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Walther Schütz

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2010-07-26

Anmerkungen zur (immer wieder) aktuellen Pensionsdebatte

Die Pensionen seien zu hoch, die Alten würden älter, immer weniger Leute würden arbeiten ... kurz gesagt, wir steuern auf eine Katastrophe zu. So der Sermon von „Pensionsexperten“.

.

Tiefgreifende Reformen müssten her – und damit klar ist, was damit gemeint ist: Reform heißt nicht etwa, dass etwas im Sinne einer sozialen Weiterentwicklung unternommen wird, im Neudeutschen heißt Reform immer nur eines: Sozialabbau. Daher bleibt einem nicht erspart, sich sowohl mit den Fakten auseinanderzusetzen als auch diese sehr grundsätzlich zu reflektieren.

Zur materiellen / stofflichen Seite:

1) Da wir ja nicht gerade vor einer Bevölkerungsexplosion stehen, sondern in Österreich alle bejammern, dass zu wenig Kinder auf die Welt kommen, müsste es langfristig ja mehr als reichen, wenn wir zur Erhaltung des Wohlstandes in Summe gleich viel produzieren wie bisher (dass diese Grundannahme aus anderen Gründen nicht unproblematisch ist, dazu mehr weiter unten). Diese Menge an „gesellschaftlichem Reichtum“ muss natürlich Jahr für Jahr produziert werden. Wieviel menschliche Tätigkeit dazu notwendig ist, hängt ganz entscheidend von der Produktivität, also dem, was pro Stunde erzeugt wird, ab.


 Produktivitätswachstum (rot) und
 Entwicklung der Altersstruktur
 (grau). Eine Grafik, die auf
 stofflicher Ebene das Potenzial an
 Wohlstand zeigt. Indem sie aber
 die herrschenden Kategorien
 („Finanzierbar" ...) verwendet, ist
 ist sie problematisch (siehe
 Ebene der Logik der Verwertung
 des Kapitals)

Schaut man sich die voraussichtliche Entwicklung von Produktivität und der Verschiebung der Zusammensetzung im erwerbsfähigen Alter und den „Alten“ an, so ergibt sich nebenstehendes Bild.

Die Grafik beinhaltet, was sonst in der Pensionsdebatte vollkommen ignoriert wird, nämlich die Entwicklung der Produktivität: Grundlegende Katastrophen einmal außer Acht lassend (Atomkrieg ...) ist von einem jährlichen Wachstum der Produktivität von 2% auszugehen. Das heißt, jede/r Werktätige stellt in 50 Jahren pro Stunde um knapp 170% MEHR her als heute. Im Gegensatz dazu ist der Anstieg der Alten (das sind dann WIR!!!!!!) vergleichsweise gemächlich! Schlussfolgerung: Wir KÖNNTEN uns das derzeitige Niveau an Pensionen und (Früh-)Pensionist/innen auch weiterhin locker leisten und hätten zusätzlich noch einen ziemlichen Verteilungsspielraum im Sinne etwa einer DRASTISCHEN Arbeitszeitverkürzung.

Exkurs

Unter der Voraussetzung, dass Geld nichts anderes als eine neutrale Verrechungseinheit wäre und man den gesellschaftlichen Reichtum einfach abschöpfen könnte, würde sich dies wie folgt darstellen

Bislang wurde das sog. umlageorientierte Pensionssystem neben Zahlungen unmittelbar aus dem Budget (dieser Anteil kann bis zu 1/3 der Pensionssumme ausmachen, ein Anteil, von dem wir aber aktuell weit entfernt sind) zum größten Teil aus einer Mischung aus Arbeitgeber/innen- und Arbeitnehmer/innenanteilen finanziert. Diese berechneten sich aber nach der Höhe des Brutto-Lohnes. Löhne, die nicht mit der Produktivität wachsen, haben auch ein Zurückbleiben der „Lohnnebenkosten“, der Pensionsgelder, zur Folge. Entsprechend würde eine an den Produktivitätsfortschritten orientierte Lohnpolitik die Spielräume auch für die nicht mehr in Erwerbsarbeit Stehenden erhöhen.

