2008-03-17
Mehr Arme weltweit als angenommen
NEUES AUS DEM WELTREICH DES KÖNIG MIDAS
Welche Zukunft machen wir?
Fortsetzung des Prozesses:
Was bedeutet das bisher Diskutierte konkret für uns?
Fr., 28. März, 14:00-19:00
Gasthof Kasino, Villach, Kaiser-Josef-Platz
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Die herrschende Ökonomie war sich bis vor kurzem einig: Zwar gäbe es Milliarden Verlierer/innen, aber etwa die Hälfte der Menschheit habe von der sogenannten Globalisierung profitiert. Vor allem die Menschen, die in den Volkswirtschaften Indiens und Chinas (insgesant etwa 2,5 Milliarden Einwohner/innen) lebten, wären zu den Gewinner/innen zu zählen.
Nun sind solche Zahlen mehr als trügerisch:
- Sie sagen z.B. nichts über die Verteilung. So kann eine Volkswirtschaft in Summe reicher werden, aber wenn davon nur eine kleine Minderheit profitiert, so kann der Effekt eintreten, dass die Mehrzahl der Menschen ärmer ist als zuvor und dennoch die Ökonomie IM SCHNITT einen Reichtumszuwachs verzeichnet.
- Ein andere Effekt ist, dass die Schäden des Wirtschaftens nicht gezählt werden: Menschen können förmlich im Dreck krepieren und trotzdem geht es ihnen laut Statistik besser, solange die große Geldmaschine nur am Laufen ist. Oder die Menschen können sich im Konkurrenzkampf gegenseitig die Schädel einschlagen - auch dies scheint nirgends als Wohlstandsverlust auf. Ganz im Gegenteil: Die Arbeit der Psychiater/innen schlägt in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auch noch positiv zu Buche.
- Und noch ein Faktor ist ganz wichtig: Man kann noch soviel wirtschaften, noch so gut leben, anderen noch so viel Gutes tun: Solange ich kein Geld dafür verlange, ist das ökonomisch gesehen NICHTS WERT. Erst wenn Leistungen nur gegen Geld erbracht werden, wenn Tätigkeiten und Dinge als WARE verkauft werden, dann scheint dies im BIP auf. So kann es geschehen, dass Bauern und Bäuerinnen bisher ihr Saatgut gemeinsam weitergezüchtet haben und dass sie nunmehr, nachdem auch die Patentierung von Saatgut immer weiter um sich greift, teuer dafür zahlen müssen.
Soweit so schlecht. Aber der nominelle Zuwachs an Geldeinkommen war für viele, sich selbst als Realisten einschätzende der Grund für einen vorsichtigen Optimismus und für eine Perspektive des MEHR an dieser Entwicklung. Irgendwann werde sich wohl so die Kluft zwischen Arm und Reich etwas schließen - so das Versprechen etwa des Global Marshall Plans.
Nicht einmal das kleine Bisschen kapitalistischen Wohlstandes ...
Jetzt hat eine neue Studie diesem ohnehin nur vorsichtigen Optimismus den letzten Rest an Boden entzogen:
Jeder kennt ja das Phänomen, dass man sich als Ausländer im Urlaub insbesondere in armen Ländern viel mehr leisten kann als zuhause. Die Kaufkraft eines Europs, eines Dollars ist unterschiedlich. Dies wurde bereits bisher bei internationalen Vergleichen berücksichtigt.
Nun wurden im Rahmen eines groß angelegten internationalen Projekts mit dem Namen International Comparison Program die bisherigen Datengrundlagen gründlich durcheinander gewürfelt. Folgendes Ergebnis zeichnet sich ab: Die reale durchschnittliche Kaufkraft muss nunmehr in China und Indien um -40% nach unten revidiert werden, für Indonesien sind es -17%, die Philippinen -41%, Südafrika -32% und Argentinien -24%.
Das bedeutet nichts anderes, als dass der entfaltete Kapitalismus (um den Begriff Globalisierung auf den Punkt zu bringen) nicht nur die nach bisheriger Sichtweise erzeugten Milliarden Verlierer/innen erzeugt hat, sondern dass zu diesen weitere Millarden Menschen in den sogenannten Gewinnerstaaten dazuzuzählen sind. Und das selbst nach dem banalen Kriterium Kaufkraft.
Literatur
MILANOVIC, Branko: Wie Statistik die Weltwirtschaft verändert: Die neue PPP-Revolution, in: Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (W&E), Luxemburg, Nr. 03-04/2008 (www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org)
Dazu ausführlich: