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Walther Schütz

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2008-02-03

Hinter Haider steckt System ...

... so wie hinter Gusenbauer, Molterer und letztlich uns allen

Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen!
Max Horkheimer

Rassistische Aufrufe des BZÖ-Landeshauptmannes wie die Resolution der Landesregierung vom 15. Jänner 08 (mit Zustimmung der ÖVP beschlossen!) haben in Teilen der sogenannten Zivilgesellschaft und bei vielen Medienvertreter/innen Empörung und Entsetzen ausgelöst. Nicht, dass da sich irgend jemand Illussionen gemacht hätte über die Grundhaltung der Akteure, aber mit Verlegungen von Asylsuchenden im Stile einer Deportation und mit r Denunziationsaufrufen wurde doch eine neue Eskalationsstufe rechtsextremer Agitation erreicht (siehe Klaus Ottomeyers Beitrag r Haider säubert weiter. Was ist zu tun?).

Gleichzeitig ist bei einigen Gegner/innen einer solchen rassistisch motivierten Politik doch auch Ent-TÄUSCHUNG eingetreten: Bei seinen Verlegungen konnten sich Landeshauptmann und Flüchtlingsreferat auf geltendes Recht stützen! Auch wenn im einzelnen Verfahrensfehler begangen wurden, so kann man nicht vor der Tatsache die Augen verschließen, dass grundlegende Menschen-Rechte erst dann dem Einzelnen / der Einzelnen zuerkannt werden, wenn STAAT eine solche Rechtsfähigkeit anerkennt. Stephan Jank hat in r Linke Hoffnung Rechtsstaat auf die grundlegende Tatsache bürgerlichen Rechts aufmerksam gemacht, dass es da eine Instanz gibt, die bei aller proklamierter formeller Gleichheit Menschen die Rechtsfähigkeit und damit den Status als Mensch aberkennen und sie somit zum Freiwild erklären kann!

Nun wurde in einigen Reaktionen auf die Beiträge hier auf www.kaernoel.at auch die Rolle der Kärntner Bevölkerung angesprochen: „Warum habt ,Ihr' ihn gewählt?", lautet die Frage. Abgesehen davon, dass solche Fragestellungen meist an die gerichtet sind, die sicher nicht für Wahlergebnisse dieser Art ihr Kreuzel gesetzt haben, verweist die Frage doch auf einen richtigen Umstand: Rechtspopulismus[1] kann mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, Ausgrenzungs- bis hin zu Vernichtungsbedürfnissen bei einem Teil der Menschen erfolgreich anzusprechen. Klaus Ottomeyer benennt in seinem bereits erwähnten Artikel r Haider säubert weiter mit dem Appell an einen Säuberungskomplex einen zentralen Mechanismus, der in unserem Unbewussten schlummert. Die Frage, die sich hier allerdings stellt:

Woher kommen diese aggressiven Bedürfnisse?

Diese Säuberungswünsche sind nicht einfach im Menschen da, sondern sie sind Ergebnis spezifischer gesellschaftlicher Konstellationen: Es ist ein hochkomplexes funktionsteiliges System der Produktion, das die Kooperation NICHT durch bewusste Vereinbarungen, Absprachen, ... herbeiführt, aber auch nicht einfach durch offenen Zwang. Vielmehr sind wir im Kapitalismus ja formell frei, können wir scheinbar tun und lassen, was wir wollen.

Amok ...

Da gibt es keinen Sklaventreiber, der uns zur Arbeit prügelt, ... da können wir unsere Kreativität ausleben und ... anbieten. Tagaus, tagein ... vom Tellerwäscher zum Millionär ... und dabei immer schön locker bleiben, man hat sich ja angestrengt, sein Bestes gegeben und dann kann ja nichts schief gehen! Wenn nicht, ja ... wenn nicht der andere da wäre, der Fiesling, der da ja gar nichts verloren hat, ja ... und wenn da nicht der Multi da wäre, der einem alles kaputtmacht ... wer sind die eigentlich diese Heuschrecken, die da die ehrliche Arbeit zunichte machen ... Ostküste ... starker Mann gehört her ... Ordnung machen ... Fairness für die Ehrlichen, weg mit den Schmarotzern ...

... und seine Grundlage

Ist der Amoklauf einmal zugange, ist es schon zu spät für die Erkenntnis,

  • ... dass die Freiheit nur eine scheinbare ist, dass da ein „Sach"-Zwang besteht, der uns zu abstrakter „Arbeit", zum Konkurrieren, zum Vermarkten ... zwingt. (Zum hier verwendeten Begriff der r „Arbeit")
  • ... dass dieses System alle Beteiligten aufspaltet in zwei Sphären: Produzent/innen und Konsument/innen, zwischen denen das Geld und die Schaffung von „belieferungsbedürtigen Mängelwesen" (= „Bedürfnisse") vermittelt
  • .... dass diese Form eines gesellschaftlichen Miteinanders, das zustande kommt durch ein dauerndes ökonomisches Gegeneinander auf allen Ebenen eine Absurdität darstellt, die nur dadurch gedämpft, in „faire" Bahnen gelenkt werden kann, dass wir uns ein Leben ohne einen starken Staat (unter diesen Bedingungen zu Recht) nicht vorstellen können: Dieser Staat hat das Gewaltmonopol, kann damit die auf Vertragspartnerschaften reduzierte Zwischenmenschlichkeit garantieren und reduziert so gleichzeitig die Wahl der Waffen der Konkurrenten auf ein im Wesentlichen ökonomisches Hauen und Stechen.

