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2007-09-06

Ein Schelm, wer Übles dabei denkt

Deutschland, peinlich Vaterland.

Ein Schelm, wer Übles dabei denkt

Krimi, der im Osten Deutschlands spielt. Tatort: ein Dorf. Protagonisten: zwei Türken mit Dönerbude, ein Vietnamese mit Imbissstube, ein korrupter Bürgermeister, ein paar alte Trottel vom Heimatverein, und viele junge Trottel in Springerstiefeln, mit Ledermontur und mit/ohne wenig Haare. Im Osten gibt's nur noch Trottel, Berlin ausgenommen. Aber nur wegen der Politik.

Ein hübsches Idyll. Fragt sich nur, wie lange es noch dauert, bis brennende Asylantenheime die Postkarten "von Drüben" zieren oder bis sie uns Wessies ein paar Glatzen im Ornat als Antwort des deutschen Ostens auf bayerische Trachten verkaufen? Seit fast 17 Jahren wird jetzt schon zurückmarschiert.

Also, da bekommt man ja als Südwestdeutscher fast schon Beklemmungen: Kaum denkt man da tatsächlich einmal an Ossies in der Nacht, ist man schon um den alltäglichen Albtraum gebracht.

Und dann zu allem Überfluss auch noch dieser überaus bezeichnende Zwischenfall in Mügeln. Man schämt sich ja mittlerweile geradezu für seine ostdeutschen Adoptivbrüder und -schwestern.

Wir haben die uns ja nicht ausgesucht, nein, die haben selbst immer gerufen: "Wir sind das Volk". Zuerst haben sie sich ja noch selbst mit gemeint, aber dann, Sie wissen ja, dann sind die einfach beigetreten, ohne dass man hier auch nur einen Menschen gefragt hätte.

Und jetzt zahlen wir schon seit fast 17 Jahren Soli und sonstiges für die Brüder da drüben. Die DDR ist schuld an den Rechtsradikalen, sagen ja einige konservative Politiker. Aber Berlin hatte ich ja ausgenommen, was die Trottel betrifft.

Obwohl, wenn man es recht bedenkt, kann man schon über die linken Gehirnwendungen zu einer solchen Einschätzung kommen. Die hatten da ja auch nur ein paar Vietnamesen und Kubaner, sonst waren die ja alle urdeutsch, also noch so altmodisch deutsch, wie im Westen vor dem Krieg.

Es gibt ja im Osten immer noch nicht sooo viele Ausländer, aber sie werden immer mehr, weil die Ostdeutschen abmarschieren, nach Westdeutschland nämlich und nach Österreich. In Westdeutschland will sie ja keiner haben, es sei denn, sie können Deutsch ohne zu sächseln, sie halten generell das Maul und arbeiten für wenig Lohn.

Und deshalb muss man ja schon einmal an dieser Stelle der Alpenrepublik ein herzliches Dankeschön sagen dafür, dass sie uns Wessies ein Ossie-Problem lösen hilft. Danke, liebes Österreich! Vielleicht schafft ihr es ja auch noch, unsere lieben Faschos, die bei euch arbeiten, ganz rasch umzudrehen, so quasi durch Ad-hoc-Umerziehung? Macht sie doch bitte einfach zu guten Deutschen da in Österreich. Da habt ihr doch Übung drin, gell?

Jedenfalls, in ein Land mit so lieblicher Natur, so hübschen Trachten, so netten Menschen, da passt einfach der Fascho weder an sich noch für sich hinein, der passt gar nicht ins Bild. Stellen Sie sich doch mal hier in Mainz, mitten auf dem Domplatz, so ne Glatze vor, die Wienerisch spricht? Also, wir würden uns ja alle schütteln vor Lachen, so einen könnt hier ja keiner ernst nehmen.

