2006-11-13
Kriterien für eine zukunftsfähige Entwicklung
Im Beitrag „Wie könnte eine nachhaltige Gesellschaft aussehen? Ein Vorschlag zu Herangehensweise und Rahmen", den ich in seiner ursprünglichen Version bereits vor etwa 8 Jahren verfasst habe, werden einige Kriterien einer zukünftigen Entwicklung aufgelistet. Darin ist ein Punkt enthalten, den ich heute stärker hervorheben würde als seinerzeit, der sozusagen ein Metakriterium darstellt:
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Hans Holzinger - Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg |
Die Fähigkeit, eine Wirtschaftsweise, die den Kriterien im Sinne der Nachhaltigkeitsdefinition von Hans Holzinger entspricht, überhaupt wählen zu können! Es geht um die Frage einer grundlegenden (radikalen!) Selbstbestimmbarkeit – in diesem Punkt gibt es ein gewisses Naheverhältnis zwischen den von vollkommen verschiedenen Diskussionssträngen kommenden Vorstellungen Holzingers und dem Marx'schen kategorischen Imperativ, wonach alle Verhältnisse umzustoßen seien, in denen der Mensch ein geknechtetes, erniedrigtes, verlassenes Wesen sei - siehe „Das erkenntnisleitende Interesse".
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Moais auf den Osterinseln. Diese mehrere Meter hohen Steinskulpturen stellen Ahnen, berühmte Häuptlinge etc. der ursprünglichen Bevölkerung dar. Ab 1300 n. Chr. ist auf den Inseln eine zunehmende Bodenerosion nachgewiesen. Sie steht im Zusammenhang mit dem Raubbau an den Wäldern zur Errichtung der Zeremonialplattformen und zum Transport und Aufrichten der Steinfiguren. Bodenerosion und Holzmangel führten in den folgenden Jahrhunderten zur Aufgabe zahlreicher Siedlungen. Wahrscheinlich haben auch kriegerische Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der zunehmend schwierigen Nahrungsmittelversorgung zum Kulturverfall geführt. Man schätzt, dass die Osterinseln zur Zeit der Kulturblüte im 16. und 17. Jahrhundert etwa 10.000 Einwohner/innen hatten. Als Folge der von Menschen ausgelösten ökologischen Katastrophe, der Nahrungsknappheit und kriegerischer Auseinandersetzungen reduzierte sich diese Zahl auf etwa 2.000 bis 3.000 vor Ankunft der Europäer. (Quelle: Wikipedia) |
Zentrale These der vorliegenden Ausführungen / der Lehrveranstaltung ist, dass wir zu dieser Selbstbestimmbarkeit genau NICHT in der Lage sind, sondern dass die Grundstrukturen unserer Gesellschaft „uns denken, uns handeln". Arbeit, Staat, Markt, Ware, Bedürfnisse, Konkurrenz und Dasein als Monade / Individuum, Wachstum, Entwicklung, ... können wir nicht als Ergebnisse eines bestimmten gesellschaftlichen Verhältnisses erkennen, sondern sie sind uns so zur zweiten Natur geworden, dass ein Leben außerhalb dieser Kategorien geradezu absurd erscheint.
Das Bild von den Moais der Osterinseln ist nicht aus Effekthascherei abgebildet, sondern weil es auf eine grundlegende Parallele zwischen dieser „Südsee-Kultur" und unserer Gesellschaft verweist: In beiden Fällen handelt es sich um fetischistische Gesellschaften. So wie die Moai für die in den fetischistischen Kategorien gefangenen Insulaner/innen die Garantie für eine gute Entwicklung waren – und das, obwohl buchstäblich der letzte Baum gefällt wurde! – genauso ist etwa für uns „Arbeit-haben" (und nicht etwa Arbeit-erledigt-haben) in DIESER Gesellschaft Voraussetzung für Wohlergehen. Charakteristisch ist dafür die ideologische Entwicklung der Grünbewegung: Einstmals als Wachstumskritiker/innen angetreten ist – bis auf kleine Restbestände – auch bei den Grünen Wirtschaftswachstum angesagt. Und das in einer Zeit, in der selbst für Laien der ökologische Kollaps zunehmend sichtbar wird.
An dieser Stelle ist zu betonen: Dies ist kein „Verrat", sondern die Übernahme der herrschenden wirtschaftlichen „Vernunft" bzw. der „Einsicht in die Nowendigkeit" DIESER Gesellschaft, die eben tatsächlich nur funktioniert, wenn ES (das Kapital / der Wert) wächst!
Um überhaupt „das Ganze sehen zu können, um über "Entschleunigung" nachdenken zu können, um darüber Nachdenken zu können, welche Art der Effizienz wir brauchen ...., um also die Kritierien der Nachhhaltigkeit fundiert denken zu können, ist ein Bruch mit der Systemlogik von Nöten.
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