Wie dies aussehen könnte, hat Christian Felber von ATTAC bei den letzten großen Auseinandersetzungen um das Pensionssystem durchgerechnet:

♦ Im Jahr 2000 blieben von 100 Einheiten Bruttoeinkommen netto 77% den Lohnabhängigen auf der Hand, 23% wurden für die Pensionen abgeführt.
♦ Bis zum Jahr 2030 würde sich – eine aliquote Beteiligung der Lohnabhängigen an den Produktivitätsgewinnen vorausgesetzt – das Bruttoeinkommen um 80% auf 180 Einheiten erhöhen. Nun gibt es zwei Varianten:

  1. Bei gleichbleibenden Beitragssätzen von 23% erhöht sich das Nettoeinkommen auf 139 Einheiten
  2. Erhöht man die Beitragssätze auf 31%, um das umlageorientierte, solidarischere Pensionssystem zu erhalten, so stiege das Nettogehalt von 77 Einheiten (2000) auf „nur“ 124 Einheiten im Jahr 2030.

Grundannahme von Christian Felber dabei: Ein durchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum von 2% (und damit nicht nur ein Wachstum der Produktivität!).
(Quelle: Christian Felber, Unterlagen zum Vortrag „Sind unsere Pensionen noch zu retten? Am 19.März 2002 in der AK-Villach).

Ginge man von einem Nullwachstum der Wirtschaft aus (was in der Logik des Systems zwar kaum möglich sein wird, aber unter einem globalen Aspekt gefordert werden muss!!!), würden die Zahlen entsprechend anders aussehen: Es würden die Netto-Löhne in etwa gleich bleiben müssen, die mit dem Produktivitätswachstum verbundenen Zugewinne müssten auf Pensionen und in Form von Arbeitszeitverkürzungen „ausbezahlt“ werden!

Wäre Geld also nur eine Verrechungseinheit und ginge es beim Wirtschaften im Kapitalismus tatsächlich nur um eine rein rationale Aufgabe – um die Befriedigung von Bedürfnissen in möglichst effizienter Form, wie das ja die herrschende Ökonomie von sich behauptet –, dann wäre die Pensionsdebatte tatsächlich als „Umverteilungsdebatte“ zu führen. Im Folgenden wird gezeigt, dass dies aber zu kurz greift, dennoch aber stimmt eines: Auf einer stofflichen Ebene ist das Potenzial für ein „gutes Leben für Alle“ gegeben!

Die Ebene der Verwertung des Werts (also des Kapitalismus)

Neben der materiell-stofflichen Ebene existiert nämlich eine uns alle durchdringende zweite Ebene, die der Kapitalverwertungslogik. Auf der einen Seite haben wir einen ungeheuren stofflichen Reichtum, das Potenzial für ein „gutes Leben für Alle“ ist gegeben. Auf der anderen Seite wird die Form, in der dieses Potenzial bereitgestellt wird, immer mehr selbst zur unüberwindlichen Schranke: Kapitalistisches Wirtschaften bedeutet, dass es Profit abwerfen muss (!), dass es im Gegeneinander der Konkurrenz erfolgt, dass Bedürfnisse nur dann befriedigt werden, wenn der / die Bedürftige Geld hat, dass immer neue Bedürfnisse geschaffen werden müssen, damit die Wachstumsspirale aufrecht erhalten bleibt ...

Dies führt dazu, dass steigende Produktivität nicht in mehr Muße, sondern in mehr Arbeitslosigkeit mündet, die Arbeitskräfte werden im Verhätnis zum eingesetzten Kapital einfach wegrationalisiert, womit vom Kapital selbst die Quelle seines Wachstums abgegraben wird.

Sichtbar wird dies zunächst an der Zuspitzung der im System ohnehin zentralen Konkurrenz: Seit die Lohnabhängigen und deren Vertretungen in der Defensive sind, sinkt die Lohnquote und damit wird auch die davon abhängige Finanzierung des Sozialstaates immer schwieriger. Dies ist der Punkt, wo sich der Kampf gegen die Globalisierung, der Kampf gegen „Liberalisierung“ über WTO und das rabiate Freihandelskonzept der EU mit der innenpolitischen Auseinandersetzung trifft. Auch wenn Vieles von dem, was Unternehmer/innenvertreter in Bezug auf die Globalisierungszwänge behaupten, übertrieben ist, so kann doch nicht übersehen werden, dass in Zeiten freier Waren- und Investitionsströme der Konkurrenzdruck enorm zugenommen hat. (Zu den Hintergründen der Globalisierung siehe auch r Was steckt hinter der Globalisierung?)

