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2011-08-09

Über Populismus, Vernunft und andere Ideologien

Thesen zur Frage „Was denken wir warum?“

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Im Folgenden eine (erweiterte) Niederschrift meines Vortrages, gehalten an der Uni Klagenfurt am r 12. Mai 2011 (ähnlich auch der Input am 4.1.2011 r Und wir bewegen uns doch – aber wohin? bei der kärnöl-Akademie).

  1. Vorbemerkungen
  2. Ein Schlüsselerlebnis
  3. Bezug auf's Formprinzip
  4. Ein erkenntnistheoretischer Bruch
  5. Der Kern ...
  6. ... und das System
  7. These: Die doppelte Verfangenheit
  8. Die Folgen
  9. Risse / Widersprüche / Brüche

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1. Vorbemerkungen

Zunächst einmal eine Einschränkung: Ich kann selbstverständlich hier nicht beschreiben, was der / die Einzelne jeweils denkt. Das hängt ja ab von Stimmungen, der jeweiligen Situation, dem Verhältnis zu Religion, konkreter Familiengeschichte und hunderten anderen Faktoren, die sich dann auch noch wechselseitig beeinflussen. Was ich hier aber versuche, ist, eine vom System ausgehende Gesetzmäßigkeit herauszuarbeiten, die uns alle in unserem Denken grundlegend beeinflusst. Und wie bei allen Gesetzmäßigkeiten – ob bei den naturgesetzlichen (unveränderbaren) oder den gesellschaftlich-menschlichen (und damit im Grunde veränderbaren) – werden diese dann in ihrer Wirkung durch verschiedenste andere Faktoren modifiziert, sodass ein oberflächlicher Blick diese nicht erkennen kann. Trotzdem aber sind sie da!

Und dann zum Titel: Es ist wohl im allgemeinen absurd, wie im Titel angesprochen, die Vernunft mit irgendwelchen anderen Ideologien gleichzusetzen. Noch dazu, wo ich den Begriff der Ideologie im Sinne von „falschem Bewusstsein“ verwende. Demgegenüber nimmt ja der Kapitalismus bzw. die „Aufklärung“ für sich in Anspruch, die alten Götter verjagt zu haben und im Grunde auf einem „rationalen“ Verhältnis zu beruhen.

Eine – regelmäßigen Besucher/innen der Kärnöl-Seite bekannte – Gegenüberstellung soll zum Problem hinführen:

Während die linke Seite der Abbildung zeigt, dass das „stoffliche Potenzial“ ein gutes Leben ermöglichen könnte, zeigt die rechte Seite ein Denken, das für sich in Anspruch nimmt, im Sinne der Aufklärung „Einsicht in die Notwendigkeit“ (Hubert Patterer, Kleine Zeitung) zu üben und damit aber den Menschen „den Gürtel enger zu schnallen“.

Ein sonderbarer Widerspruch. Nun kann man dies abtun als den schlechten Willen irgendwelcher Finsterlinge, die von den „herrschenden Mächten gekauft“ wären. Vor solch einer Art „Verschwörungstheorie“ sei aber ausdrücklich gewarnt, denn damit macht man es sich zu einfach. Dies verdeutlichen Begegnungen mit den „progressiveren“ Teilen der Zivilgesellschaft:

Die Vorschläge und Konzepte, mit denen die „fortschrittlichen Bewegungen“ reagieren, stellen keinen Bruch mit der repressiven Vernunft des Kapitalismus dar, sondern sind nur dessen Spielarten.

Drei Beispiele aus der jüngsten Zeit mögen dies verdeutlichen, zwei davon werde ich kurz streifen, ein drittes dann als „Schlüsselerlebnis“ ausführlicher darstellen:

Beispiel Ökobereich - Windkraft: Von großen Teilen der Windkraftbefürworter/innen wird die Diskussion ohne die Frage des Bedarfs (Wozu braucht man immer mehr Energie? - Beispiel Windkraftgewinnung für Schneekanonen. Wo könnte man einsparen?). Und sie wird ohne die Frage nach der gesellschaftlichen Form des Energiegewinnens geführt. Wenn es, wie unhinterfragt meist angedacht wird, private Investoren sind, die die Windräder aufstellen, so dürfte aber eigentlich nicht außer Acht gelassen werden, dass diese aus der ökonomischen Logik nur investieren dürfen, wenn sich das eingesetzte Kapital mehrt. Damit aber werden Prinzipien perpetuiert, die uns ja an den Rand des ökologischen Zusammenbruchs geführt haben.

Beispiel Lifestyle: Etliche Initiativen konzentrieren sich auf das Konzept „LOHA - Lifestyle of Health and Sustainability“. So sehr man dies individuell gesehen auch begrüßen kann und so sehr der Autor dieser Zeilen ja auch selbst „nachhaltig“ zu leben versucht: Als strategisches Konzept setzt die LOHA-Strategie auf ein hohes Einkommen einer globalen Konsument/innenkaste, die ja selbst Teil des Problems ist. Denn gemäß diesem Konzept wähle ich als „kritischer Konsument“ Kraft meines Einkommens einen bestimmten Lebensstil. Dies ist eine Wahlmöglichkeit, die z.B. eine durchschnittlichen Bewohnerin von Mali nicht hat, auch wenn ihr ökologischer Fußabdruck geradezu winzig ist. Global gesehen perpetuiert das Hocheinkommens-LOHA-Konzept einen irrwitzigen Zynismus.