Grafik: Ein System der Gewalt

Zum Vergrößern anklicken!
Grafik zum Vergrößern anklicken! Zur Erklärung: Rote Kugeln – Lohnabhängige; schwarze Karos – Unternehmen; kleine Pfeile – Die Arbeit; orange Explosionen – Konkurrenzkämpfe; leere Kugeln und Karos – Verlierer/innen ohne Kaufkraft.
Zur Figur der staatlichen Herrschaft siehe [2]

Mit dieser Konstellation sind zwingend verschiedene Haltungen und Ideologien „angelegt" (was bedeutet, dass diese Ideologien sich nicht in jedem Fall politisch durchsetzen müssen, auf der politischen Ebene kann dagegengesteuert oder auch verstärkt werden!). Wichtige Ideologien, die hier nur kurz und unvollständig erwähnt werden können, sind:

  • Antisemitismus: Die wie Naturgewalten unkontrollierbaren, sich hinter dem Rücken der Menschen durchsetzenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten fördern die Vorstellung, dass da dunkle Mächte am Werk wären. Die Verkörperung dieser Verschwörungstheorien ist die „Herrschaft des Juden" ...
  • Antiziganismus: Der Zwang zu (abstrakter) „Arbeit" stellt für alle eine ungeheure Zumutung dar. Als Faulheit wird dies mal freundlicher ins „lustige Zigeunerleben" hineingelegt, meist aber mit Hass auf diejenigen projiziert, die scheinbar sich dieser Arbeit verweigern: Sinti und Roma
  • Sexismus: Eine Gesellschaft, die auf formell Gleichen beruht, muss die kostenlose Tätigkeit eines Teils der Gesellschaftsmitglieder in Minderwertigkeit uminterpretieren. Gleichzeitig muss die Alleinzuständigkeit der Keim-ZELLE (welch ein entlarvender Ausdruck!) für die Kompensation der Gefühlskälte der Gesellschaft die familiären Beziehungen maßlos überfordern. Diese werden so tendenziell zu einer Brutstätte von Verzweiflung, Verlassenheitsängsten und Gewalt.
  • Rassismus: Dadurch, dass nicht einfach für die Befriedigung von Bedürfnissen Tätigkeiten verrichtet werden (und man froh ist, wenn möglichst viele diese Tätigkeiten verrichten), sondern man einen Arbeits-PLATZ HABEN muss, um sich als ARBEITSKAFT auf den Arbeits-MÄRKTEN verdingen zu können, wird jede/r zusätzliche Konkurrent/in zur potenziellen Bedrohung. Da liegt es nahe, die formelle bürgerliche Gleichheit auszusetzen und die Konkurrenz überhaupt nur bedingt arbeiten zu lassen, auf bestimmte Sektoren einzugrenzen etc. Zur rechtlichen kommt die psychologische Ebene: Die Bedrohung wird durch Rassismus abgewertet und abgewehrt, die eigenen Versagensängste, Aggressionen etc. in andere projiziert.
    Der aktuelle Anti-Tschetschenismus ist wohl eine solche Projektion: Die aus den tagtäglich Ängsten und Frustrationen entspringenden Aggressionen werden in eine ethnische Gruppe projiziert.
  • Staatstreue und Nationalismus: Die Zusammenrottung der Konkurrent/innen in Großrudeln zu Nationen unter dem Schirmherrn „Staat" führt einerseits zur Identifikation mit dem Gewaltmonopolisten und ergibt so eine masochistische Liebe, andererseits erhöhen sich als Teil eines größeren Ganzen die Überlebenschancen. Wo man sich aber zu Gruppen zusammenrottet, da wird umgekehrt ausgegrenzt, abgewertet: Wer nicht dem Homogenitätsideal entspricht (ethnische Minderheiten), hat sich gefälligst anzupassen, sonst hat er / sie zu verschwinden – dorthin, wo die anderen sind, jenseits der Staatsgrenze.
  • Autoritärer Charakter und Sozialdarwinismus: Aus dem dumpfen Wissen um den Gewaltkern der Gesellschaft und der daraus entspringenden masochistischen Liebe zur Herrschaft des Staates, der einen selbst und vor allem „die anderen" disziplinieren soll, ergibt sich der Hang zur Schwarzen Pädagogik. Die Halluzination einer angeblich unerträglichen Jugendgewalt, der Ruf nach Erziehungscamps, die Diffamierung eines humanerem Umgangs in der Schule als Kuschelpädagogik ... sind eine Ausformung. Eine andere ist der Disziplinierungswahn gegenüber Armen und Arbeitslosen (die zu Sozialschmarotzern gestempelt werden), von Widerspenstigen, Unangepassten ...
  • Antikommunismus: Selbst wenn es nie einen „real existierenden Sozialismus" mit seinen stalinistischen Schrecken gegeben hätte, gäbe es doch den Antikommunismus: Zu irrational, zu gewalttätig, zu inhuman ist der Kapitalismus, als dass da nicht immer auch die Sehnsucht nach seiner emanzipatorischen Überwindung, der Traum vom besseren Leben „drohen würde". Und solche Regungen darf man in sich nicht zulassen, wenn man weiter funktionieren will.
  • ...

