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2005-06-21 Was steckt hinter der Globalisierung? - Teil 5 Über systemimmanente Ursachen, Verschwörungstheorien und anderes mehr Vorbemerkung In bislang 4 verschiedenen Teilen wurden auf www.kaernoel.at Aspekte der Globalisierung behandelt:
Ein Aspekt wurde bislang in der Behandlung des Phänomens "Globalisierung" ausgespart: Die Frage nach den tieferen Ursachen. Wie kommt es, dass sich die Ökonomie derart entbettet hat und dass sie nunmehr alles und jedes unter der Konkurrenzfuchtel subsumiert, dass sich alles mit jedem vergleichen lassen muss und dass von daher die Konkurrenz zur alles erschlagenden Peitsche wird? Warum machen Regierungen unterschiedlichster Coleur mit? Gerade in letzter Zeit gibt es dazu ja eine neue – angebliche – Kapitalismusdiskussion. Der SPD-Vorsitzende Müntefering hat diese ausgelöst, seine Metapher von den Heuschrecken machte ja Schlagzeilen. Stephan Jank hat in seinem Beitrag &ampampnbsp; Falsche Nostalgie Ich möchte nun an dieser Stelle einhaken: Müntefering, viele ATTACies und wohl auch die meisten Gewerkschafter/innen ... haben von der "vor-globalisierten" Zeit, ein Bild, das sich wie folgt darstellt: "Wegen verschiedener politischer Faktoren war es möglich, die hohen Produktivitätszuwächse in entsprechende Lohnerhöhungen zu übersetzen, und aus diesen damit gesicherten Nachfragezuwächsen entstanden Jahrzehnte hohen Wirtschaftswachstums. Alle waren glücklich und zufrieden ..."
Dieses Bild vom fordistischen Wirtschaftswunder hat eine gewisse Berechtigung, es blendet aber Vieles aus:
Verschwörungstheorien und ähnliches mehr Wenn nun diese Entwicklung aus einer innerkapitalistischen Sicht heraus so toll war, dann stellt sich eine entscheidende Frage: Warum wurde seit den 70er Jahren diese Entwicklung unterbrochen? Warum wurde der Wachstumspakt von Wirtschaft und Lohnarbeit aufgekündigt? Ein erstes Bündel von Ansätzen für dieses Ende sucht im Wesentlichen unter von außen kommenden Kräften nach einer Erklärung:
Gemeinsam ist all diesen Erklärungen: Irgendwer von außen hat die Fäden gezogen und das an sich gut funktionierende System gekippt. Indes legt eine genauere Betrachtung des Systems nahe, dass obige „Theorien“ Ursache und Wirkung verwechseln. Einzelne Phänomene werden zwar aufgegriffen (etwa Veränderungen im politischen und wirtschaftstheoretischen Verständnis, im Ausmaß der Finanzmärkte etc.), aber die dahinter stehenden systemimmanenten Mechanismen nicht durchschaut. Der Fluch des Profits Genau bei diesen systemimmanenten Mechanismen setzt Typ 2 der Krisenerklärungen an: Die innere Funktionsweise des Kapitalismus führt zum Ende des Fordismus. Zur Erklärung des Wechsels hin zu postfordistischen Zuständen muss man sich den zentralen Angelpunkt vor Augen halten, der ein System der „Warenproduktion“ [2] kennzeichnet: Gegenüber vorkapitalistischen Formen des Wirtschaftens ist die „schöne Maschine“ (= der Kapitalismus) gekennzeichnet durch eine Motivverschiebung von der Bedürfnisbefriedigung hin zur Profitrate „Geld – Waren – noch mehr Geld“ (kurz: G-W-G’). Das ist in seiner Abstraktheit der einzige Zweck des Kapitals. Irgendwas für das Leben Sinnvolles zu produzieren ist nur ein Mittel zum Zweck! Nachfolgende Abbildung zeigt stark vereinfacht [3] den Prozess.