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2. Das Schlüsselerlebnis: Integration durch Erwerbsarbeit

Etwas genauer gehe ich als 3. Beispiel auf ein „Lösungskonzept“ ein, das den Bewegungen zugrunde liegt, die sich mit Armut, Migration, Diskriminierung von Frauen ... beschäftigen. Mehr oder weniger offen wird auf die Einbeziehung der von ihnen Vertretenen in den Erwerbsarbeitsmarkt gesetzt sowie auf die dazugehörigen Bildungsprogramme, die die bislang Ausgegrenzten fit machen sollen.

In besonders deutlicher Form hat dies im Rahmen der Veranstaltung r „Integration: Schlagwort – Zauberwort – hohles Wort?“ der Plattform Migration am 22.11.2010 Bernhard Perchinig formuliert, ein sehr seriöser Wissenschafter, den man gerade deswegen auch genau anschauen muss. Sein Konzept, das bei all dem intendierten Humanismus einen anti-emanzipatorischer „Realismus“ darstellt, lautet:

Es gäbe eine massive Aufwertung des Marktes in 90ern als Medium gesellschaftlicher Integration. Was zähle, wären individuelle Autonomie und Menschenrechte. Um den Menschen die Verwirklichungschancen zukommen zu lassen, ginge es um Bildungs- und Antidiskriminierungspolitik. Und Perchinig fügt hinzu, dass gleicher Marktzugang im übrigen treibende Kraft der europäischen Integration sei. Die Realisierung von Verwirklichungschancen benötigt die Aktivität der Einzelnen (individuelle Bereitschaft, Chancen zu nutzen) sowie den Zugang zu Strukturen, v.a. zum Erwerbsarbeitsmarkt. (siehe Bernhard Perchinig, r Migration, Integration und Staatsbürgerschaft – was taugen die Begriffe noch?, insbesondere S. 18-22)

Soweit der Kern der im Grunde liberalen Lösungsansätze, die man, wie gesagt, nicht nur bei Perchinig und in der Szene, die sich für Migrant/innen einsetzt, findet, sondern ebenso mehr oder weniger deutlich in den Armutsnetzwerken etc. Selbstverständlich gibt es in all diesen Gruppierungen Ausnahmen, wovon ich hier spreche und was uns hier beschäftigt, ist der Mainstream innerhab dieser Bewegungen.

Was sagt uns nun dieser Hang zu liberalen Ansätzen „Gleicher Zugang – Bildung – Verwirklichungschancen durch Erwerbsarbeit“ von Perchinig und anderen?

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3. Der gemeinsame Bezug auf das Formprinzip

Durch den positiven Bezug auf die Erwerbsarbeit, die Behauptung am Markt und letztlich die Konkurrenz operieren Perchinig wie die „Gutmenschen“ auf einer gleichen Ebene wie ihre populistischen Gegner/innen à la Strache, Thilo Sarrazin etc..

Nun werden viele sagen, dass das ja ohnehin klar sei, dass Erwerbsarbeit halt notwendig sei um zu überleben, dass es komisch sei, dies zu hinterfragen. Und ich gebe ihnen Recht: Eh klar, selbstverständlich, sagt der Hausverstand. Aber genau DIESE Selbstverständlichkeit ist das Problem:

Stutzig macht schon die Gleichsetzung von Erwerbsarbeit mit „Verwirklichung“, ja gar mit „Emanzipation“ etc., wenn man die Verhältnisse am Arbeitsmarkt und in den Unternehmen kennt, wenn man von „Working poor“ weiß, von einer latenten Arbeitslosigkeit, ...

Endgültig skurril aber wird die Sache, wenn man weiß, dass es eines Wirtschaftswachstum von 2-3% (in China mehr als 7%) bedarf, damit sich in diesem System der Erwerbsarbeit die Verhältnisse nicht noch mehr verschlechtern.

Also auch hier im 3. Beispiel Konzepte, die uns helfen sollen, während es genau diese Lösungen sind, die uns erst dahin gebracht haben, wo wir eben stecken. Damit aber zeigt sich: Mit der „Vernunft“, der „Einsicht in die Notwendigkeit“ ... kommt man so nicht weiter. Und damit haben wir es mit mehr zu tun als nur mit einem politischen oder sozialen Problem oder einem Problem der Vermittlung, sondern das Problem steckt tiefer – in den Grundstrukturen der Gesellschaft und unseres Denkens. Dies ist ein erkenntnistheoretischer Schock!

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4. Vom erkenntnistheoretischen Schock zum erkenntnistheoretischen Bruch

Ein solcher Schock muss zu einem Bruch führen, es bedarf eines Paradigmenwechsels: Weg von einer Wissenschaft, die mit gegebenen Begriffen und ohne deren Hinterfragung die Realität misst (= Positivismus), hin zu einer Art „sozialwissenschaftlicher Relativitätstheorie“:

Um die verhängnisvolle Gemeinsamkeit der zivilgesellschaftlichen Akteure, der klassisch „rechten“ wie „linken“ Politik ... als Spielarten einer problematischen Vergesellschaftung zu verstehen, muss man sich das zugrundeliegende Grundprinzip / Formprinzip als Ausdruck spezifischer gesellschaftlicher Verhältnisse bewusst machen, die ihrerseits erst die Denkkategorien formen, innerhalb derer dann die Probleme gelöst werden sollen.

Einer der Punkte, von dem aus man einen klareren Blick auf die uns formenden Verhältnisse, die uns so sehr zur zweiten Natur geworden sind, dass wir sie eben nur mehr als „natürlich“ sehen können, ist die Form des „Tätigseins“ (um hier einmal den so vieldeutig verwendeten Begriff der „Arbeit“ zu vermeiden).

