (z.B. in Kriegen). Nur kurzfristig kann der Überschuss, also das, was nicht unmittelbar zur Aufrechterhaltung des Lebens dient, verprasst werden. Wird nicht ein Teil dieses Überschusses re-investiert (z.B. um alternde Maschinen durch neue zu ersetzen), so rächt sich dies früher oder später in Produktionsausfällen. Die Gesellschaft verarmt. Aus diesem Grund sind – abgesehen von den direkten Zerstörungen – oft erst in den folgenden Friedenszeiten die ganzen Kosten des vorangegangenen Krieges zu erkennen.
- Speziell in kapitalistischen Gesellschaften kommt aber noch eine weitere Schranke dazu: Nicht nur, dass ein Überschuss erwirtschaftet werden muss (sieh oben), vielmehr muss dieser Überschuss im Verhältnis zum investierten Kapital ein bestimmtes Verhältnis übersteigen (Profitrate). Tut er dies nicht oder besteht ganz einfach nur die Vermutung, dass es so kommen könnte, so ziehen UnternehmerInnen ihr Kapital aus der Produktion zurück. Folgen sind steigende Arbeitslosigkeit, Nachfragerückgänge, kurz: eine nach unten weisende Krisenspirale. Das heißt, dass Demokratien (und Diktaturen) innerhalb des Kapitalismus sehr enge Grenzen gesetzt sind.
Eine Politik, die nicht grundsätzlich darauf ausgerichtet ist, diese Spielregeln zu ändern, muss diesen Bedingungen Genüge tun.
In den letzten Jahrzehnten haben sich die politischen Systeme der oben beschriebenen Notwendigkeit zur Expansion des Kapitals auf verschiedenste Weise angepasst bzw. diese als „Sachzwang" auf den Weg gebracht. Die grundsätzliche Ähnlichkeit der Politik von Schwarz-Blau in Österreich und Rot-Grün in der BRD ist dem Wandel der Rolle des Staates geschuldet.
Wie sich die Staaten diesem Druck des Kapitals angepasst haben und das Kapital entbettet haben, damit es die entsprechenden Wachstumsbedingungen vorfindet, lässt sich am Komplex „Die Politik der Liberalisierung und die WTO" zeigen.
Zunächst einmal zu den Begriffen (was so wichtig ist, weil ja Begriffe uns dazu dienen, die Welt zu „begreifen"):
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Das juristische Grundprinzip der „Entbettung des Kapitalismus" ist die Liberalisierung. Was dieses Grundprinzip bedeutet, ist in obiger Grafik an ein paar Beispielen angeführt. „Liberalisierung" jedenfalls ist: Das Marktwirtschaftsprinzip wird in immer mehr Bereichen tendentiell unumkehrbar (weil über Verfassung stehend) zur einzig zulässigen Wirtschaftsform erhoben. Andere Formen der Leistungserbringung (gemeinnützig, staatlich, kommunal ...) werden zwar kaum offiziell verboten, aber als „Diskriminierung“, „Marktverzerrung“ ... de facto verunmöglicht. Oder diese anderen Wirtschaftsformen gleichen sich unter dem Druck der Vorschriften an, werden „vermarktwirtschaftlicht“. |
Wie ein Brainstorming zeigt, assoziiert man mit „liberal" Begriffe wie Wahlmöglichkeiten Freiheit, Toleranz ... „Liberalisierung" eines bestimmten Sektors aber bedeutet das Gegenteil von mehr Wahlfreiheiten (etwa zwischen verschiedenen Formen des Wirtschaftens von privat über gemeinnützig bis staatlich), es ist die juristische Festschreibung auf ein ganz bestimmtes Modell von Wirtschaften, nämlich das markt-, profit- und konkurrenzorientierte. Durch Liberalisierung werden andere Formen und andere Kriterien von Wirtschaften de facto verunmöglicht. Das bedeutet nicht unbedingt, dass Leistungen privat erbracht werden. Nach wie vor kann dies durch die öffentliche Hand erfolgen, aber solche öffentlichen Unternehmen sind dann vermarktwirtschaftlicht, sie agieren wie ein Privater.
Und: Liberalisierung bedeutet die Festlegung in einer Form, die über der jeweiligen Verfassung steht.
Ein krasses Beispiel: Als das Bundesumweltamt Berlin auf der Homepage den Öko-Tipp gab, aus Umweltschutzgründen Getränke aus der Region den Vorzug zu geben, musste dieser Hinweis auf Druck der EU wieder zurückgezogen werden. Begründung: Dieser Tipp stelle eine Diskriminierung von Getränkeherstellern dar, die in größerer Entfernung angesiedelt seien. „Diskriminierung", „Enteignung" (etwa wenn untersagt wird, ein als gefährlich eingestuftes Produkt in Umlauf zu bringen und dadurch den jeweiligen Unternehmen Gewinne entgehen, dann kann dies im Rahmen der NAFTA als indirekte Enteignung interpretiert werden), „Einschränkung der Freiheit" ... all dies sind die Schlüsselbegriffe von Liberalisierung. ...
Zentrale Instanz bei der Umsetzung des Liberalisierungsprogrammes ist die
Welthandelsorganisation WTO!
Weitere Aspekte des Themas Globalisierung
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