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2004-02-19

MINIMUM - III

Textausschnitt aus „MINIUM“

Bisher erschienen in dieser Serie:
MINIMUM - I
MINIMUM - II

E

s war keine Kleinigkeit Zutritt ins Altenheim zu bekommen. Der Portier, ein sturer Kerl, der 90 Prozent seiner Arbeitszeit in seiner Loge verschlief, verweigerte beharrlich den Eintritt, weil weder Michor, noch Bleiweiß ein Verwandschaftsverhältnis zu Miroslav Tomec nachweisen konnte. Bleiweiß versicherte ein Großneffe zweiten Grades mütterlicher Seite zu sein, und es nützte auch nichts, als er dem Portier erklärte, dass das „c“ mit Hatschek in seinem ursprünglichen Namen in der zweiten Generation in Österreich durch ein „ß“ der Landessprache, als Deutsch, ersetzt wurde. Und außerdem, der Köter habe hier schon gar nichts verloren! Was sollten sie machen? Sie konnten nicht einmal in Erfahrung bringen, ob Tomec überhaupt noch unter den Lebenden verweilte. Bleiweiß und Michor zogen sich aus dem Vestibül wieder auf die Straße zurück.

„Herr Gott! Ich fahre mit Ihnen in dieses beschissene Kaff, damit mich dieser ignorante Portier abblitzen lässt! Und Sie stehen neben mir, als würden Sie nicht dazu gehören. Sie dürften bemerkt haben, dass ich keine Chance hatte. Dieser Idiot hat mich wahrscheinlich gar nicht verstanden! Wir werden Tomec nie zu Gesicht bekommen!“

„Bleiweiß, sei nicht so pessimistisch! Wir haben hier eigene Gesetze! Wieviel Geld haben wir noch?“

„Was, Sie wollen diesem Typ Geld geben?“

„Na sicher, er erwartet es sich. Das ist wie ein Spiel, verstehst du. Er will uns nicht ausnehmen. Er weiß, dass wir nicht viel haben. Nur ein paar Münzen!“

„Gut, Tomec ist Ihr Freund, also bezahlen Sie!“

„Wir sind eine Band, also bezahlst du! Ich habe nichts mehr!“

Bleiweiß zog seine Brieftasche und zählte Michor ein paar Münzen in die Hand, bis dieser mit einem Kopfnicken abstoppte.

„Das genügt, wir brauchen den Rest noch, um Miroslav hier heraus zu bekommen!“

Sie betraten erneut die Eingangshalle, und Michor legte drei Münzen auf die Ablage vor dem kleinen Fenster, durch das der Portier seine Auskünfte erteilte. Es entwickelte sich ein Gespräch, welchem Bleiweiß nicht folgen konnte, auf Grund der Gestik und Mimik sich jedoch ausmalen konnte, um was es ging. Michor legte ein paar weiter Münzen dazu, anscheinend noch nicht überzeugend genug, um zu passieren. Der Portier lächelte erstmals, Michor wurde leicht aggressiv im Tonfall, legte zwei weitere Münzen hin, sah dem Portier scharf in die Augen, deutete an das Geld wieder einzusammeln, und welch Wunder, die letzte Instanz vor dem Eintritt fasste mit der Hand durch die elliptische Aussparung im Fenster und raffte gierig das Geld zusammen, wobei er mit der anderen Hand deutete einzutreten in die heiligen Gänge der Altenversorgung.

„Also Tomec lebt noch,“ stellte Bleiweiß fest und inhalierte den seltsamen Geruch, der über den Flur zog, als Cocktail aus Urin, uraltem Frittieröl, billigem Rasierwasser, Desinfektionsmitteln, Verwesung, Moder und Bügelwäsche.

