2004-03-26
Delegitimieren statt mitmachen!
Über das unbekannte Wesen Österreichkonvent
Nun läuft er also, der Prozess um eine neue österreichische Verfassung. Ein Konvent ist einberufen! Und da stellt sich die Frage: Was ist da los? Steht auf einmal ein neuer Demokratisierungsschub vor der Tür? Konvent? Aufmarsch der Stände? Barrikaden? Räte? Gärt ’s im Volke und die Regierung will, um der drohenden Revolution doch noch den Wind aus den Segeln zu nehmen, mit Eingeständnissen entgegen kommen?
Nichts von dem ist natürlich wahr. Was hier läuft – so die These des vorliegenden Beitrages – ist mit äußerster Vorsicht zu genießen:
1: Seit Jahrzehnten wird das Feld, auf dem (bürgerliche) Demokratie möglich ist, schrittweise eingeschränkt. Die Möglichkeit zu kreativer Budgetpolitik wird über Maastrichtkriterien, Stabilitätspakt etc. ein enger Rahmen gesetzt, Regulierungen der Warenströme sind in der EU verboten, im weltweiten Maßstab durch die WTO kaum möglich. Im EU-Maßstab gilt das selbe für Investitionen und Dienstleistungen, alles ist dem Diktat der 4 „Freiheiten“ unterworfen. Schlüsselbegriff ist die Liberalisierung: Wo diese herrscht, sind andere als profit- und konkurrenzorientierte Formen der Leistungserbringung de facto VERBOTEN. In wieweit öffentliche Daseinsvorsorge (Wasserversorgung, Bildung, Gesundheit ..) auch unter diesen Begriff fallen soll, ist noch ein umkämpftes Feld.
2: Es wäre ziemlich ignorant, den Österreichkonvent nicht im Zusammenhang mit der drohenden EU-Verfassung zu sehen. Letztere hat ja – neben der Militarisierung - einen klaren Kern: Die Festschreibung einer ganz bestimmten Form kapitalistischen Wirtschaftens, nämlich die neoliberale, im Verfassungsrang. So heißt es im Verfassungsentwurf der EU, dass die Staaten eine Politik betrieben sollen, die „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“ (Art. III-69). Da ist nichts die Rede von „sozialer Marktwirtschaft“ oder gar, dass die Form des Wirtschaftens offen gelassen wird und nur das Prozedere, wie über diese Form entschieden wird, festgeschrieben ist. Denn das wäre ja eigentlich die Aufgabe einer „Verfassung“ und nicht schon die Festschreibung der Inhalte von Politik.
3: Vor diesem Hintergrund ist klar, worum es geht: Die Verfassung des Österreichischen Staates soll an die neuen neoliberalen Verhältnisse angepasst werden. Der Staat soll modernisiert werden, schlanker, effizienter ... werden.
4: Nun könnte man meinen, dass diese Grundeinschätzung des Österreich-Konvents überzogen ist. Und tatsächlich: Natürlich stehen diese Zusammenhänge nicht auf der Homepage www.konvent.gv.at. Vielmehr wird der neoliberale Rahmen stillschweigend vorausgesetzt – und das ist ja die beste Methode, um etwas durchzusetzen.
Indirekt aber kommt die neoliberale Tagesordnung doch zum Ausdruck, nämlich in der häufigen Verwendung des Wortes „kostengünstig". Bereits im 2. Absatz auf der Startseite von www.konvent.gv.at ist der Begriff drinnen, dann in den „Grundsätzen“ des Gründungskomitees. Ebenso symptomatisch: Der Rechnungshof-Chef Fiedler führt den Vorsitz, nicht etwa einE Verfassungsexperte / -expertin!
Wie soll man nun mit dem Österreich-Konvent umgehen? Vorschläge einbringen? Wünsche platzieren? Retten, was noch zu retten ist? Auch die Chancen sehen?
Eine solche Vorgangsweise des „skeptischen“ Mitmachens wäre meiner Meinung nach genau der falsche Weg, denn da ist man von Haus aus auf der Verliererseite. Denn bekannt ist ja: Wer die Macht hat, die Tagesordnung festzulegen und die Fragestellungen zu bestimmen, der hat auch schon die Antworten in der Tasche.
Die Gefahr ist vielmehr, dass man dem Österreich-Konvent bei der Bewältigung seines Hauptproblems hilft, nämlich der mangelnden Legitimität.
Anstatt nun durch Mitmachen dem Prozess eine Scheinlegitimität zu verleihen sollten die Chance genutzt werden, in klarer Opposition die ausgeblendeten Fragen zu thematisieren:
Wie kann man eine verrückt geworden, alle gesellschaftlichen Bereiche vor sich hertreibende Konkurrenzwirtschaft wieder in den Griff bekommen? Was kann man tun, um die "Entbettung" der Ökonomie gegenüber dem "Rest" der Gesellschaft rückgängig zu machen? Wie kann eine nachhaltige Zukunft aussehen? Welche Funktion kann überhaupt eine Privatwirtschaft noch haben? Müsste nicht z.B. im Verkehrs- und Energiesektor eine ganz andere Herangehensweise gewählt werden? Was könnten Genossenschaften, der Staat, die Gemeinden ... übernehmen?
Eine historische Erfahrung allerdings sollte man sich allerdings vor Augen halten: Wann immer eine – wenn auch immer im Rahmen der herrschenden Bedingungen –halbwegs akzeptable Verbesserung bei Verfassungsprozessen herausgeschaut hat, dann war es im Umfeld „revolutionärer Unruhen“.
Walther Schütz
Der Autor ist Sprecher von ATTAC-Kärnten und arbeitet beim Bündnis für Eine Welt/ÖIE in Villach