2005-04-01
Darwins Nightmare
Radikale Gesellschaftskritik vom Feinsten
Das Filmstudio zeigt DARWINS NIGHTMARE im Stadtkino Villach am Dienstag 5. April und Mittwoch, 6. April, Beginnzeit jeweils 16.45 Uhr und 18.45 Uhr
In den letzten Monaten ist ein Dokumentarfilm geradezu hymnisch besprochen worden, dem man dies wohl beim ersten Blick auf das Thema nicht zugetraut hätte: Elend in Afrika. Bei Darwins Nightmare von Hubert Sauper ist das allerdings anders – und gleich vorab: Der Film hat das Lob voll verdient!
Um was geht es?
„Der mit sechs internationalen Preisen ausgezeichnete Dokumentarfilm von Hubert Sauper ist eine eindrucksvolle und komplexe Studie über die zerstörerischen Auswirkungen von Globalisierung und Kapitalismus: Seit auf Anordnung der britischen Kolonialverwaltung der Nilbarsch im Victoriasee in Tansania ausgesetzt wurde, ist das ökologische Gleichgewicht am Kippen. Und obwohl täglich Tonnen von teuren Nilbarsch-Filets exportiert werden, haben sich die Lebensbedingungen für die Bewohner/-innen radikal verschlechtert. Durch jahrelange, gefährliche Recherchen und Dreharbeiten gelang es Hubert Sauper, die gespenstischen Auswirkungen einseitigen Profits ebenso ungeschönt darzustellen wie die Weigerung der Exportdestination EU und der lokalen Regierung, diese Konsequenzen wahrzunehmen.
Am Beispiel russischer Großraumflugzeuge, die zwischen EU und Tansania mehr und weniger deklariertes Frachtgut transportieren, führt der Film die zynische Vielschichtigkeit im Spannungsverhältnis zwischen Nord und Süd, Ost und West vor Augen, wo Menschen in einem minimalen Handlungsrahmen versuchen, ihre Chance auf Überleben oder Besser-Leben zu wahren.“
Radikale Kritik
Das viele Lob macht stutzig, denn Sauper hat hier eine Gesellschaftskritik vorgetragen, die radikaler gar nicht sein kann. Da drängt sich die Frage auf, ob die, die den Film so positiv beurteilen, die darin enthaltene Radikalität überhaupt verstanden haben. Möglicherweise ist es dem Macher des Films gar nicht selbst in dieser Wucht klar: Hier wird nichts anderes grundsätzlich in Frage gestellt als UNSERE gesamte Geschichte der Moderne. Klar stellen sich Fragen wie:
- Was heißt denn hier „Entwicklung“?
- Welche Zumutung stellt ein System dar, in dem die Menschen ARBEIT-HABEN-MÜSSEN, um zum Essen zu kommen? Sie müssen nicht etwa konkret tätig sein, um der Natur etwas abzuringen, nein, sie müssen in den Status des Lohnsklavendaseins versetzt werden und irgendetwas tun (und wenn es für die Menschheit noch so schädlich ist), damit sie Geld haben, um was kaufen zu können und so zum Essen zu kommen.
Zwei Charaktere bringen den ganzen Wahnsinn, der nach belieben Entwicklung, Modernisierung ... genannt wird, in der Dokumentation zum Ausdruck:
Da ist ein tansanischer Nachtwächter, der vom Krieg träumt, denn da habe die Regierung ihm als Soldaten gut gezahlt.
Und dann ist ganz am Ende der Dokumentation der russische Pilot, der den Irrsinn seiner Arbeit so beschreibt: Er bringe mit dem Flugzeug zu Weihnachten Panzer nach Angola, und beim Rückflug nehme er aus dem benachbarten Südafrika für das Weihnachtsfest Weintrauben für die Kinder in Europa mit. Da fehlten ihm eigentlich die Worte, meint er zum Schluss beinahe unter Tränen.
That’s business!
Ich hatte die Möglichkeit, den Film gemeinsam mit einigen Klassen der Handelsakademie anzusehen. In der nachfolgenden Diskussion hat ein Schüler die wohl wichtigste Frage gestellt und damit ganze Lehrgebäude der Volkswirtschaftslehre mit einem Schlag zum Einsturz gebracht:
Wenn die Menschen um den Viktoriasee hungern und gleichzeitig Millionen Menschen in Europa mit den Fischfilets aus eben diesem See versorgen, warum Essen sie nicht zumindest einen Teil der Fische selbst?