Folgen: Bereits heute bricht das Fundament des Kapitalismus, die Erwerbsarbeit, immer mehr weg: In Form von Arbeitslosigkeit wie auch als Phänomen „Working Poor“. Und das, was den Kapitalismus erst für breite Teile der Bevölkerung erträglich gemacht hat – eine für alle zugängliche öffentliche Daseinsvorsorge (Gesundheit, Altersversorgung, Schulen, Post, Bahn. Wasserversorgung ...) – erodiert immer mehr. Diese Erosion solidarischer Elemente innerhalb des Systems hat verschiedene Namen: Einsparungen, Effizienzsteigerung, Ausrichtung auf den globalisierten Konkurrenzkampf, Liberalisierung, Verwaltungsreform, Privatisierung ...

Die äußeren Grenzen des Systems

Aber selbst wenn der Kapitalismus seine inneren Grenzen irgendwie überspringen könnte: Dies bedeutet rasches Wirtschaftswachstum (ökologische Grenzen!).

Wenn von Wohlstand die Rede ist und ob er ausreiche, um die Versorgung der Alten auch in Zukunft zu garantieren, so kommt man aber nicht mehr umhin, das Starren auf das Geld bzw. auf abstrakte Werte – und von nichts anderem war ja oben weiter die Rede – zu überwinden. Im Sinne einer zukunftsfähigen Entwicklung ist es nicht egal, was konkret hinter dem Geld steckt. Mit anderen Worten: Zu Beginn des 21. Jahrhunderts reicht es nicht mehr, dass eine Gesellschaft nach dem Prinzip funktioniert: Möglichst viel wird möglichst betriebswirtschaftlich effizient produziert – egal ob Waffen, Autos, gesunde Lebensmittel, Hauptsache, es wirft Profit ab. Dies wird dann in Geld gemessen, zusammenaddiert und als gesellschaftlicher Wohlstand definiert. Und ein Teil von dem wird dann zu Sozialleistungen – soferne diese Art eines Verteilungskampfs, der von der konkreten Seite der Waren absieht, überhaupt erfolgreich sein kann. Selbst mittelfristig wird nur ein „Wohlstand“ leistbar (und verteilbar) sein, der die ökologischen und sozialen Voraussetzungen von Leben nicht untergräbt.

Um diese abstrakte Forderung an einem Beispiel zu konkretisieren: Ein Verkehrssystem, das auf individualisiertem Autoverkehr beruht, ist nicht leistbar, weder ökologisch noch sozial. Da bedarf es zuerst einer langfristigen Folgenabschätzung, und dann muss eine entsprechende Infrastruktur erarbeitet werden – gemeinsam und solidarisch. Eine vom Auto geprägte räumliche Entwicklung zeigt sonst die Folgen, auch in den – im Weltmaßstab gesehen – verhältnismäßig reichen Regionen der Erde: Nach einer irischen Studie sind von einer solchen Fehlentwicklung am negativsten betroffen arme, ältere Frauen in ländlichen Regionen, die mangels Auto von der gesellschaftlichen Teilhabe einfach ausgeschlossen sind. (zitiert nach Georg Wiesinger von der Bundesanstalt für Bergbauernfragen)

Resüme

Wir leben eben NICHT in einer Gesellschaft, in der auf Basis eines vernünftigen Dialogs entschieden werden kann, was an Tätigkeit ansteht und wie diese möglichst human zu verrichten sei. Das Tätigsein wird, weil es in der Form des (Erwerbs-)Arbeitsverhältnisses daherkommt, zu einem uns feindlichen Ding – ein eigentlich paradoxes Verhältnis droht uns alle arm und verrückt (fremdenfeindlich, antisemitisch, leistungsrassistisch) zu machen.

Damit sind wir aber bei den grundlegendsten Heiligen Kühen unserer Gesellschaft. Der durchaus vorhandene potenzielle Wohlstand wird – weil der Kapitalismus ab einem gewissen Punkt nur mehr um den Preis zunehmend inhumaner Verhältnisse weiterläuft – nur dann von den Menschen angeeignet werden können, wenn wir anders zu wirtschaften beginnen. Die „Pensionsfrage“ zeigt, dass eine Umverteilungsdebatte zu kurz greift. Die Sicherung des Lebens auch für die Alten kann nicht mehr ohne Hinterfragung des Systems geführt werden.