Eine doppelte Schwingtür führte sie in den Aufenthaltsraum, in dem an die fünfundzwanzig Greisinnen und Greise an Tischen saßen und irgend einer stupiden Tätigkeit nachgingen, oder einfach nur da hockten und warteten, bis sie ein Hirnschlag, Herzinfarkt, Alzheimer, oder die allseits beliebte Altersschwäche hinwegraffte. Tomec saß in einem Lehnstuhl und starrte durchs Fenster in die gegenüber liegende Fassade einer Fabrik. Michor näherte sich ihm auf einen halben Meter. „Mi-ros-lav, ich bin’s, Vaclav,“ flüsterte er, um ihn nicht zu erschrecken.

Keine Reaktion! Dann etwas lauter. Funkstille!

Bleiweiß ahnte Böses.

„Mi-ros-lav!“ brüllte Michor.

Tomec sah auf, drehte seinen Kopf auf die Seite, und als sich ihre Blicke trafen, erhellten sich diese starren, auf eine unverputzte Ziegelwand eingestellten Augen. „Vaclav?“ fragte eine zaghafte Stimme, die sich wahrscheinlich Monate lang nicht erhoben hatte, weil es hier nichts mehr zu sagen gegeben hatte, da es sinnlos gewesen wäre, gegen die miesen hygienischen Verhältnisse, das zu Matsch gekochte Essen, das unmenschliche Pflegepersonal, die Langeweile, das Bewusstsein, hier die Endstation seines Lebens erreicht zu haben, das Leben als solches zu protestieren.

Anstatt Tomec vielleicht zu fragen, wie es ihm gehe, fiel Michor gleich mit der Tür ins Haus.

„Ich spiele jetzt in einer neuen Band! Darf ich dir Mr. Bleiweiß vorstellen? Wir werden ganz groß rauskommen. Es sind andere Zeiten! Der Westen, der Westen, verstehst du Miroslav, der Westen, der Westen, Miroslav, der Westen wartet auf uns!“

Tomec nickte.

„Du bist mit dabei, Miroslav! Du, unser Bassist!“

Lassen Sie ihn,“ sagte Bleiweiß „er kapiert das nicht mehr!“

„Er versteht alles!“ schrie Michor zurück.

„Miroslav, dein Kontrabass, wo ist er?“

Tomec überlegte.

Auf was hatte sich Bleiweiß da eingelassen!?!

Tomec wusste nicht, wo er sein Instrument hatte, ob er es überhaupt noch hatte, welches er hatte, wer er denn sei, was man von ihm plötzlich wollte.

„Dein Kontrabass!“ ermahnte ihn Michor. „Wo?“

„Das wird nichts!“ warf Bleiweiß ein.

„Wird, wird, wird!“ geduldete ihn Michor.

„Dein Kontrabass, wo?“

Tomec zeigte unmotiviert mit seinem Zeigefinger in irgend eine Richtung.

„In seinem Zimmer!“ sagte Michor und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.

Er half Tomec aus seinem Lehnstuhl und geleitete ihn aus dem Aufenthaltsraum zu seinem Zimmer, das dieser von alleine fand, und wie sich herausstellte mit sechs weiteren Kollegen teilen musste. Und tatsächlich in der Ecke lehnte der Bass, der aussah, als hätte man ihn dazu missbraucht, über die Niagarafälle geschwommen, oder gestürzt zu sein, im Golfkrieg Querschläger abgewehrt, eine zünftige Speckjause darauf ausgerichtet, oder ihn als Steckenpferd jahrelang durch die Gänge und über die Stiegen geritten zu haben. Die vier Saiten waren wenigstens noch aufgezogen, obwohl an ihnen schon üppigster Grünspan blühte.

„Es hat keinen Sinn!“ sagte Bleiweiß scharf.

„Er macht mit, basta!“ darauf bestand Michor.

Michor nahm den Bass und Bleiweiß schnappte sich Tomec. So verließen sie diese Anstalt, in der Musiker nicht gerade artgerecht gehalten wurden. Der Portier schlief, Gott sei Dank, gerade in diesem Moment, in dem ein Insaße für immer verschwand, dessen Rente beigetragen hatte, dass unterm Strich mehr übrig geblieben war, als notwendig gewesen wäre, diese Stätte des zu erwartenden Todes funktionieren zu lassen.

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