Beschrieben sind hier zwei Formen von Tätigsein, auf der linken Seite „außerhalb“ der Welt des Äquivalentausches (mehr dazu unten) und dann auf der rechten Seite innerhalb der Welt des „Marktes“. Zur Verdeutlichung muss man sich nur einmal vorstellen, wie ein und die selbe technische Erneuerung, das Ersetzen der alten „Waschrumpel“ durch die Waschmaschine sich auswirkt in einem Haushalt und in einer Lohnwäscherei. Das eine mal ist sie für die, die sie bedienen, eine Hilfe, das andere mal eine existenzbedrohende „Rationalisierung“.

Verallgemeinern wir dies nun zur Klarstellung:

Mit einer solchen (historisch-)logischen Methode, wie sie Karl Marx in seinem Hauptwerk „Das Kapital“ exemplarisch ausgeführt hat[1], unterscheidet sich ein Nachdenken über das, was an Denkströmungen in der Gesellschaft vorhanden ist, grundsätzlich von einer bloß positivistischen Politikwissenschaft.

Das heißt, es geht nicht einfach um eine Relativierung entlang etwa der Achsen soziologischer Interessen nach dem Muster: die einen wollen halt ein besseres Leben und sehen daher (bzw. wollen sehen) die Sachen anders, betonen etwa die Produktivität stärker als andere, die die ökonomischen Notwendigkeiten (z.B. der Konkurrenz am Weltmarkt) im Auge haben. Vielmehr ist der Ausgangspunkt der Analyse die konkrete vorliegende Gesellschaft mit ihrer Funktionsweise. (Heinrich, S. 27ff) Diese Funktionsweise bedingt zwingend-logisch gewisse zentrale Säulen (wie oben im Beispiel die „Erwerbs-Arbeit“) mit daraus entspringenden Denkkategorien und einer entsprechenden innewohnenden „Vernunft“. Und diese sind damit nicht transhistorisch, sondern eben historisch-veränderbar, weil ja „Gesellschaft“ eine menschliche Angelegenheit ist. Das heißt nun NICHT, dass die Begrifflichkeiten beliebig sind – genausowenig wie die ihnen zugrundeliegende Realitäten sind sie knallhart gegebene, Fakten – aber eben nur in einer bestimmten gesellschaftlichen Konstellation! Sie selbst, die Begrifflichkeiten und die ihnen zugrundeliegenden Säulen werden nun zum Untersuchungsgegenstand![2]

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5. Der Kern

Nach diesem erkenntnistheoretischen Diskurs zur Erklärung der (historisch-)logischen Methode nun der entscheidende Blick auf den innersten Kern unserer konkreten Form der Vergesellschaftung, auf das Formprinzip, und damit zur Ausgangsfrage, was wir denn nun warum denken (müssen) und warum die konkrete vorliegende Vernunft ebenso wie der Populismus eine Ideologie sei.

Ungesellschaftliche Gesellschaftlichkeit: In einer hochgradig funktionsteiligen Gesellschaft, in der nicht irgendeine Kommandostelle (wie in staatssozialistischen Modellen) oder durch Ausreden auf gleicher Augenhöhe, sondern in der die Produktion privat (unkoordiniert) erfolgt, werden die Produkte des Tätigseins zu Waren, die sich am Markt im Äquivalententausch begegnen und worüber entschieden wird, wohin die Ressourcen und die Arbeit fließen. Dieser Tausch (=Äquivalententausch) ist eine besondere Form des Austauschs: Das Prinzip ist, dass private Produzent/innen in Konkurrenz gegeneinander auftreten und dass diese Konkurrenz die Durchsetzung der Regel erzwingt, wonach nur derjenige etwas bekommt, der auch im Prinzip im gleichen Wert eine Ware zurückgeben kann. Und für die meisten von uns ist in diesem geldvermittelten Prozess die Ware, die wir einbringen können, unsere Arbeitskraft. Diese verkaufen wir in Konkurrenz mit anderen Anbieter/innen von Arbeitskraft, und der Käufer (das Unternehmen X), der wiederum mit anderen Unternehmen in Konkurrenz steht, nutzt die gekaufte Arbeitskraft, um daraus Mehrarbeit und damit Profit abzupressen.


Zur Erklärung: Schwarzes Karo = Unternehmen | Rote Kugel = Lohnabhängige/r |
oranges Explosionssymbol = Konkurrenz

Dieses spezifische Formprinzip, das – obwohl historisch in diesem verallgemeinerten Ausmaß sehr jung – uns so selbstverständlich geworden ist, dass es uns quasi als „natürlich“ erscheint, hat nun massive Konsequenzen auf unser Tun und unser Bild von uns und der Welt. Tendenziell gilt:

  • Wir vergesellschaften uns nicht durch direkte Gewalt. Niemand steht hinter uns, der uns anschafft, sondern die Herrschaft ist unsichtbar und setzt sich hinter unserm Rücken als „Sachzwang“ durch.

  • Als private Produzent/innen agieren wir als vereinzelte Wesensheiten, als Monaden – der homo oeconomicus darf eigentlich nur an sich denken:

  • Die Mitmenschen sind dieser Monade äußerlich, sie treten nur als Konkurrent/innen oder Kund/innen (Vertragspartner/innen) in Kontakt, das verbleibende ethische Grundprinzip ist die Fairness. (dazu: r Alles nur ein FAIRES Spiel?)