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Radikal überarbeitete Version eines Beitrages aus dem Jahr 2003, nachzulesen r hier

Reaktionen Auf den Beitrag reagieren

diana, 2010-07-27, Nr. 4883

Lieber Walther,

es könnte aber sein, dass wir Geld ausgeben, welches wir noch gar nicht produziert haben?
Was passiert zBsp. mit geliehen Geld, welches nicht mehr zurückgegeben wird? Muss doch wo abgehen?
Und es gibt auch Erwerbstätige, welche schlicht und einfach nix "erwirtschaften". Kann man bei jeder Tätigkeit davon ausgehen, dass in einer Stunde immer das gleiche erzeugt wird?

Also ich bin ja nicht vom Fach und bitte Dich um Aufklärung:
zBsp. verzeichnetet die österreichische Wirtschaft im Jahr 2009 einen realen Rückgang von -3,9%. Lt.Eurer Grafik steigt die Produktivität um 2%, nur der gesamtwirtschaftliche Wachstum ist um 3,9% zurückgegangen?
Was nützt die Produktivität wenn der Gesamtwachstum einen Rückgang verzeichnet?

LG Diana

eine 50+, 2010-07-27, Nr. 4886

Danke für die Offenlegung obiger Fakten und die Eröffnung eines Blickwinkels, der die Basis eines tatsächlichen und konstruktiven Generationendialoges sein kann und sich vom gängigen - ob der vielen Widersprüche richtig konfus machenden - medialen Trommelfeuer grundlegend unterscheidet.

Da meldet sich nämlich in letzter Zeit auffallend häufig auch ein weiterer Pensionsalterverlängerungs-Befürworter mit bahnbrechenden Erkenntnissen zu Wort. Einer unsrer ranghöchsten "Politexperten" - Univ.Prof Peter Filzmaier - beklagt in der gestrigen Kleinen Zeitung vom 26. 7. '10 auf S. 22 "den fehlenden Mut von Politikern in der Pensionsfrage" und heißt uns "herzlich willkommen in der Wirklichkeit", indem er sich nicht nur für eine starke (!) Erhöhung des Pensionsalters, sondern auch für Eingriffe in bestehende Pensionen ausspricht. Um die "volkswirtschaftliche Notwendigkeit längeren Arbeitens habwegs so zu erklären, dass es Fernsehzuschauer, Radiohörer und Zeitungsleser glauben" (O-Ton Filzmaier), führt er dann einige Argumente ins Treffen:
......wie "sexy" es doch wäre, "wenn ein 70jähriger arbeitet" und wie wenig erstrebenswert es sei, schon VOR der "körperlichen Totalabnutzung" in Pension gehen zu können, wo doch "Arbeit bis ins hohe Alter Sinn des Lebens und sinnerfüllend" sei und "junge Leute" nicht "automatisch effizient und produktiv" wären,.......

Und er springt auch gleich für die feigen Politiker/innen und Medienleute in die Bresche, die in ihrer Hilflosigkeit nach schwarzen Schafen wie z.B. Nationalbankangestellten und ÖBB-Bediensteten suchen und nennt uns stattdessen "des Pudels Kern":

..... dass "alle - wirklich ALLE - viel (!) länger arbeiten müssen"!!!!

Aber was ist mit den vielen, v.a. auch jungen Arbeits-losen??????, fragt unsereine(r)....... tjaaaaa, die kommen bei so einem großen, mutigen Denker natürlich nicht vor.

Walther Schütz, 2010-07-28, Nr. 4887

@ Reaktion 4883

Liebe Diana!

Es ist tatsächlich so, dass wir laufend "Geld ausgeben, welches wir noch gar nicht produziert haben", genau diese Blase ist, die für eine gewisse Zeit den Kapitalismus am Laufen hält - bis halt ein Teil dieser Blase platzt und damit Ansprüche wertlos werden, wie dies ja jüngst bei den als Immobilienblase erschienen krisenhaften Phänomenen von den USA ausgehend passiert ist (soviel auch gleich zur Frage: Was passiert zBsp. mit geliehen Geld, welches nicht mehr zurückgegeben wird?). Diese Menschen schauen halt durch die Finger, kapitalgedeckte Pensionsansprüche sind dann halt nichts mehr wert. Aber dass der Kapitalismus nur mehr auf Pump läuft, ist halt in der Phase, in die er jetzt eingetreten ist, so. Und da ist ja auch der unaufhebbare Widerspruch in der Verwaltung des Kapitalismus gegeben: Einerseits Schulden abbauen müssen, andererseits die Wirtschaftskreisläufe nicht abwürgen ...