Denn wenn er dann aber mal die Pappen aufsperrt, der Austrofascho und nicht sächselt oder norddeutsch-näselt, dann entweichen dem ja so liebreizende österreichische Zwitscherlaute, wirklich, so einem Ton, das meine ich also bittschön ganz ernst, so einem Ton vergibt man ja noch den grausigsten Inhalt. Es klingt halt so lieb, so... so..., wie als könnt so ein Mensch mal überhaupt niemals je kein Wässerchen nicht trüben.

Wir Wessies, wir sind da schon anders, also gaaaanz anders. Wir hatten da zwar mal so ein oder zwei Vorfälle in Solingen und so, da gab's auch ein paar Tote, sehr ungut das damals, aber, nun, das ist erstens schon so ca. fast 15 Jahre, also bald zwei Jahrzehnte ist das schon her, also beinah schon ein viertel Jahrhundert. Und außerdem waren das ja nur ein paar Irre, von denen, die es überall gibt, verstehen Sie?

Was erzählen Sie da?

Bei Mainz habe es auf einem Weinfest auch einen ausländerfeindlichen Übergriff gegeben?

Also, das kann ich mir ja überhaupt nicht vorstellen.

Einen Angriff auf zwei Ausländer, sagen Sie!?

Achso, sie meinen den Neger, den sie da in Guntersblum plattmachen wollten! Achso, verstehe! Aber wissen Sie, das waren ja 6 bekannte Neonazis aus der Region, wie die TAZ berichtete. Also, die haben sich da auf dem Weinfest zusammengerottet und sich ein Opfer rausgegriffen. Es gab halt nur den einen Neger da.

Aber verstehen Sie doch, das sind die einzigen Trottel, die wir in der gesamten Region aufzubieten haben. Das können Sie Beileibe nicht mit der Situation im Osten vergleichen, da sind die anständigen Menschen ja schon in der Minderheit. Außerdem, ich meine, die TAZ hat auch wieder übertrieben oder wieder mal nicht richtig interpretiert, was da los war. Ist halt ein links-alternatives Blatt, da ist das so Usus.

Also wahr ist, dass die Glatzen, wie gesagt, aus der gesamten Region haben die sich da versammelt, bei einem Weinfest. Das muss man sich erst einmal geben, also Glatzen, die Wein trinken, wo gibt's denn so was? Die trinken doch nur Bier und Schnaps, aber doch keinen Wein. Die haben sie dahingekarrt.

Wer?

Weiß ich doch nicht, wahrscheinlich sind sie mit einem Sonderzug der Bahn gekommen. Also, wahr ist jedenfalls, dass die Glatzen den Schwarzen da aus dem Sudan eine Weinflasche auf den Kopf geschlagen haben. Der Sudanese war nämlich schon ein richtiger Ausländer. Aber, schauen Sie mal: der Kumpel von dem, der ihm zur Hilfe kam, das war ja ein Deutscher.

In Ägypten sei der geboren!

Ja, nun, aber was tut das denn zur Sache? Wir sind doch ein modernes Land, also bei uns kann man ja selbst dann Deutscher werden, sogar, wenn man in Ägypten geboren ist, oder etwa nicht? Nun, auf jeden Fall war dem sein Freund Deutscher, also mit deutschem Pass und allem. Und dann spricht die Presse gleich von ausländerfeindlichen Übergriffen. Es war doch nur EIN Ausländer, und überhaupt, immer dieses Aufbauschen. Das macht die TAZ bestimmt, weil die Macher in Berlin sitzen.

Wissen Sie aber, was die TAZ geschrieben hat über die friedlichen Leute auf dem Weinfest, die Einheimischen? Das muss man der ja nun andererseits hoch anrechnen. Denn, eins ist doch allemal klar: Weintrinker hauen keine Ausländer, das sind diese unkultivierten Bier- und Schnapssäufer aus dem Osten und dem Norden. Norden, ja, wenn ich's recht bedenk: Solingen, das liegt ja auch ganz schön weit im Norden, also mindestens 250 km. Und, Wein trinken die da auch nicht, das ist da so ne klassische Biergegend. Ja, verstehen Sie, was ich sagen will?