  • In dieser Vereinzelung halluzinieren wir uns zu Subjekten unseres Schicksal nach dem Motto „Jeder ist seines Glückes Schmied“.

  • Wo in gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen gedacht wird, bedarf die Monade einer über ihr stehenden Instanz, des Staates.

    Soweit einmal die „Weltbilder“ und „Praxen“, die vom grundlegenden Formprinzip ausgehen. In der Realität setzen sich diese selbstverständlich nicht in Reinkultur durch, sondern werden von Religion, Überzeugungen, Widerständigkeit etc. modifiziert. Letztlich aber geht vom Formprinzip ein unglaublich starker Drall aus, der das strukturiert, WAS wir WIE denken.

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    6. Das System

    Die Sphäre der Ungesellschaftlichen Gesellschaftlichkeit, die eine Trennung in eine produzierende Seite und eine konsumierende Seite erzeugt, zwischen denen Bedürfnisschaffung und Geld vermitteln, würde aus sich heraus nicht funktionieren. Daher bedarf es der Zuarbeit eines abgespaltenen, unbezahlten Bereiches sowie des „modernen Staates“:


    Zur Erklärung: Schwarzes Karo = Unternehmen | Rote Kugel = Lohnabhängige/r |
    oranges Explosionssymbol = Konkurrenz

    Wie Yin und Yang gehören die Sphäre der ungesellschaftlichen Gesellschaftlichkeit und der Staat, also die vermittelte Gesellschaftlichkeit, die im Zweifelsfall auf Methoden offener Herrschaft zurückgreift, zusammen. (genauer: r Der Staat - das unbekannte Wesen).

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    7. These: Die doppelte Verfangenheit

    Damit haben wir nun die entscheidenden Ingridienzien unseres "entwickelten Denkens" (im Sinne unseres "Entwicklungsmodells") gegeben: Wie die /der Einzelne als Monade tickt, welche Vorstellungen von einem funktionierenden System wir als Citoyens haben, wenn die Monade aus ihrem Fensterl im Cocon hinausschaut in die Welt rundherum und wie dann in Variationen die immer gleichen Vorschläge, Wünsche, Forderungen, Vorstellungen ... kommen: (von Modernität / Entwicklung, Einkommen und Arbeit, Geld, Wachstum, von gut funtionierenden effizienten Regierungen, von Sauberkeit, Berechenbarkeit, Konkurrenzfähigkeit, Bildung, Sicherheit ... Ob nun „Österreich-nicht sitzen-bleiben“ dürfe (Name eines einschlägigen Bildungs-Begehrens) oder ob Kärnten nun nicht mehr „vertrottelt, verblödet, vergaunert“ (Slogan der sich selbst als weltoffen definierenden Opposition in Kärnten) sein möge, all dies spielt sich innerhalb eines engen Rahmens ab (in der Abbildung unten symbolisiert durch die dicke schwarze Linie). Es ist dies die „liberale Konstellation“, die aufbauend auf dem Kern der ungesellschaftlichen Gesellschaftlichkeit und ihrer Ergänzung durch die vermittelte Gesellschaftlichkeit (Staat) ein Denkfeld aufspannt, innerhalb der sich politisches Denken abspielt (und der man besagte liberale Basis eben nicht so ohne weiteres ansieht, weil sie ja so selbstverständlich – geworden – ist): Von

    • national-liberal
    • über neoliberal
    • und ordoliberal (oft grün)
    • sowie sozialliberal (also die modernisierte Form des sozialdemokratischen)
    • bis hin zu klassisch sozialdemokratisch-gewerkschaftlich und stark umverteilungsorientiert (heute v.a. noch vertreten in klassischem KPÖ-Milieu)

    spannt sich ein Bogen der Auseinandersetzungen von sich z.T. heftig bekämpfenden Fraktionen innerhalb des Gleichen.

    Eine interessante Erfahrung, die ich des öfteren schon gemacht habe: Wenn ich bei Nachbesprechungen zum schrecklich-genialen Film „Darwins nightmare“ die Leute frage, was sie denn tun würden, wenn sie so tun könnten, wie sie wollten (sie also „Subjekt“ wären), damit sich die Situation der Menschen in dem gezeigten Film verbessern würde, dann kommen ebenfalls immer die selben Schlüsselbegriffe: Bildung – funktionierender Staat – Arbeitsplätze – Modernität / weg mit der Religion – also all die oben genannten Ingredienzien.

    Dass nun die immer gleichen Vorstellungen vom „guten Zustand“ auftauchen, ist nun wiederum kein Zufall, sondern es sind dies die Voraussetzungen, die das System eben funktionieren lassen – oder besser: in einer gewissen historischen Situation das Bild eines halbwegs erträglichen Lebens im System plausibel erscheinen ließen.

    Andererseits verweist die Fortsetzung des Entwicklungspfades eigentlich so OFFENSICHTLICH massiv in die Sackgasse (ich erinnere hier noch einmal an die drei Beispiele vom Anfang, den Umgang mit Windenergie, den Lebensstil-Ansatz und den Ansatz Integration durch Erwerbs-Arbeit), dass sich ein Vergleich aufdrängt, und zwar mit der Errichtung der bekannten Steinfiguren, der Moai, auf den Osterinseln. Dies hatte dazugeführt, dass durch das für die Errichtung der Kultfiguren notwendige Fällen der Bäume im wahrsten Sinne des Wortes der letzte Baum geschlägert wurde und eine einstmals reiche Kultur bis auf erbärmliche Restbestände untergegangen ist. Hier hatte man es mit einem religiösen Fetisch zu tun, nur eine Praxis, die den religiösen Geboten genüge täte, würde ein gutes Leben ermöglichen. Das Beharren aller politisch relevanten Akteure auf Wirtschaftswachstum in unserer Gesellschaft (und desgleichen der Wissenschaft wie auch zivilgesellschaftlicher Akteure – siehe die drei anfangs genannten Beispiele) ist ähnlich frapppierend, und dies in einer Zivilisation, die sich die Rationalität geradezu zum Markenzeichen gemacht hat. Diese geradezu zwanghafte (oder wahnhafte?) Verfolgung einer Logik legt nahe, sich die spezifische Form der Vergesellschaftung noch einmal anzuschauen aus dem Blickwinkel, WIE sich die spezifische Vergesellschaftung durchsetzt / darstellt / funktioniert:[3]

