2004-10-11
Sieger sehen anders aus – Konsequenzen der Globalisierung Teil 4
Wie sich unter dem Götzen Konkurrenz der potentielle stoffliche Reichtum für alle zum Elendsproduzenten wandelt
Unter dem "Hammer Konkurrenz" soll Sozialstaatlichkeit immer weniger leistbar sein! Da werden wohl wieder die Frauen einspringen müssen ...
Globalisierung ist die radikale „In-Konkurrenz-Setzung“ in weltweitem Maßstab. (siehe Teil 1). Damit ist er „vollendeter Kapitalismus“. Im 2. Teil wurde beschrieben, wie Ende der 60er Jahre eine Krise der Profitrate (und damit des Kapitalismus) die Staaten dazu bringt, ihrer Verantwortung als „ideelle Gesamtkapitalisten“ nachzukommen und durch Liberalisierung und Bereitstellung von Infrastruktur (Teil 3) für optimale Verwertungsbedingungen des Kapitals zu sorgen. Was sind die Folgen?
Die „entbettete“ Ökonomie unterwirft sich die Ökonomie alle lokalen Ressourcen. Die Fähigkeit der einzelnen Standorte, den Bedürfnissen des Kapitals gerecht zu werden, wird nunmehr entscheidend im globalen Wettkampf. Wegen dieses Bedeutungsgewinns des Lokalen spricht man auch oft von GLOKALISIERUNG als Doppelbewegung von Globalisierung und Lokalisierung. In diesem weltweiten Wettkampf der Standorte haben aber einzelne Orte unterschiedliche Startbedingungen, die vordergründig die alten Verhältnisse reproduzieren:
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Das Unterbieten der Konkurrenten durch niedrigere Umwelt- und Sozialstandards ist eine Strategie, die vor allem in ärmeren Ländern zum Zuge kommt. Standorte, die sonst nichts auf den Weltmarkt zu werfen haben als billige, willige Arbeitskraft und die scheinbar unbegrenzte Ressource Natur, gehen diesen Weg.
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Das Überbieten der Konkurrenten in der zur Verfügungstellung besserer / intelligenterer Voraussetzungen. Dies ist die Strategie, die eher komplexen Volkswirtschaften entspricht und ein hohes Maß an Reichtum voraussetzt: Infrastruktur, Bildung, Forschungskapazitäten, Nähe zu anderen vor- und nachgelagerten Betrieben, zu kaufkräftigen KonsumentInnen, ...
SIEGER SEHEN ANDERS AUS
Einer der großen Fallen besteht nun darin, wegen der Vorteile, die man als „entwickeltes“ Land im entbetteten Kapitalismus hat, voll im Standortwettkampf mitzumachen und damit „die Chancen der Globalisierung“ zu nutzen. Die noch der sozialpartnerschaftlichen Scheinidylle entsprungene Logik lautet: „Nur wenn unsere Betriebe auf den globalen Märkten expandieren, dann könne ja auch ein – zugegebenermaßen – `reformiertes´ Sozialsystem finanziert werden“. Auch wenn es scheinbar um „intelligentere“ Lösungen geht: Die Folgen dieser Strategie sind kaum weniger negativ als die so deutlich sichtbare primitive Dumping-Variante, mit der ein Entwicklungsland aufwarten kann:
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Unterwerfung aller gesellschaftlichen Bereiche unter die Erfordernisse des Weltmarktes, z.B. durch die stärkere Betonung von unmittelbarer ökonomischer Verwertbarkeit von Bildung (Stichworte: Prostitution der Universitäten bei der Wirtschaft, Ausbildung statt Bildung)
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Entdemokratisierung: Wenn ein bestimmter Raum als Territorium als Firma gesehen wird (z.B. „Unternehmen Kärnten“), dann ist es nur logisch, wenn PolitikerInnen zu StandortmanagerInnen mutieren. Und von Unternehmen weiß man ja: In ihnen gibt es keine Demokratie ...
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Zurückschrauben aller anderen staatlichen und kommunalen Leistungen unter dem Diktat der für den Standortwettkampf geleerten Kassen: Einerseits sollen vermehrt Ausgaben für wirtschaftsfördernde Aufgaben mobilisiert werden - was ja natürlich eine Menge Geld kostet, andererseits muss der Standort durch niedrige Steuern auf Kapitaleinkünfte, durch niedrige Lohnnebenkosten .... möglichst attraktiv gehalten werden.
„Bei uns kann sich kein Standort, auch nicht Villach, auf seinen Lorbeeren ausruhen.“ – Wie recht Monika Kircher-Kohl gemäß der von ihr als führende Infineon-Managerin wohl notwendigerweise vertretenen Konkurrenzlogik doch hat. Die Frage ist nur, wie gehen wir mit dieser von der schönen Maschine „Kapitalismus“ vorgegebenen Zumutung um.