Aber, ich war ja bei der TAZ stehengeblieben. Also, wenn die so was schon schreiben, dann muss da was dran sein. So ein links-alternatives Blatt, das lobt da nicht einfach irgendwelche Leute, schon gar nicht im Zusammenhang mit rechtsradikalen Übergriffen.

Wo das stehe?

Warten Sie mal kurz, ich hab den Artikel da doch irgendwo, hatte ihn schon mal kurz angelesen. Ah, hier habe ich ihn. Also die TAZ schreibt zu den Vorfällen in Guntersblum:

    Anders als in Mügeln griffen in Guntersblum Bürger ein und trieben die Neonazis in die Flucht. Wieder andere riefen per Mobiltelefon die Polizei. Die sei "sehr schnell da gewesen", berichtete ein Winzer. Das rheinland-pfälzische Innenministerium lobte die Volksfestbesucher in Guntersblum.

Na, sehen Sie, so sind wir in Rheinhessen. Da kann man echt stolz drauf sein.

Ich soll weiterlesen?

Wieso, da steht doch gar nichts mehr, was von Interesse ist.

Was die TAZ sonst noch so schreibe?

Na gut, lese ich mal weiter vor:

    Antifaschisten hielten der SPD-Regierung von Kurt Beck vor, seit Jahren so gut wie nichts gegen das Treiben von Neonazis auf den Weinfesten vor allem in der Pfalz unternommen zu haben. Immer wieder mischten sich Rechtsextreme dort unters Volk, riefen ausländerfeindliche Parolen und fingen Schlägereien an. Längst seien viele Orte zu "Angstzonen" für alle Menschen geworden, "die nicht ins Bild der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft passen", heißt es in einer Stellungnahme des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Rhein-Neckar.

Ja und? Das sind doch die Antifaschisten, die machen doch immer aus einer Mücke eine Herde Elefanten. Das weiß doch ein jeder. Aber, wie ich ja gesagt habe, die mischen sich unters Volk, die sind es ja nicht selbst. Das Volk, das rheinhessische Volk denkt ganz anders, das hat damit gar nichts zu tun. Schauen Sie doch, wie die TAZ schreibt: Die haben die Neonazis in die Flucht getrieben, die Weintrinker.

Und außerdem reden die von den Weinfesten in der Pfalz, nicht von denen in Rheinhessen. Na, die Pfalz gehörte ja mal zu Bayern, da werden die diese Tendenz zum Rechten herhaben. Denen Pfälzern würde ich auch nicht über den Weg trauen, wenn ich's recht bedenk. Aber ich sag's ja, die TAZ, die bauscht alles auf. Da kann man also alles erwarten, nur eines nicht: eine objektive Berichterstattung. Sollen die erst mal schauen, dass sie mit ihrem Zores da in Berlin und Umgebung fertigwerden, bevor die hier über unbescholtene Landstriche herziehen und damit den Tourismus schädigen. Die haben doch selbst den größten Dreck am Stecken.

Da lob ich mir doch meine Bild-Zeitung, da kriegen immer alle ihr Fett weg, und das schönste ist, man hat gleich am nächsten Morgen schon vergessen, was am vorherigen Morgen die Titelseite war. Ist echt ein gutes Blatt, ist ja auch von Springer, der war ja früher der einzige, der "DDR" in Anführungszeichen schreiben ließ. Das wollen wir heute nicht mehr hören, haben wir vergessen, aber ich sag Ihnen eins: der Mann hatte Recht.

Ach, fast könnt man Westalgia bekommen bei dem Gedanken, wie schön und unproblematisch das Leben vor dem Mauerfall war. Da war die Welt noch in Ordnung. Da wär so was wie in Guntersblum nicht möglich gewesen. Ich sag ja, im Prinzip haben die konservativen Politiker in Berlin schon recht: Die DDR, ich meine: die "DDR" ist an allem schuld.

www.taz.de

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