    Mit Interessen, der Manipulation durch Medien, durch das „böse Kapital“ lässt sich diese Zwanghaftigkeit eben nicht erklären, sondern „die Einsicht in die Notwendigkeit“ gerinnt daraus, dass – wie in der „Nebelregion der religiösen Welt“ – die Dinge, indem sie zu WAREN werden, uns beherrschen. Die dahinter stehenden gesellschaftlichen Verhältnisse sind nicht mehr unmittelbar sichtbar, uns erscheint natürlich, dass wir Bedürfnisse schaffen, um Arbeit zu haben (anstatt dass wir uns freuen, die Arbeit erledigt zu haben ...). Geld (es wirft Zinsen ab wie der Baum Birnen ..., zit. nach www.marx-forum.de), Kapital („Kapital muss arbeiten“), Staat ... sind andere aus den gesellschaftlichen Verhältnissen entsprungene Institutionen, die uns als naturhaft erscheinen, weil sie als Dinge wirken. Dies ist ein Unterschied zu allen vorangegangen Herrschaftsformen, die ja personal spürbar waren. Dieser Fetischcharakter unserer Gesellschaft ist ein objektiv existierender (im Sinne von in der konkreten Gesellschaft real vorhandener) Zustand und Prozess. Und zwar unabhängig davon, ob ich nun daran glaube oder nicht, die hinter den Dingen versteckten gesellschaftlichen Verhältnisse zwingen mich, so zu handeln. (Grigat, S. 71, vgl auch oben in der Skizze der untere Pfeil zur roten Figur).

    Aus diesen verdinglichten Herrschaftsverhältnissen, dem Fetischcharakter, liegt es nahe (wenn auch nicht zwingend), dass die Menschen den Kakao, durch den sie die Verhältnisse ziehen, auch noch schlürfen. Will heißen: Dass sie auch noch daran glauben. Es ist dies die subjektive, im Bewusstsein stattfindende Seite, die Fetischisierung, in der vorigen Skizze durch den Pfeil von der roten Figur zum / durch den schwarzen Rahmen symbolisiert.

    „Fetischcharakter und Fetischisierung gemeinsam konstituieren den Fetischismus – den aus der zugleich realen wie scheinhaften Verkehrung gesellschaftlicher Verhältnisse in quasi naturhafte Dinge resultierenden objektiven wie subjektiven Mystizismus der kapitalisierten und staatlich organisierten Gesellschaft.“ (Grigat, S. 71)

    Bevor im letzten Abschnitt noch kurz darauf eingegangen wird, wie und wo Lücken in diesem auf den ersten Blick total wirkenden geistigen Gefängnis sind, noch ein Blick auf die Erscheinungsebene, der wir tagtäglich in den politischen – sich also auf der Basis von nicht hinterfragten Strukturen abspielenden – Auseinandersetzungen ausgesetzt sind.

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    8. Die Folgen

    Diese Art der Vergesellschaftung ist nun eine durch und durch krisenhafte, von Unsicherheiten und Unkontrollierbarkeiten durchzogene sowohl in Hinblick auf das Ganze wie auch auf die einzelne Biographie. Dies allerdings – nach einer historischen Ausnahmephase in der Ersten Welt, der „goldenen Nachkriegszeit“ – mit sich verschärfenden Tendenzen. Im Folgenden eine kurze Auflistung wichtiger Felder ideologischer Auseinandersetzungen: Einerseits längst überwunden geglaubter „Dämonen“ (in der Grafik unten in schwarzer Schrift), andererseits in Stichworten die „aufgeklärten“ Reaktionen (in blauer Schrift). Im Gegensatz zu sonst üblichen Darstellungen werden diese hier aber vor dem Hintergrund des Systems beschrieben (und damit die beiden Seiten auf ihre gemeinsame Verwandtschaft abgeklopft):

