2004-09-20
Globalisierung und ihre materiellen Voraussetzungen – Teil 3
Die Bereitstellung der technischen Infrastruktur durch den Staat

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In den beiden ersten Teilen ging es darum, zunächst einmal zu fragen, was unter dem so viel verwendeten Begriff Globalisierung verstanden wird: Es ist die radikale „In-Konkurrenz-Setzung“ in weltweitem Maßstab.
Im zweiten Teil wurde die Rolle des Staates im Prozess der Globalisierung beleuchtet. In seinem Zwang, als „ideeller Gesamtkapitalist“ für optimale Verwertungsbedingungen des Kapitals zu sorgen, wurde der juristische Akt der „Liberalisierung“ beschrieben. Im dritten Teil wird nun ein weiteres Maßnahmenbündel staatlicher Politik behandelt.
Die Diskussion um Globalisierung bzw. um Neoliberalismus (quasi die ideologische Begründung für einen „entbetteten Kapitalismus“) blendet vielfach einen Aspekt aus, der aber ganz offensichtlich jedem / jeder vor uns geradezu vor der Nase herumtanzt: Nämlich die Tatsache, dass die Schaffung von weltweiten Märkten bzw. davor schon die Zerlegung der Produktion in sich über dem gesamten Globus erstreckenden Produktionsketten ja nicht von selbst geht, sondern einer handfesten Infrastruktur bedarf.
Da ist einerseits die Kommunikationsstruktur, die notwendig ist, um Zweigwerke zu koordinieren, Befehle weiterzugeben ...
Und dann gilt es, die Waren von einem Ort zum anderen zu bewegen. Und zwar nicht irgendwie, sondern möglichst rasch und billig. Der Transport ist so billig, dass es maximal zwei Cent kostet ein Viertel Butter aus Irland nach Österreich zu bringen. Solche Preise sind nur möglich, weil die entsprechenden Straßen / Autobahnen mit einem irren Aufwand gebaut wurden und weil Fahrer unter dem Kollektivvertrag entlohnt werden. Illegale Beschäftigung, schlecht gewartete Trucks, 24-Stunden-Fahrten sind in der Branche normal. Die Frachtpreise wären um die Hälfte höher, wenn nur die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten und die Straßenvorschriften eingehalten würden!
Die Straße ist regelrecht zu einem Teil der Produktion geworden. Die Firmen haben kaum noch eigene Lager. Sie produzieren „just in time“, dann wird das Produkt auf die Straße gestellt. Öffentlicher Raum wird zum Fließband und zur Industrielagerstätte umdefiniert. Wir wohnen praktisch an einem Fließband.
Die Folgen sind für die gesamte Gesellschaft verheerend, was aber die Staaten bzw. suprastaatliche Gebilde wie die EU mit ihren Transeuropäischen Netzen nicht daran hindert, mit dieser Verkehrspolitik fortzufahren.
Zwar sind die Widersprüche – einerseits die Warenkreisläufe immer mehr auszudehnen und so die Kapitalverwertung zu fördern, andererseits aber doch auch für die negativen Folgen (Umweltzerstörung, Entwertung von Landschaften, gesundheitliche Schäden ...) irgendwie verwalten zu müssen – auch der Politik nicht egal. Aber es ist keineswegs so, dass „Jahrzehntelang kurzsichtige nationale Egoismen eine gemeinsame Verkehrspolitik“ verhindert hätten, wie es jüngst in einer Aussendung hieß. Es ist eben kein Betriebsunfall, kein Versagen der Politik, dass die Entscheidung immer für ein mehr an Verkehr und damit für eine reibungslose Kapitalverwertung ausgeht – zumindest solange, bis sich Politik an einer Bürgerinitiative, die sich einen Dreck um „höhere Interessen“ schert und aus ganz egoistischen Gründen das gute Leben hier und jetzt fordert, die Zähne ausbeißt.
Symptomatisch dafür ist die Auseinandersetzung um die neue Hochleistungsbahn, die da von Wien nach Italien und Slowenien führen soll. Die Fragestellung lautet immer nur, welche Variante der Bahnstrecke zusätzlich zu den Autobahnen gebaut werden soll und wie maximal ein Teil des zukünftigen Verkehrsaufkommens auf die etwas verträglichere Schiene gebracht werden soll. Nie geht es darum, den Straßenverkehr wirklich auf die Schiene zu bringen oder insgesamt gar den Verkehr zu reduzieren. Als ich bei einer Versammlung der Grünen über verschiedene Varianten der Hochleistungsbahn zwischen Klagenfurt und Villach den Vorschlag machte, man solle doch eine der beiden Autobahnspuren als Bahntrasse verwenden, denn dies würde doch tatsächlich der (grünen) Forderung nach Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene gerecht werden, wurde das nicht einmal als Scherz ignoriert.
Und recht haben sie, die Grünen: Wer regierungsfähig sein will, muss letztlich die „politische Ökonomie des Verkehrs“ akzeptieren: Wachstum des Kapitals als quasi-Naturgesetz verlangt auch einen höheren materiellen Durchfluss.