2004-06-01
Gentechnik durchgeboxt - 1. Teil von 4
diesmal: Das Ende des halbherzigen Widerstandes der EU
Eine der großen internationalen Kampagnen der letzten Zeit richtet sich speziell gegen die Klage der USA vor der WTO, nähere Infos dazu unter www.GENug-WTO.de
In den letzten Wochen war - nach einer mehrjährigen Pause - wieder einiges von der Gentechnik in der Landwirtschaft und im Essen zu hören. Die EU hat neue Sorten für den Handel zugelassen, auch wenn dadurch der Anbau noch nicht automatisch erlaubt ist.
Ein Rückblick
➥ In der EU besteht seit 1998 ein Moratorium (“zeitlich begrenztes Aussetzen”) für den kommerziellen Anbau von genmani-pulierten Pflanzen und den Import von Lebensmitteln, die aus genmanipulierten Pflanzen hergestellt sind. Begründet wird das Anbau- und Importverbot mit der ungeklärten Rechtslage, den unabsehbaren ökologischen Folgen und der konstant hohen Ablehnung (~70%) der so genannten „grünen“ Gentechnik bei VerbraucherInnen und LandwirtInnen.
➥ Vor einem Jahr - Mitte Mai 2003 reichten die USA, bei der WTO eine lange angekündigte Klage gegen die EU ein. In der neoliberalen Ideologie der WTO stellt dieses Anbau- und Importverbot ein Handelshemmnis dar. Wegen ihrer starken Exportorientierung im landwirtschaftlichen Bereich ist den USA das Verbot der Gentechnik in der EU seit langem ein Dorn im Auge. Ca. 2 Drittel der weltweiten Anbauflächen für genmanipulierte Pflanzen befinden sich in den USA.
➥ Juni 2003: Die EU-Kommission nützt die Gelegenheit und erlässt eine Richtlinie zur Kennzeichnung genmanipulierter Nahrungs- und Futtermittel (die daraus entstehenden Fleisch- und Milchprodukte sind allerdings davon ausgenommen!!!) und eine Leitlinie zur Koexistenz herkömm-licher und genmanipulierter Pflanzen. Sie schafft damit die Voraussetzung für das Ende des Gen-Moratoriums - was all diejenigen übersehen, die damals die kommende Kennzeichnungspflicht bejubelten oder ihr als EU-ParlamentarierInnen zustimmten!
Ungelöst sind die Probleme der Koexistenz von Landwirtschaft, die Gentechnik einsetzt und Landwirtschaft, die weiterhin auf sie verzichten will. Ebenfalls ungeklärt: Die Frage der Haftung bei einer Verunreinigung gentechnikfreier Anbauflächen - die Berücksichtigung des Verursacherprinzips ist nicht vorgesehen. So können sich benachbarte Bauern untereinander klagen, die Konzerne sind aus dem Schneider. Die wirtschaftlichen und ökologischen Risiken des Anbaus transgener Pflanzen werden auf diejenigen abgewälzt, die gentechnikfrei oder biologisch wirtschaften wollen.
➥ April und Mai 2004: In der EU wird erstmals in größerem Stil genmanipuliertes Saatgut ausgesät. Die EU-Kommission beschließt die Neuzulassung einer weiteren gentechnisch veränderten Maissorte für den Handel (wenn auch rein formell noch nicht für den Anbau). Damit ist das Moratorium für die Zulassung weiterer gentechnisch veränderter Sorten gefallen.
Die Interessen
Die Agrar-Industrie ist einer der am intensivsten konzentrierten und globalisierten Wirtschaftssektoren. Die durch vielfache Fusionen entstandenen multinationalen Konzerne (z.B. Monsanto, Syngenta, Bayer) teilen sich den globalen Pestizid- und Saatgutmarkt als Quasi-Kartell. Aufgrund enormer Investitionskosten im Bereich der Agrar-Gentechnik ist der Druck auf satte Rendite und zur „Eroberung“ neuer Märkte hoch. Die gewaltigen Überschüsse an Gen-Soja und -Mais werden von den USA unter dem Deckmantel der „Hungerhilfe“ in Entwicklungsländer „verklappt“, z.T. sogar gegen deren Willen!
Auch wenn zur Zeit in der Frage der Gentechnik die USA tatsächlich in negativer Hinsicht führend sind, so soll man nicht die Rolle UNSERER Staaten und ihres Instrumentes EU übersehen: Auch europäische Konzerne (und mit ihnen die Staaten) erwarten sich ein Riesengeschäft. Und: Die Freiheit der Investoren ge-hört zur Grundphilosophie der EU.
Beide Faktoren erklären, warum der Widerstand der EU so kläglich ausfiel - war er doch eher der Rücksichtnahme auf die (als irrational ange-sehenen) Ängste der Bevölkerung geschuldet als der wirklichen Ein-sicht der Akteure!
Nächster Teil: Mittel- und langfristige Gefahren
Übernächster Teil: Wie “grüne” Gentechnik durchgesetzt wird