    • Antisemitismus: Die wie Naturgewalten unkontrollierbaren, sich hinter dem Rücken der Menschen durchsetzenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten fördern die Vorstellung, dass da dunkle Mächte am Werk wären. Die Verkörperung dieser Verschwörungstheorien ist die „Herrschaft des Juden“, heute umschrieben mit „der Ostküste“.
      Nun zeigt sich gerade an diesem Wahn eine massive Gegenbewegung: In offiziösen Darstellungen z.B. in den nichtkommerziellen Sendern wird laufend historische Aufklärung betrieben, Erinnerungsarbeit wird gefördert, ... Charakteristisch an diesen pädagogischen Zugängen: Kaum einmal wird der strukturelle Kern des antisemitischen Wahns hinterfragt, was übrig bleibt sind meist Personalisierungen und eine Totalitarismustheorie mit dem sich selbst auferlegten Auftrag, überall in der Welt militärisch zu intervenieren (Motto: Man habe aus Auschwitz gelernt. Der Philosoph Jürgen Habermas spricht im affirmativen Sinne von einem „militärischen Humanismus“). Siehe dazu auch die Überlegungen von Hans Haider und mir auf r ERINNERN an die Extremformen der Barbarei und an deren alltägliche barbarische Voraussetzungen.
      .
    • Rassismus: Dadurch, dass nicht einfach für die Befriedigung von Bedürfnissen Tätigkeiten verrichtet werden (und man froh ist, wenn möglichst viele diese Tätigkeiten verrichtet sind), sondern man einen Arbeits-PLATZ HABEN muss, um sich als ARBEITSKAFT auf den Arbeits-MÄRKTEN verdingen zu können, wird jede/r zusätzliche Konkurrent/in zur potenziellen Bedrohung. Da liegt es nahe, die formelle bürgerliche Gleichheit auszusetzen und die Konkurrenz überhaupt nur bedingt arbeiten zu lassen, auf bestimmte Sektoren einzugrenzen etc. Zur rechtlichen kommt die psychologische Ebene: Die Bedrohung wird durch Rassismus abgewertet und abgewehrt, die eigenen Versagensängste, Aggressionen etc. in andere projiziert.
      Wie die humanistisch gesinnten Teile der Zivilgesellschaft mit solchen innerkapitalistischen Ausgrenzungen umgehen, habe ich bereits unter Punkt 2 (Schlüsselerlebnis Integration durch Erwerbsarbeit) skizziert. Eine in diesem Zusammenhang des öfteren vorgetragene humanistisch-inhumane Falle ist das Aufgreifen der volkswirtschaftlichen Verwertungslogik mit dem Hinweis, das „Andere“ sei eine „Ressource“. (Dazu im Detail r „Ressource“: Die Verdrängung von Grundrechten durch die Verwertbarkeit)
      Antiziganismus: Der Zwang zu (abstrakter) „Arbeit“ stellt für alle eine ungeheure Zumutung dar. Als Faulheit wird dies mal freundlicher ins „lustige Zigeunerleben“ hineingelegt, meist aber mit Hass auf diejenigen projiziert, die scheinbar sich dieser Arbeit verweigern: Sinti und Roma. (Dazu im Detail r Houston, wir haben ein Bettler-Problem (?))
      Auch der aktuelle Anti-Tschetschenismus ist wohl eine solche Projektion: Die aus den tagtäglichen Ängsten und Frustrationen entspringenden Aggressionen werden in eine ethnische Gruppe projiziert.
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    • Sexismus: Eine Gesellschaft, die auf formell Gleichen beruht, muss die kostenlose Tätigkeit eines Teils der Gesellschaftsmitglieder in Minderwertigkeit uminterpretieren. Gleichzeitig muss die Alleinzuständigkeit der Keim-ZELLE (welch ein entlarvender Ausdruck!) für die Kompensation der Gefühlskälte der Gesellschaft die familiären Beziehungen maßlos überfordern. Diese werden so tendenziell zu einer Brutstätte von Verzweiflung, Verlassenheitsängsten und Gewalt.
      Eine – wohl die dominante – Form des Umgangs mit dieser strukturellen Benachteiligung ist die Forderung nach Integration der Fauen in die Erwerbsarbeit und deren gleichberechtigte Teilhabe an Karriere. Dies als Restposten dessen, was einstens unter Emanzipation lief. (siehe auch Tobias Brugger, r Feminismus in der heutigen Zeit)
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    • Staatstreue und Nationalismus: Die Zusammenrottung der Konkurrent/innen in Großrudeln zu Nationen unter dem Schirmherrn „Staat“ führt einerseits zur Identifikation mit dem Gewaltmonopolisten und ergibt so eine masochistische Liebe, andererseits erhöhen sich als Teil eines größeren Ganzen die Überlebenschancen. Wo man sich aber zu Gruppen zusammenrottet, da wird umgekehrt ausgegrenzt, abgewertet: Wer nicht dem Homogenitätsideal entspricht (ethnische Minderheiten), hat sich gefälligst anzupassen, sonst hat er / sie zu verschwinden – dorthin, wo die anderen sind, jenseits der Staatsgrenze.
      Nun gibt es auch bei diesem „Dämon“ eine Gegenbewegung, die sich in der Weltoffenheit des Europäer/innentums äußert. Zu fürchten allerdings ist, dass sich versteckt hinter dem Offenen erneut ein, allerdings modernisierter, Nationalismus durchsetzt. Hinweise dafür gibt es zuhauf, erinnert sei hier an die Berufungen auf europäische Traditionen, auf die anti-amerikanischen Töne und das verdächtig rasche Umschwenken so mancher EU-Skeptiker/innen. (Dazu: r Soll an Europas Wesen die Welt genesen? und r Und so lautet denn das 11. Gebot: Du musst den Staat lieben ...)
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    • Autoritärer Charakter und Sozialdarwinismus: Aus dem dumpfen Wissen um den Gewaltkern der Gesellschaft und der daraus entspringenden masochistischen Liebe zur Herrschaft des Staates, der einen selbst und vor allem „die anderen“ disziplinieren soll, ergibt sich der Hang zur Schwarzen Pädagogik. Die Halluzination einer angeblich unerträglichen Jugendgewalt, der Ruf nach Erziehungscamps, die Diffamierung eines humaneren Umgangs in der Schule als Kuschelpädagogik ... sind eine Ausformung. Eine andere ist der Disziplinierungswahn gegenüber Armen und Arbeitslosen (die zu Sozialschmarotzern gestempelt werden), von Widerspenstigen, Unangepassten ...
      Doch ist da nicht eine breite Gegenbewegung für eine bessere Pädagogik? Nun, bei näherem Hinsehen ist am Humanismus dieser Neo-Bildungsbewegung zu zweifeln und es liegt eher der Verdacht nahe, dass es sich um eine besonders gefinkelte Variante Schwarzer Pädagogik handle. Von den vielen hier zu nennenden Beiträgen, die sich kritisch mit diesem Bildungshype beschäftigen, hier nur zwei Hinweise: r Strebermann, geh du voran und r Der einfache Geist eines „Bildungs“-Begehrens ....
      .
    • Antikommunismus: Selbst wenn es nie einen „real existierenden Sozialismus“ mit seinen stalinistischen Schrecken gegeben hätte, gäbe es doch den Antikommunismus. Zu irrational, zu gewalttätig, zu inhuman ist der Kapitalismus, als dass da nicht immer auch die Sehnsucht nach seiner emanzipatorischen Überwindung, der Traum vom besseren Leben „drohen würde“. Und solche Regungen darf man in sich nicht zulassen, wenn man weiter funktionieren will.
      .
    • ...

