          | 2004-02-11 NORMA in Klagenfurt Versuch über eine Inszenierung Wahrscheinlich die schönste Arie der gesamten Opernliteratur, die "Castadiva" ("Keusche Göttin, enthülle Dein Antlitz") ist zur Zeit (noch 2 mal) im Klagenfurter Stadttheater zu hören. Womit einst die Callas 1954 unter Tullio Serafin an der Mailänder Scala den lyrischen Sopran sozusagen neu definierte, gelangt auch in unserem kleinen Provinztheater auf das Ergreifendste ans Ohr. Guido Mancusi, der musikalische Leiter der Inszenierung, möge mich wegen meiner von "Callas-Aufnahmen verbildeten" Musik(un)kritik ganz lieb entschuldigen und Vincenzo Bellinis Norma sei allein aus musikalischen Gründen allen ans Herz gelegt, die sich einen Abend lang in schönstem, ja in allerschönstem Belcanto verlieren möchten.
Doch Vorsicht, Freunde! Es wäre nicht Dietmar Pflegerl, würde er es bei einem schönen, ans Herz gehenden Abend belassen. Es wäre nicht Dietmar Pflegerl, wenn hier eine werktreue Norma als keltische Priesterin im ersten nachchristlichen Jahrhundert auf der Bühne stünde. Eine starke, weil politsche Frau, die Pollione, den Anführer der römischen Widersacher ihres Volkes liebt und von ihm 2 Kinder hat. Einen Filou, dessen Liebe seit neuestem nämlich Adalgisa, einer, Norma unterstehenden Jungpriesterin gilt, wie die Alte mitten im Verlauf des Dramas von ihr selbst erfahren muss; und es also kommt, wie es kommen muss: Die Macht in Händen, Adalgisa und Pollione dem Tod zu überantworten, obsiegt im Ringen zwischen persönlicher Emotion und politischer Verantwortung die Pflicht durch selbstgewählten Tod gemeinsam mit dem treulosen Kindsvater.
Obschon natürlich die Römer schnell zu Österreichern und die keltischen Druiden rasch zu Italienern umgedacht werden können (das konnte nicht einmal die Zensur verhindern), sieht sogar ein Blinder, dass es sich in Bellinis (1801 - 1835) Original nicht wirklich um eine politische Agitationsoper des Risorgimento handelt. Dazu geht es Bellini zu sehr um den großen persönlichen Konflikt einer Frau, die zwischen sich und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu kämpfen hat. Ein Konflikt, wie geschaffen für den Geschmack der Zeit und den verismo der italienischen Oper des frühen 19. Jhdts.
Damit räumt Dietmar Pflegerl aber ganz tüchtig auf. Aus der keltischen Priesterin wird die Äbtissin eines Klosters im faschistischen Italien, aus den Druiden wird ein Haufen Partisanen, und die Römer mutieren zu Soldaten Mussolinis. Ein auf den ersten Blick reichlich provokanter Regieeinfall, wie auch so mancher bildungsbourgoise Besucher zu bedenken gab, dem die wahre Dimension des angewandten Kunstgriffes entgangen war, ja eigentlich entgehen musste.
Was ist nun das meisterhafte an dieser Transformation, welcher Norma bei Pflegerl unterzogen wird? Was hat sich am Kampf der Priesterin gewandelt in der Klagenfurter Inszenierung? Nun, die keltische Norma, die in ihrem Ringen zwischen eigenbestimmter Liebe und fremdbestimmter politischer Pflicht von letzterer erdrückt wird, gerät in Klagenfurt zu einer Frau, die auch ihre politische Position selbstbestimmt einnimmt und ihren Kampf gegen den Faschismus als Teil der Partisanenbewegung und damit aus ihrer ureigensten, innersten Überzeugung führt. Diese Norma ist ein Plädoyer für die Emanzipation der Menschen und gegen die Diktatur der Fremdbestimmung.
Damit macht Pflegerl aus Norma, was Bellini wahrscheinlich nie beabsichtigt hat: eine moderne (oder vielleicht besser: antimoderne) Agitationsoper. Eine Oper, die zum ideologischen Kampf rüstet, zum Kampf gegen den Faschismus und die Alternativlosigkeit seiner neoliberalen Vorläufer. Denn Faschismus ist hier bei weitem keine Metapher mehr, sondern ist genau das was er ist: Die zu Ende gedachte Diktatur der Fremdbestimmung. Und dieser Plan geht auf, nein er muss aufgehen. Denn dieser Kampf ist ein ideologischer Guerillakrieg. Und dieser "...ist ein Volkskrieg, ist ein Massenkampf. Diese Art von Krieg ohne die Unterstützung der Bevölkerung verwirklichen zu wollen, ist der Auftakt zu einer unvermeidlichen Katastrophe.", wie Che Guevara im Programmheft zitiert wird. Walther, 2004-02-11, Nr. 991
Bei dieser schönen Beschreibung bekommt sogar so ein alter Kulturmuffel wie ich Lust auf Theater.
Doch vielleicht solltest du allen nicht so mit R.Kurz vertrauten erklären, wie das mit modern - antimodern gemeint ist ...
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