Intelligent mitmachen und damit mit einem blauen Auge davon kommen? Darauf hoffen wohl die meisten der so genannten „einfachen Leute“ wie ihre VertreterInnen in Politik, Gewerkschaften und Arbeiterkammer. Aber damit weigern sie sich nur, die Logik der Konkurrenz zu Ende zu denken. Auf intelligente Standortfaktoren setzen alle Regionen in der entwickelten Welt und in den Schwellenländern – von Kalifornien über die Slowakei bis China. Und wer sich auf diese Konkurrenzlogik einlässt, der befindet sich auf einer immer steiler werdenden schiefen Ebene. Immer weniger kann der potentiell vorhandene stoffliche Reichtum abgeholt, umverteilt und damit nutzbar gemacht werden. Immer größer werden damit die Zwänge zu Einschnitten.
KONKRETE ENTWICKLUNGEN liefern dafür erschreckende Belege:
Waren bislang lediglich Lohnerhöhungen und Lohnnebenkosten im Visier der „Modernisierer“, so fordern mittlerweile „ExpertInnen“ und „Wirtschaft“ EINE Arbeitszeitverlängerung („Sozialexperte“ Bernd Marin reicht eine Lebensarbeitszeitverlängerung um 7 bis 8 Jahre, während kleinlichere Typen eine längere Wochenarbeitszeit fordern).
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Parallel gib es speziell in der BRD immer stärkere Bemühungen, die relativ vereinheitlichenden Kollektivverträge aufzubrechen zugunsten von nach unten hin flexiblen Lohnverhältnissen;
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Der Druck auf Langzeitarbeitslose wird über Hartz IV massiv erhöht, Zwangsarbeit nimmt überall in der „zivilisierten“ Welt zu (sonst gibt es halt keine Unterstützung mehr ...);
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Und: Man muss kein sonderlicher Pessimist sein, um den sich in wenigen Jahrzehnten abzeichnenden legalen Massenmord per „Euthanasie“ zu erkennen.
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beginnt bei der Wortwahl: Die Autoren der Kleinen Zeitung Ulrich Stocker / Stefan Winkler schreiben im Zusammenhang mit den Pensionskürzungen von „Sicherheitsventil(en) gegen eine weiter steigende Lebenserwartung“ 1) – als ob ein längeres Leben eine Bedrohung sei!; Andere Beispiele: „Tickende Altenbombe“ – Spiegel Spezial; „Die Altersexplosion“ (Buchtitel); „demographische Katastrophe“ (Deutsche Familienministerin) 2) ...
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geht über die in den verschiedensten Ländern parallel stattfindenden Versuche, die Lohnnebenkosten (also die Lohnanteile zur Finanzierung der Sozialversicherungen, die vom „Arbeitgeber“ unmittelbar an die öffentliche Hand angeliefert werden) zu senken. Und dies, obwohl bereits jetzt die Defizite von Krankenkassen praktisch ausschließlich aufgrund des Zurückbleibens der Einnahmen rasch wachsen (und nicht wegen einer Explosion der Ausgaben!!!).
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eher erst in Einzelfällen praktiziert wird: Die Selektion der Menschen nach behandlungswürdig (Arbeitskräfte) oder eben nicht. Ganz konkret wird einem bei seiner Frau mitversicherten 60-Jährigen Pensionisten nach einem leichten Herzinfarkt die Rehabilitation verweigert. Und die Vorstöße werden immer massiver: Lohnt sich bei einer 76-jährigen noch eine teure Hüftoperation, damit die Frau wieder schmerzfrei laufen kann? Oder sollte man das Geld nicht lieber für die Behandlung einer Jüngeren sparen?
DIE ALTERNATIVEN zu dieser Rutschbahn in die Barbarei?
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wehren: In Deutschland hat der Sozialverband Deutschland 2 angesehene Professoren verklagt, die sich für einen Verzicht auf teure Behandlungen bei über 75 Jahre alten PatientInnen aussprachen. Die Anklage lautet auf: „Verdachts der Anstiftung zum Mord aus niedrigen Beweggründen.“ 3)
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Den Kakao, durch den man gezogen wird, nicht auch noch ausschlürfen. Sprich: Nicht daran glauben, dass wir uns das nicht mehr leisten können – der stoffliche Reichtum ist in Übermaß vorhanden.
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Es gibt viele Alternativen, darüber nachdenken, diskutieren, .... Dazu gibt es weltweit viele Überlegungen. Auch bei Kärnöl hat die Diskussion begonnen. Die bisherigen Diskussion sind nachzulesen unter „Alternativen“.
Anmerkungen:
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vollständige Zitat lautet:
Ist das Ende des Reformierens abzusehen? Antwort: Nein. Als Sicherheitsventil gegen eine weiter steigende Lebenserwartung gegenüber einer "mittleren" Prognose sollen Beitragssatz, Steigerungsbetrag, Pensionsantrittsalter und -anpassung automatisch angeglichen werden. Ulrich Stocker / Stefan Winkler, 50plus - das neue Traumalter. In: Kleine Zeitung vom 8. September 2004, S. 3
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zitiert nach Konkret 10/2003, S. 32
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Konkret 7/2003, S. 3