    Erst wenn man, wie ich es hier versucht habe, die verschiedenen Kampffelder, auf denen reaktionäre Politik auftritt, nebeneinander ausbreitet, dazu die (vermeintlichen) Gegenstrategien betrachtet und dies alles mit dem zugrundeliegenden Entwicklungsmodell zusammendenkt, ergibt sich, dass es sich – bei allen ideologischen Unterschieden – in entscheidenden Punkten um eine Feindschaft zwischen engen Verwandten handelt, einer Verwandtschaft, die sich aus dem gemeinsamen Bezug auf die unhinterfragten Grundsäulen des Modells ergibt.

    In einer Situation aber, in der dieses Modell entlang verschiedener Sub-Krisen (ökologisch-äußere, innere Krise der wertschaffenden Arbeit ...) in eine umfassende Zivilisationskrise geschlittert ist, sind damit auch die Grenzen eines Denkens in den herrschenden Kategorien erreicht.

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    9. Risse / Widersprüche / Brüche

    Die Frage ist halt angesichts der Verfangenheit unseres Handelns und Denkens in den bestehenden verdinglichten gesellschaftlichen Verhältnissen, ob und wie ein Herauskommen möglich ist. Nun, dass es möglich ist, dafür gibt es zahlreiche Beispiele, auch der vorliegende Beitrag erhebt ja denn Anspruch eines Ausbrechen-Könnens.

    Die folgende Grafik zeigt zentrale Risse und Brüche auf:

    1. Das bestehende Entwicklungsmodell bzw. das System funktioniert nur in Kombination mit „anderer“ Praxis. Klaus Ottomeyer hat hervorragend herausgearbeitet, dass das „Markt-Prinzip“ auch im, im engeren Sinne, kapitalistischen Produktionsbereich ständig durchbrochen werden muss: So würde kein Unternehmen funktionieren, wenn nicht ständig von Empathie getragene Handlungen stattfinden würden. Dies gilt umso stärker in den Bereichen der Gesellschaft, die außerhalb des unmittelbar-kapitalistischen Bereiches und zu dessen Ergänzung existieren müssen: dem abgespaltenen Bereich der Reproduktion wie auch dem staatlich-öffentlichen Bereich. Hier herrschen, wenn auch keineswegs frei von der Verwertungslogik und wie auch immer offen herrschaftsdurchsetzt, andere Logiken. Dieses Nebeneinander verschiedener Logiken ist immer ein Quell alternativen Denkens.

    2. Das System ist von – möglicherweise zunehmenden – Widersprüchen gekennzeichnet, dem stofflichen Potenzial an gutem Leben für Alle steht das ständige „Gürtel-enger-schnallen-sollen“ gegenüber. Es ist dies ein Quell für sogenanntes „Wildes Denken“, das noch nicht per se emanzipatorisch ist, aber doch mit der repressiven „Einsicht in die Notwendigkeit“ bricht und sich

    3. zu Kritik (im Sinne von Begreifen der Ketten, die uns gefangen halten, des Hinterfragens der Basiskategorien unserer Vergesellschaftung) weiterentwickelt. Dies ist möglich, wenn nicht vorschnell über jeden Widerspruch der Reparaturgedanke „Pflaster“ drüberklebt. Und umso leichter wird Kritik denkbar, wenn etwas Neues im Keim vorliegt. Wenn also nicht nur die subjektiv-gedankliche Seite des Fetischismus, die Fetischisierung überwunden wird, sondern diese zu einer Überwindung des Fetischcharakters fortschreitet, sprich: Die Warenförmigkeit des Miteinanders (=Gegeneinander) von bewussten Kooperationen auf gleicher Augenhöhe abgelöst werden.

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    Literatur

    Grigat, Stephan: Fetisch und Freiheit. Über die Rezeption der Marxschen Fetischkritik, die Emanzipation von Staat und Kapital und die Kritik des Antisemitismus. Freiburg 2007. ca ira-Verlag.

