2005-01-03
Get away from me, I don't want You no more
Hut ab vor dem, der seinen Hut nimmt
H. kam zu K. zu spät oder gar nicht. Bzw. umgekehrt war's eigentlich. So genau entsinne ich mich nicht mehr. Ist ja auch nicht so wichtig. Es war schon spät im Herbst, eigentlich schon Winter, allerdings schneelos, doch saukalt.
Die Temperaturen waren schon so stark gesunken, dass es mir jedesmal einen gewissen Schock versetzte, den ich dann in diversen Gasthäusern mit heissen, alkoholhältigen Getränken, herunterzuspielen versuchte.
K. sass schon da, als ich die Kneipe betrat. Ich bestellte mein vierstöckiges Menue. Für alle die es nicht, bzw. noch nicht wissen: ein vierstöckiger Ramazotti räumt jedem den Magen aus. Kritiker werden jetzt sagen, dass das aber weder warm noch heiß war. Gut, akzeptiert. Gebrannt hat es irgendwie doch. In stundenlangen Sitzungen, manchmal waren beide zugegen, meist jedoch nur einer, erzählten sie mir ihre Geschichte. Doch zurück zum Anfang.
Wien, Spätherbst, AD 1970
Als sie sich das erste Mal sahen, Jahre vorher in der Hauptstadt, da kam er auch zu spät. Da war er ursprünglich gar nicht vorhanden. Er hatte sie nie gesehen, wußte nicht einmal, wie sie ausschaute. Allein die Beschreibungen seiner Artgenossen machten ihn neugierig.
Wer ist das, diese "female", die angeblich so auf mich steht, obwohl ich sie nie getroffen habe.
H. war zusammen mit Ch., der zu dieser Zeit angeblich noch mit K. liiert war, aus Deutschland über Villach nach Wien angereist. Südbahnhof, über die Straße, ein paar Schritte nach links, vorbei an zwei, drei Kneipen. Währinger Gürtel. Hausnummer sowieso, 2. Stock. Die Wohnung des Herrn W. K. Ein Jugendfreund, nein, eine Jugenbekanntschaft. Der Bruder von Z. K. mit dem H. zusammen Musik gemacht hatte. Sie hatten es zumindest versucht. In den Augen von H. war W. K. ein begnadeter Schriftsteller.
Erinnerungen wurden wach. H. war vielleicht 14 Jahre alt, der Winter streng. Ohne Übertreibung konnte man von einem Schneechaos sprechen. Einen Meter oder noch mehr hatte es "dahergefetzt" und trotzdem wollte er ins Kino. Da hatte er dank eines Großonkels, dem das Kino ehörte und der ihm freien Eintritt gewährte - Sitzplatz war einer der zwei reservierten Polizeisitze - immer Zugang. Sogar "Jugendverbotfilme" waren ihm zugänglich. An diesem Abend kam er nicht ins Kino. Nur etwas über einen Kilometer betrug die Wegstrecke. Bei der Hälfte blieb er hängen. Ein Auto, damals gab es noch nicht so viele, und die Straßen waren eng, war in einen vom Schneepflug erzeugten Hügel gerollt, und hängengeblieben. Er versuchte dem Lenker zu helfen und das Auto aus dem Schnee zu befreien. Es gelang nicht. Du weißt: durchdrehende Räder, zuviel Gas, zuwenig Kupplung usw.
Im heftigen Schneetreiben näherte sich eine Gestalt, fast schon selbst zugeschneit, im knöchellangen Mantel. "Den hebn ma do ausse! Kumm Bua pock zua". Das war meine erste Begegnung mit W. K. Wir haben es geschafft und wurden eingeladen, eingeladen in den "Seehof", der im folgenden Frühjahr abbrannte.
Zurück zur Hauptstadt.
Ein wenig nasse Hände, schwitzen darf man, oder, klingeln, nur kurz warten.
Die Türe öffnet sich. "Servus, kumm eina". K. hatte die Türe geöffnet und H. war irgendwie irritiert. Er wußte, dass sie da war, hatte aber nicht erwartet, dass gerade sie ihnen Einlass gewährt. Ein kurzer Begrüssungskuss für Ch., ihre Augen waren aber bei H.
Es wurde ein gemütlicher Abend. W. K. zeigte ihnen die neusten Werke seiner Zwillinge und wollte eigentlich nicht viel mehr, als sich besaufen und über die Vergangenheit im Süden Österreichs, seiner Heimat, die er sich sicher nicht selbst ausgesucht hatte, wer macht das schon, sprechen. Die riesige Wohnung hin, die Heimat her, H. und alle anderen wurden müde. Mit der letzten Straßenbahn ging es hinauf, hinauf auf den Laaerberg.
Fortsetzung folgt.