2006-04-19
Anonymus: Subversion in der Schule
Lebenshilfe für LehrerInnen und SchülerInnen
Die, welchen dieses Blatt zukommt, haben Folgendes zu beachten:
- Sie müssen das Blatt sorgfältig außerhalb der Schule vor den Schulbehörden verwahren;
- sie dürfen es nur an treue Freunde mitteilen;
- denen, welchen sie nicht trauen wie sich selbst, dürfen sie es nur heimlich hinlegen:
- würde das Blatt dennoch bei einem gefunden, der es gelesen hat, so muss er gestehen, dass er es eben dem / der SchulinspektorIn habe bringen wollen;
- wer das Blatt nicht gelesen hat, wenn man es bei ihm findet, der ist natürlich ohne Schuld.
Kurzer Lehrgang
Die Schule - als staatliche Institution eine Form struktureller Gewalt - zwingt LehrerInnen wie Schüler/innen in ihr Joch. Dagegen helfen keine edlen pädagogischen Absichten, die doch von der schnöden Praxis ständig desavouiert werden. Hilfe und Abhilfe ermöglicht bloß die nüchterne Einsicht in die Funktionsweise dieser Strukturen und die kaltblütige Entschlossenheit, sich dieser Kenntnisse zu bedienen. Kurz: Zur Schule muss - im Interesse der Erziehung und der Kinder - eine subversive Einstellung entwickelt werden. Die Subversion ist die kleine Schwester der Revolution, für Zeiten wie diese, wo große Umwälzungen nicht zu erwarten sind. Sie ist anarchisch und individuell, sie ist unsolidarisch und provisorisch. Aber vielleicht kann sie helfen, die großen notwendigen Veränderungen vorzubereiten.
Die drei Befreiungen
1. Befreie dein Gewissen von der Vorstellung, dass du ein loyaler Diener des Staates zu sein hast! Löse dich von der Angst, dass du nur dann ein(e) gute Lehrer/in bist, wenn du in seinem Sinne funktionierst! Sei nur deinem eigenen Gewissen verantwortlich, an das du allerdings strenge Maßstäbe anlegen sollst! Im Zweifelsfall, und der wird oft eintreten, folge deinen eigenen Maßstäben! Wer bewusst und verantwortungsvoll die geschriebenen und die ungeschriebenen Regeln durchbricht, ist wahrscheinlich der/die bessere Lehrer/in!
2. Befreie dich von der Vorstellung, dass deine Vorgesetzten quasi deine Ersatzeltern sind, an die du dich wenden kannst, wenn du Probleme mit Kolleg/innen oder mit Schüler/innen hast. Du stehst allein und sollst es wissen! Es geht nicht darum, von allen geliebt zu werden; manchmal ist es besser, bei den "Richtigen" unbeliebt zu sein.
3. Befreie dich von der Vorstellung, dass über dir ein Gott waltet, den die Irdischen "Stoff" nennen, und den du den ehrfürchtigen oder ungläubigen SchülerInnen einpauken sollst. Unterrichte das, wovon du überzeugt bist, dass es deinen Schüler/innen nützt, und berücksichtige dabei ihre Meinung dazu. Nur wenn du ihnen Selbstbestimmung ermöglichst, kannst du glaubhaft für die Selbstbestimmung der Lehrer/innen eintreten.
Die drei Vermeidungen
1. Vermeide es, deine Vorgesetzten mit Dingen zu belasten, die du selber regeln kannst (Schüler/innen beurlauben, Notengebung, kleine Veränderungen im Stundenplan, private Treffen mit Schüler/innen, "schulfremde" Personen in der Schule,....)
2. Vermeide jede Vereinheitlichung der Beurteilung oder des Umgangs mit SchülerInnen, die doch nur zu einem neuen Kontrollinstrument gerät, z.B. Absprachen über Prüfungsbereiche, Kernstoff, pädagogische Richtlinien für die Notengebung usw. Die Gefahr besteht, dass diese Vereinheitlichungen zur Einschränkung deines Freiraums führen und dass sich konservative Vorstellungen damit legitimieren lassen.
3. Vermeide es, in die Falle des Lobs zu gehen! Lass dich nicht privilegieren, um dich ruhigzustellen! Verlange alles, aber verlange es nicht nur für dich, sondern für alle!
Die drei Gebote
1. Sei unsolidarisch: aus Prinzip - nicht im konkreten Fall. Die anderen Lehrer/innen sind nicht deine Kriegskamerad/innen und die Schüler/innen sind nicht deine Feinde. Beurteile die Menschen nach ihrer Einstellung, nicht nach ihrem Stand. "Fraternisieren" mit Schüler/innen ist erwünscht und erlaubt.
2. Sei unüberhörbar: Mache möglichst alles öffentlich, was dir an heimlichen Schweinereien passiert. Schweige nicht aus falscher Scham! Drücke auch deine Empörung über Ungerechtigkeiten, die anderen zugemutet werden, deutlich aus. Mache aus dem Konkurrenzzimmer ein Konferenzzimmer!
3. Sei klug: Suche Gesetzestexte und Verordnungen, die dein Verhalten abstützen, aber glaube nicht an sie; zitiere Lehrplanbestimmungen, die deine pädagogische Arbeit legitimieren, aber verwechsle sie nicht mit dem Katechismus!
Auf dieser Basis kannst du dich mit Gleichgesinnten und allen, die ein Stück des Weges mit dir gehen, zusammenschließen und für eine veränderte Schulkultur eintreten. Das können Schüler/innen, Lehrer/innen, Eltern und natürlich auch einige Menschen aus der Schulverwaltung sein, diejenigen, die sich für grundlegende Umformungen der Strukturen einsetzen. Aber behalte dein Misstrauen - bleibe Sand, nicht Öl im Getriebe der Schule!
... Ist erst der gute Ruf ruiniert, lebt man frei und ungeniert ...