    Heinrich, Michael: Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung Stuttgart 2005, 3. Auflage. Schmetterling-Verlag

    Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. 3 Bände. MEW 23-25

    http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_f/fetisch.html (abgerufen: 12.7.2011)

    Perchinig, Bernhard: Bernhard: Migration, Integration und Staatsbürgerschaft – was taugen die Begriffe noch? Im Netz r hier. (abgerufen: 12.7.2011)

    Reitter, Karl: Logisch oder historisch? Einführende Bemerkungen zu einer Kontroverse zwischen Michael Heinrich, Hans Georg Backhaus und Wolfgang Fritz Haug. In: Grundrisse. zeitschrift für linke theorie und debatte. Nr.8 (abgerufen: 12.7.2011)

    Sachs, Wolfgang (ed.): Wie im Westen so auf Erden. Ein polemisches Handbuch zur Entwicklungspolitik. Hamburg 1993. Rohwohlt.

    Sowie zahlreiche eigene Artikel.

    Vor allem aber: Erfahrungen, Begegnungen und Auseinandersetzungen in der eigenen Praxis in der Tätigkeit im / für den ÖIE-Kärnten und Reflexionsgespräche bei kärnöl.

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    Villach, 11.7.2011

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    [1] Zwei philosophische Anmerkung zur (historisch-)logischen Methode:
    1. Das, was hier beschrieben wird, ist im Grunde uralt. Es ist eine Mitte des 19. Jahrhunderts entstandene Theorie der Erkenntnis. Was hier ausgeführt wird (oder bescheidener: nachgezeichnet wird), ist etwas, was abseits einer philosophisch-erkenntnistheoretischen Theoriebildung stattfindet. Es ist im Grunde geradezu lächerlich stümperhaft sein, so als würde die heutige Physikunterricht erst jetzt entdecken, dass es die Relativitätstheorie gibt. Dass solche alten Hüte immer und immer wieder "neu" entdeckt werden müssen, hat aber viel mit dem Untersuchungsgegenstand, der Gesellschaft, selbst zu tun: Es kann eben nicht sein, was nicht sein darf!
    2. Innerhalb der Marx'schen Philosophie gibt es eine theoretische Auseinandersetzung darüber, ob nun im "Kapital" Marx eine historische oder eine logische Methodik betrieben habe. Eine gute Übersicht über diese Diskussion gibt Karl Reitter, r Logisch oder historisch? Einführende Bemerkungen zu einer Kontroverse zwischen Michael Heinrich, Hans Georg Backhaus und Wolfgang Fritz Haug. In: Grundrisse. zeitschrift für linke theorie und debatte. Nr.8 (abgerufen: 12.7.2011). Ich selbst neige der Ansicht zu, dass die Betonung der logischen Seite die schlüssigere wäre. Daher setze ich das historisch bei der Kennzeichnung in Klammer: (historisch-)logischen Methode ... zurück zum Text

    [2] Die (historisch)-logische Methode ist ein Zugang, der einer kritischen Entwicklungsdebatte gerecht wird: Sie vermeidet die Falle postmoderner Beliebigkeit, gleichzeitig aber werden die herrschenden Begrifflichkeiten / Denkwelten aus einer konkreten historischen (d.h. im Lauf der Menschheitsgeschichte sich wandelnden) gesellschaftlichen Praxis erklärt. Was gute Entwicklungstheorie schon immer wusste: dass die Vorstellungen der seinerzeitigen „1. Welt“ nicht die DER Menschen in der „3. Welt“ waren, bestätigt sich nun in einem gewissen Sinne angesichts der Krise des gesamten Zivilisationsmodells („Modell Neuzeit“ nach Peter Heintl) mit aller Wucht. Dies aber nun in einer Situation, wo mit der endgültigen Globalisierung dieses Modells seine Relativierung immer weniger möglich ist, weil ja die offensichtliche alternative Vergesellschaftung fehlt.
    Für mich persönlich stellt das Anfang der 90erJahre erschienene Werk „Wie im Westen so auf Erden. Ein polemisches Wörterbuch zur Entwicklungspolitik.“ (herausgegeben von Sachs, Wolfgang (1993): Reinbek bei Hamburg: Rowolth) einen Meilenstein auf meinem Weg hin zur (historisch)-logischen Methode dar. Im Sammelband wurden zentrale Begriffe „durch den Kakao gezogen“. Allerdings ohne eine explizite erkenntnistheoretische Struktur, obwohl die einzelnen zu Wort kommenden Philosoph/innen wohl selbstverständlich von einem solchen Fundament ausgingen. Das Werk verweist aber explizit auf etwas: Ein Zivilisationsmodell und damit sein ganzes Denken steht zur Disposition. ... zurück zum Text

    [3] Bei der von mir aufgegriffenen, hier vertretenen und in aller Einfachheit vorgestellten Fetischtheorie handelt es sich um Teile der Marxschen Theorie, die bislang von einer soziologisch bzw. auf Politik ausgerichteten Rezeption („Arbeiterbewegungsmarxismus“) de facto ignoriert wurden. Erst durch die „Kritische Theorie“ („Frankfurter Schule“: Horkheimer, Adorno ..., stark unter dem Eindruck des antisemitischen Wahns) und in den letzten Jahrzehnten u.a. durch die Wertkritik (die „Krisis“-Gruppe, in Österreich vor allem im Umfeld der „Streifzüge“-Redaktion) wurde die Fetischkritik etwas breiter aufgenommen. ... zurück zum Text

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    reflektion eines systems ist nie leicht, 2012-05-22, Nr. 5602

    Sehr guter Artikel, besonders eine in manchen Details mir neue Systemkritik. Was ich mich allerdings oft frage: "Wieso ist für viele das bestehende an Skurilitäten zunehmende System so OK, bzw. reagieren manche mit so grosser Agression auf nicht radikale Systemkritik?"

    Reaktionen auf andere Beiträge

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