Nun auch gleich zu dem 2. Teil deines Fragenkomplexes (Rückgang der Wirtschaftsleistung um 3,9% etc.):

Genau das ist ja der Kern meiner Argumentation: Auf einer stofflichen Ebene HÄTTEN wir vom Potenzial her (!!!!) genug für Alle! Nur dass dieses Potenzial innerhalb der gesellschaftlichen Form "Kapitalismus" erbracht wird und sich z.B. durch massive Einbrüche wie jüngst 2008-2009 eben nicht entfalten kann.

Da haben wir als Gesellschaft (nicht als Einzelindividuen) die Wahl:
Wahl 1: Nehmen wir den Kapitalismus als unveränderbar, also quasi als Naturgesetz hin, dann müssen wir halt schlucken, dass es uns unter Umständen immer schlechter geht (zugegeben, das die Entwicklung so laufen wird ist umstritten, da gibt es auch viele [Berufs-]Optimist/innen). Dies, obwohl auf einer stofflichen Ebene das Potenzial für ein gutes Leben vorhanden wäre, es aber nicht ausgeschöpft werden kann, weil die kapitalistische Systemlogik dagegen spricht.

Wahl 2: Wir versuchen anders zu Wirtschaften und so das Potenzial für ein besseres Leben auszuschöpfen (eben die besagten Produktivitätspotenziale) - zugegebenermaßen eine utopisch klingende Möglichkeit und auch nicht ohne Risiken, weswegen auch (noch) nicht viele Menschen diesen möglichen Zukunftspfad ins Auge fassen.

Ob aber dieses Risiko eines neuen Weges größer oder kleiner ist als das Beharren auf dem Bestehenden, hängt natürlich von der Lageeinschätzung ab. Sehen wir das ganze als den Dampfer, der nach einer kleinen Reparatur wieder flott wird, oder sehen wir das Schiff untergehen? Zu letzterer Einschätzung neige ich, weswegen ich der Meinung bin, wir sollten schauen, dass wir uns Rettungsflöße bauen und versuchen, nicht in den Strudel des untergehenden Schiffes zu geraten.

Liebe Grüße, Walther

mimenda, 2010-07-28, Nr. 4888

Sehr interessant, obwohl ich zugeben muss, nicht alles ganz verstanden zu haben.

Weil du die Blase ansprichst, die ja als solche Luftbuchungen an der Börse usw. bezeichnet, kam mir gerade der Gedanke: wenn man auf jede Transaktion 25% Börsensteuer erheben würde, wäre dann das Börsengeschäft ad absurdum geführt und zum Kollaps verurteilt, weil niemand zu wirklichem Geld machen könnte, was er noch gar nicht erwirtschaftet hat? Oder würde uns das in die Lage versetzen, unser Leben mit dem Blasengeld in dem Sinne rational zu gestalten, wie du es anführst?

rVk, 2010-07-28, Nr. 4889

Hallo Walther,
hallo Mimenda!

Ich möchte gerne einen Beitrag in die Diskussion um das Thema Blase und Werte einbringen.

Wert entsteht direkt durch menschliche Arbeit (Marx).
Indirekt kann daher Wert natürlich auch durch das Verpfänden von zukünftig geleisteter Arbeit entstehen.

Fallen jetzt Kredite aus, die durch menschliche Arbeit besichert sind, und zwar egal in welcher Anzahl und in welcher Höhe, so mag zwar der Eindruck entstehen, dass ein Einzelner oder ein Unternehmen Wert verliert. Das ist aber keineswegs der Fall. Im Gesamten gesehen wird kein Wert vernichtet. Weil erstens die zukünftig zu leistende Arbeit ja immer noch im Kreditnehmer drinnensteckt.