Auf der linken Hälfte sieht man das Bruttoinlandsprodukt und wie es wächst. In unserem Beispiel mit 20% von Zeiteinheit zu Zeiteinheit. Die rechte Hälfte zeigt, was mit dem Profit passiert, der auf der linken Seite der Grafik „erwirtschaftet“ wird: Er wird ja im Gegensatz zu den Löhnen nicht wegkonsumiert, sondern akkumuliert. Die Folgen sind:
Von daher drängt das fordistische Modell mit seinen produktivitätsorientierten Lohnerhöhungen aus sich heraus zur Eigenauflösung: A) Die fallende Profitrate muss durch Senkung der Lohnquote wieder erhöht werden, dies geht aber nur, indem die Verteilung zwischen Lohnarbeit und Kapital zugunsten des Kapitals verschoben wird. Diese Zerstörung des innerkapitalistischen fordistischen Klassenkompromisses verstärkt aber wiederum das nächste Problem: B) Der rasch angewachsene Kapitalstock muss gewinnbringend angelegt werden und ist auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten, z.B. nach Innen durch Privatisierungen der Daseinsvorsorge, nach Außen durch Liberalisierung des Welthandels, durch Einfließen in Finanzmärkte als „Zwischenlager“... Dieses Paradox, nämlich dass trotz – eigentlich wegen – enormer Kapitalzuwächse das System in die Krise gerät, ist ein mit dieser Art des Wirtschaftens untrennbar verbundener Widerspruch. Aus diesem heraus lassen sich sehr viele der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte erklären:
Nicht "besser-machen-wollen", sondern "Sand ins Getriebe!" Während „Politik“ auf den Staat bzw. die darin agierenden Parteien setzt, folgt meines Erachtens aus den oben genannten Gesetzmäßigkeiten die Notwendigkeit zur ENT-Täuschung. Staatliches Handeln als das möglichst geschickte Verwalten der Sachzwänge des Kapitalismus führt eben genau zu dem, was ohnehin läuft. Natürlich gibt es Nuancen ideologischer Art, im harten Kern der Sozial- und Wirtschaftspolitik ähneln sich aber schwarz-orange Politik und rot-grüne Politik in Deutschland erschreckend (bis hin zur PDS, wo diese mitregiert). Diese Parteien sind eben „regierungsfähig“, sie sind „vernünftig“ geworden im Sinne der herrschenden Vernunft. Demgegenüber ist auf „Anti-Politik“ zu setzen. Zunächst einmal ganz praktisch: Widerstand. Sich wehren, Nein sagen zur Kürzung von dem, was einem für ein gutes Leben zusteht – und wenn es 10 mal die Logik des Kapitals erfordern würde. Bewusst der herrschenden Vernunft widerstehen – in diesem Sinne „unvernünftig“ sein! Insofern hat auch eine bloße Umverteilungsdebatte, die ja an sich etwas zutiefst reformistisches ist, einen das System überwindenden Zug. Nur müssen die Akteure sich dessen bewusst sein! Neben einer radikal fundierten Umverteilungsdebatte geht es aber vor allem auch darum, Bereiche außerhalb der Kapitalverwertungslogik zu bewahren (Stichwort Patente auf Saatgut, Wasserversorgung), sie womöglich auszubauen (Kampf für freie Software – Linux, Kost-nix-Läden ...) und natürlich auch DER Wirtschaft andere Gesetze aufzuzwingen (Wirtschaftsdemokratie ....), aber da hör ich einmal auf. Anmerkungen [1] dazu ein fundamentales Werk: Robert Kurz, Schwarzbuch des Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft (Frankfurt am Main, 2003, 3. Auflage) [2] Genau genommen ist der Kapitalismus ein System der „ erweiterten Warenproduktion“. Dieses unterscheidet sich von einer einfachen Warenproduktion mit ihrem zentralen Kreislauf W-G-W (im Mittelalter, noch heute meist auf Flohmärkten, auf den meisten Bauernmärkten, in Tauschkreisen – zu deren Problematik) eben dadurch, dass sich im Laufe der Jahrhunderte Kapital und Lohnarbeit entscheidend wurden und damit die Gesetzmäßigkeit des „Wertes“ sich hinter dem Rücken aller Beteiligten zur entscheidenden Größe entwickeln musste! Während es in der einfachen Warenproduktion noch so etwas wie ein „Genug“ gibt (weil eben der Gebrauchswert der Waren noch im Vordergrund steht), ist letztlich der Sinn des Wirtschaftens in der erweiterten Warenproduktion (dem entfalteten ständig akkumulierenden Kapitalismus) nur mehr das Wachstum des Kapitals selbst, veranschaulicht durch die Formel G-W-G’. Wer das für eine linke Übertreibung hält, möge nur die ganzen liberalen Theorien unvoreingenommen lesen – der Profit ist die zentrale Regelungsinstanz. Wer Gewinn macht, liegt richtig, wer keinen macht, geht unter! [3] Zur besseren Veranschaulichung wurden die zu zeigenden Merkmale stark übertrieben bzw. vereinfacht. Die Wachstumsraten etwa sind mit 20 % in dieser Höhe kaum denkbar – eher handelte es sich so gesehen um 4-Jahreszyklen. Weiters ist die Lohnquote mit nur 50 % zu niedrig, aktuell bewegt sie sich in einer Höhe von 60-70%. Und ganz wichtig: Aus einzelwirtschaftlicher Sicht geht ein großer Teil des „Nichtlohnes“ in Ersatzinvestitionen etc. (Maschinen werden ja kaputt ...). Gesamtwirtschaftlich allerdings – und das ist ja der Clou – können auch Ersatzinvestitionen (notwendige Kosten der Produktion) zu den Lohnkosten zugerechnet werden, denn letztlich setzen sich ja alle „Vorprodukte“ aus menschlicher Arbeit (=Löhnen) zusammen. Das läßt sich übrigens wie folgt nachvollziehen:
rVk, 2005-06-21, Nr. 1965 Brilliant, Walther!
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