Schlussbemerkungen

All dies ist nur ein kurzes Anreißen der Herkunft mörderischer Ideologien in einem System, das nach liberaler Lesart von Freiheit und Eigenverantwortung, Selbstverwirklichung und Fairness nur so strotzt. Die dunklen Schatten werden immer nur als eine Rückkehr von längst Vergangenem, als Rückständigkeit Ewig-Gestriger aus dem System hinausinterpretiert. Sie sind aber – in unterschiedlichem Maß – IMMER präsent. Diese dunklen Schatten werden durch politische Agitation nur verstärkt. Verursacht aber werden sie vom System selbst!

Noch eine kurze Anmerkung zu regionalen Besonderheiten (Wut auf „Kärntner Verhältnisse" – Liebe zum liberalen System im allgemeinen): So verständlich oft das Entsetzen vor den Kärntner politischen Verhältnissen ist (und mir geht es da nicht anders), so sollte man angesichts des Speziellen nicht dessen allgemeinen Hintergrund aus den Augen verlieren. Die Kette bricht an ihren schwächsten Gliedern, sprich: Agressive Abwehr, Projektionen, dumpfe Wut, ... sind dort am stärksten, wo die Illussion von einem glücklichen Leben im Kapitalismus am bedrohtesten ist, wo die Formierung der Menschen zu Nationen am spätesten vor sich gegangen ist und / oder sich diese schon wieder aufzulösen beginnen (siehe Jugoslawien).

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Anmerkungen

[1] Das Adjektiv Rechts- kann man sich eigentlich sparen, da wegen seiner Verkürzungen, Personalisierungen, ...Populismus immer rechts landet, auch wenn er mit linken Phrasen daherkommt! Im vorliegenden Fall aber wird ja mit der rassistischen Phrase auch vordergründig bereits ultrarechts polemisiert. ... zurück zum Text

[2] Ausschnitt aus dem Titelblatt der staatstheoretischen Schrift „Leviathan or the Matter, Forme and Power of a Commonwealth Ecclesiastical and Civil" (dt.: Leviathan oder Wesen, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Gemeinwesens) von Thomas Hobbes aus dem Jahre 1651. Man beachte, wie genial diese mehr als 350 Jahre alte Schrift den Doppelcharakter des modernen bürgerlichen Staates veranschaulicht: Einerseits gilt sehr wohl „Der Staat sind wir alle" (die Figur ist zusammengesetzt aus winzigen Menschen), andererseits ist der Staat selbstverständlich HERRSCHAFT ÜBER UNS! ... zurück zum Text

Zum Weiterlesen

OTTOMEYER, Klaus: Ökonomische Zwänge und menschliche Beziehungen. Soziales Verhalten im Kapitalismus. LIT-Verlag Münster 2004. ISBN 3-8258-6125-2

GRIGAT, Stephan: Fetisch und Freiheit. ca-ira-Verlag, Freiburg 2007. ISBN 3-924627-89-4

Film:

Falling down. Mit Michael Douglas, 1993. Ein arbeitsloser weißer Ingenieur der an einem heißen Tag quer durch die Stadt unterwegs zu seiner Tochter und der geschiedenen Frau ...

Zum Reinhören:

„Soziale Beziehungen im Kapitalismus". Dokumentation eines Vortrages von Univ. Prof. Klaus Ottomeyer. Downloadbar vom CBA-Server unter
rhttp://cba.fro.at/show.php?lang=de&eintrag_id=8715 bzw. auf Radio AGORA (105,5 MHZ im Raum Mittelkärnten, Fr, 8.2.08, 19:00 Uhr)

„Arbeit und Würde?" Der deutsche Soziologe Oskar Negt über die tiefe kulturelle Krise der kapitalistischen Gesellschaft. Im Internet am CBA-Server unter
rhttp://cba.fro.at/show.php?lang=de&eintrag_id=8325

Reaktionen Auf den Beitrag reagieren

Sarah Stern, 2008-10-10, Nr. 4212

Erwuenschte Nebenwirkungen solcher Beiträge können sich in einer besseren politischen Psychohygiene bemerkbar machen. Diese Medizin ist brauchbar.

Reaktionen auf andere Beiträge

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