Und zweitens selbst für die Bank, die den Kredit scheinbar verloren hat, bleibt ein Wert bestehen. Wenn auch ein negativer, was für ein Unternehmen in der kapitalistischen Logik aber durchaus von Vorteil ist, solange es solvent ist.
Das nennt man Abschreibung von faulen Krediten und dieses Abschreiben passiert letztendlich auf Kosten der Allgemeinheit.
Der tatsächliche Wert, das verliehene Geld, existiert ohnehin weiter. Es ist ja noch immer im Umlauf.

Das ist aus meiner Sicht keine Blase.

Eine Blase ist meines Erachtens ein Spekulationsgebilde. Aufgebaut wird sie immer durch bereits bestehende Werte (z.B.:Immobillien), die aus den verschiedensten Gründen, aber natürlich immer zum Zweck der Wertvermehrung, plötzlich überbewertet werden.

Das heißt, es wird darauf spekuliert, dass die Spekulationsobjekte zukünftig mehr wert sein werden. Das geht allerdings nur solange gut, solange dieser Wert nicht realisiert werden muss. (Realisiert heißt in diesem Fall, in einen realen Wert umgewandelt werden muss oder einfacher gesagt, bezahlt werden muss.)

Das heißt, die Blase entsteht durch Spekulation, eine Wette auf zukünftige Marktgegebenheiten, im Gegensatz zum ersten Fall, der ja auf dem vertraglich fixierten Versprechen basiert, dass ich einen Teil meiner zukünftigen Arbeitskraft einem Kreditgeber überschreibe und damit gewissermaßen als Leibeigener der Bank unter Umständen mein restliches Leben verbringe.

Eine Blase ist also ein noch nicht realisierter Wert. Und so wie mimenda richtig vermutet, könnte die ganze Welt auf ewig und immer von und in einer Blase leben.
Blöd wird es nur dann, wenn plötzlich jemand auf die Idee kommt diese unrealisierten Werte zu realisieren, sprich zu Geld zu machen. Oder, wie es halt in der jetztigen Krise sehr oft der Fall ist, zu Geld machen muss.

Dann setzt eine Kettenreaktion ein und die Blase platzt. Und natürlich kann der Wert, den diese Blase beinhaltet, zerstört werden. Was aber nicht heißt, dass diese zerstörten Werte Irgendjemand tatsächlich verliert. Das sind reine Papierwerte.

Dagegen kann durch menschliche Arbeitskraft erzeugter Wert durch nichts vernichtet werden.

Ich behaupte: Einmal durch menschliche Arbeitskraft geschaffener Wert bleibt immer erhalten und kann nicht mehr vernichtet werden.

Daraus folgt, dass die Werte, wie wir sie derzeit täglich durch unsere Arbeit schaffen, uns selbst dazu verdammen, immer mehr zu arbeiten oder aber produktiver zu arbeiten, um die von uns gerade erschaffenen Werte erneut, und beinahe schon im Sekundentakt, wiederzuwerten, also zu vermehren.

Das wirklich Blöde dabei ist, dass wir in diesem Spiel nur das Kleinvieh sind, das sich gerade einmal die Werte produzieren kann, welche wir zur täglichen Reproduktion unseres bescheidenen Lebens brauchen, weil wir auf unsere Arbeitskraft angewiesen sind, die sich nun einmal nicht beliebig vermehren lässt.

Allerdings macht genau dieses Kleinvieh den Mist, der, aufakkumuliert, das Vermögen der Kapitalisten darstellt. Wir verheizen uns also in diesem System selbst und verteidigen das dann noch als unsere Freiheit.

All das Gesagte gilt nur für den Kapitalismus. Ob es einer Beurteilung durch Euch standhält, wage ich nicht zu sagen. Aber ich wollte ohnehin nur einen kleinen Diskussionsbeitrag liefern.

mimenda, 2010-07-29, Nr. 4891

Also, rvk, wenn ich dich richtig interpretiere:

"Blöd wird es nur dann, wenn plötzlich jemand auf die Idee kommt diese unrealisierten Werte zu realisieren, sprich zu Geld zu machen. Oder, wie es halt in der jetztigen Krise sehr oft der Fall ist, zu Geld machen muss.

Dann setzt eine Kettenreaktion ein und die Blase platzt. Und natürlich kann der Wert, den diese Blase beinhaltet, zerstört werden. Was aber nicht heißt, dass diese zerstörten Werte Irgendjemand tatsächlich verliert. Das sind reine Papierwerte."

Dann meinst du, dass für den Fall, dass man die Börsen zwingen würde, auf jede Transaktion eine saftige Steuer mit sofortiger Fälligkeit zu erheben, die ganze Blasenspekulation platzen würde!?

diana, 2010-07-29, Nr. 4892

Die Unternehmer sind doch genauso darauf angewiesen, Arbeitskraft zu kaufen wie die Arbeiter darauf angewiesen sind, sie zu verkaufen.
Es mag schon sein, dass die Unternehmer in „schwierigen“ Zeiten ihren Besitz belasten können...der DRUCK ist aber immer der gleiche.

rVk, 2010-07-29, Nr. 4893

@mimenda: Ja, das muss meiner Meinung nach bei der Einhebung einer Steuer auf Spekulationen passieren. Vor allem mit den von Dir vorgeschlagenen 25% wäre die Blase innerhalb weniger Stunden geplatzt. Du darfst ja nicht vergessen, dass Billionenbeträge jeden Tag gehandelt werden. Und von einer Billion ist 1% immerhin noch 10 Milliarden.

Wenn so eine Transaktionssteuer eingeführt wird, dann sind hier vielleicht 0,01% oder weniger angedacht. Doch das ganze System arbeitet zwar mit irrwitzigen Summen, aber mit scheinbar extrem niedrigen Margen, sodass selbst dieser verschwindend kleine Steuersatz von 0,01% es kippen könnte.

@diana: Wir sollten aufhören in Kategorien, Unternehmer oder Arbeiter zu denken. Es gibt diese 2 Kategorien zwar, sie befinden sich jedoch auf der gleichen Seite der Medailie. Arbeiter und Unternehmer sitzen in unserem System im gleichen Boot.

Die Schlacht oder noch besser der Krieg, der flächendeckend auf unserem Planeten herrscht, heißt nicht Arbeitnehmer gegen Arbeitgeber, sondern Mensch gegen das totalitäre, kapitalistische System.

HANS-PETER PIRKER, 2010-07-29, Nr. 4894

Hochverehrter Walther Schütz,
lieber Herr Magister,
verehrter Studentenkollege!!!

Das Geld ist ein Auslaufmodell der Dialektik von Vielschreibern, Dialektik, die, seit die große Bibliothek in Alexandria abgebrannt ist, von den Bruchstücken der Scheinbarkeit lebt.

Mit Geld ist nichts zu erwerben, mit Kapital nichts zu erhoffen, mit reinem Gewissen nichts zu bezahlen.

Ich gehöre einer Schule der autodidakten Verdrängungspolitiken der Maria Theresia an, die den militärischen Proporz als der Lehr- und Lernpflicht überreicht hat. Das komische an der Bildung ist, dass Lehrer und dass Lehrerinnen die Miliz und das Militär gleichermaßen lieben, also unreflektiert nach unten befehlen.

Also gehörte ich nunmehr, in diesem Satz, im Hier und Jetzt der Erfassung der Gedanken, ich höre nicht mehr, ich höre nicht mehr, weil die didaktische Pädagogen- und Pädagoginnenkompetenz in das Pädovielmeer scheißt.

Wenn auf einem Grabstein steht "Ein Lehrer stirbt nie", so steht an der Menschlichkeit Pforte das opalschimmernde Sätzchen "Wo du nicht, da ist kein Ort".

Wozu sind Kinder in ihrer ersten Jahre kreativ? Wozu, frage ich mich, seis um der choralen Spielbegeisterung wegen, seis um der Tränen, ich sag so:" Das erste Scheißhaus stinkt am Tiefsten.

Pensionen, die auf Vorteile für einzelne Kinder verteilt werden, dürfen nicht durch Bildung geschmälert werden. Die Rente ist ja e immer nur der Sex und das Mahl.

diana, 2010-08-02, Nr. 4900

>wer der auffassung ist, dass der kapitalismus zu der lösung großer "menschheitsprobleme" nicht in der lage ist, tut so, als sei das die aufgabe des kapitalismus.<
auzug: grundlagen der kapitalismuskritik

so hab ich es auch verstanden!

I love how Ludwig Vo, 2015-12-11, Nr. 6426

I love how Ludwig Von Drake is holding a book of Child Psychology. Disney seems prtety knowledgeable about that subject, or rather, how to exploit children. Great work though, really appealing.

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