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Norbert Trenkle

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2015-02-17

„Die so genannten westlichen Werte sind nur die andere Seite des Kulturalismus“

1. Obwohl kulturalistische Ideologien immer noch starken Anklang finden (Huntington, Bin Laden, Mikronationalisten, Neo-Antisemiten etc.) wird der Ruf nach polit-ökonomischen Erklärungen der derzeitigen Weltlage immer lauter. Hat der Kulturalismus ausgedient?

Leider nicht. Ich glaube nicht, dass wir Entwarnung geben können. Im Gegenteil: Je unerträglicher die Lebenssituation für die Mehrheit der Weltbevölkerung wird, weil der Kapitalismus sie im Grund für überflüssig erklärt hat, desto eher finden kulturalistische und religiös-fundamentalistische Ideologien einen Resonanzboden. Denn sie erklären die Welt in einfachen Kategorien von Gut und Böse, Freund und Feind, Richtig und Falsch und bieten daher Scheinsicherheiten in einer Zeit, in der alles aus den Fugen gerät. Es ist augenfällig, dass der Aufschwung dieser Ideologien sehr eng mit der weltweiten kapitalistischen Krise verknüpft ist. In den Ländern der sogenannten Dritten Welt begann dieser Aufschwung ja in den 1970er Jahren, als deutlich wurde, dass sich die Hoffnungen auf eine nachholende Modernisierung und eine gewisse ökonomische und politische Angleichung an die zentralen kapitalistischen Länder nicht erfüllen würden. In diesem Augenblick verloren die bis dahin hegemonialen befreiungsnationalistischen und sozialistischen Ideologien ihre Attraktivität und Glaubwürdigkeit. Im Westen setzte die gleiche Entwicklung ein wenig zeitverzögert ein, als auch dort die Krise immer spürbarer und Zukunftsperspektiven immer düsterer wurden.

Der Zusammenbruch des sogenannten Realsozialismus hat diese Entwicklung weltweit noch beschleunigt, weil nun der ideologische Gegenpart zur liberal-kapitalistischen Ideologie fehlte. Denn auch wenn man sagen kann, dass der Realsozialismus keine wirkliche Alternative zum Kapitalismus war, sondern nur eine bestimmte Variante staatlich organisierter nachholender Modernisierung, so waren an seine Existenz doch bestimmte ideologische Vorstellungen einer anderer Form von Gesellschaft geknüpft. Diese ideologische Lücke hat der Kulturalismus gefüllt. Statt von der Konkurrenz verschiedener Systeme (die so verschieden freilich nicht waren) zu sprechen, wird nun der „Kampf der Kulturen“ auf allen Ebenen propagiert und praktisch vorangetrieben.

2. Wie reagiert die Linke darauf? Was kann sie tun, um diesem Trend entgegen zu wirken?

Ein Teil der Linken hat seit den siebziger und achtziger Jahren einige sehr wichtige Beiträge zur Kritik und zur Dekonstruktion nationaler, ethnischer, sexueller und sonstiger scheinbar substantieller Identitäten geleistet. Theoretiker wie Foucault, Balibar oder auch Hobsbawm haben gezeigt, wie solche Identitäten im Zuge der Durchsetzung der modernen kapitalistischen Gesellschaft überhaupt erst konstruiert wurden und insofern alles andere als „ursprünglich“ oder gar „natürlich“ sind. Das ist ein ganz zentraler Erkenntnisfortschritt gegenüber der bisherigen Gesellschaftstheorie. Leider ging die Hinwendung zu diesem kulturellen Paradigma und zur Identitäts- und Ideologiekritik mit einer Vernachlässigung der Ökonomiekritik einher. Das rächt sich jetzt, wo sich angesichts der fortschreitenden kapitalistischen Krise ökonomische Fragestellungen wieder in den Vordergrund drängen, wie Sie ja schon erwähnt haben. Hier kommt jetzt die traditionelle Linke wieder zum Zuge, die den Kapitalismus auf Klassenherrschaft und Ausbeutung oder gar nur auf Imperialismus reduziert.

Das Schlimme ist, dass solche verkürzte Kapitalismuskritik durchaus mit Kulturalismus und Nationalismus kompatibel ist, etwa dort, wo unter der Überschrift des Antiimperialismus kulturelle oder nationale Identitäten gegen „die USA“ oder „den Westen“ in Stellung gebracht werden. Ein anderes Beispiel ist die Reduktion der Kapitalismuskritik auf eine Kritik an der Spekulation und den Finanzmärkten, wie es in Teilen der Antiglobalisierungsbewegung üblich ist. Das ist nicht nur sachlich falsch, weil die Finanzmarktspekulation nur ein Aspekt der umfassenden Ökonomisierung aller menschlichen Beziehungen unter der Herrschaft des Kapitalismus ist, nicht aber deren Ursache. Hinzu kommt noch, dass diese verkürzte Kritik häufig auch mit einem teils unterschwelligen teils offenen Antisemitismus einhergeht, der „die Juden“ mit dem Finanzkapital identifiziert und für alle Übel in der Welt verantwortlich macht.

Diese Tendenzen müssen scharf kritisiert werden. Die Linke stand einmal für gesellschaftliche Emanzipation. Wenn sie sich aber auf diese Weise mit dem Kulturalismus und den Antisemitismus vermengt, wird sie reaktionär. Ich sehe darin ein deutliches Zeichen dafür, dass die traditionelle Linke an ihre Grenzen gestoßen ist. Was daher ansteht, ist ein grundlegender Paradigmenwechsel in der Kapitalismuskritik.

3. Worin müsste denn dieser Paradigmenwechsel Ihrer Ansicht nach bestehen?

Grundlegend dafür ist zunächst die Einsicht, dass die Zwänge und Zumutungen des Kapitalismus nicht auf den Willen einer herrschenden Klasse oder sonstiger mächtiger Gruppen zurückzuführen sind, sondern dass sie aus seiner inneren, dynamischen Systemlogik resultieren. Diese Systemlogik hat sich gegenüber den Menschen verselbständigt und erscheint ihnen daher als „Naturgesetz“ obwohl sie ja in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine bestimmte Form gesellschaftlicher Organisation, die historisch spezifisch ist und deshalb auch überwunden werden kann. Im Kapitalismus treten die Menschen nicht direkt miteinander in Beziehung, sondern über den Umweg von Ware, Arbeit und Geld. Die Beziehungen der Menschen haben also eine sachliche Form angenommen und treten ihnen als scheinbar äußerliche Macht gegenüber, in der Form von „Sachzwängen“ die sie zwar selber geschaffen haben, denen sie sich aber unterwerfen müssen, solange sie nicht mit der kapitalistischen Logik brechen.

Marx spricht in diesem Zusammenhang vom Fetischismus der Warenproduktion. Was er damit sagen will, ist, dass die Menschen in der modernen Gesellschaft von ihren eigenen gesellschaftlichen Beziehungen beherrscht werden, statt über diese bewusst zu verfügen. Er wählt dabei übrigens bewusst eine religiöse Metapher. Denn die modernen Menschen sind den Zwängen der Warenproduktion, der Kapitalverwertung und der Arbeit wahrscheinlich noch stärker ausgeliefert, als alle früheren Gesellschaften ihren erfundenen religiösen Vorstellungen, Gesetzen und Tabus. Der kapitalistische Mensch glaubt an die Allmacht des Marktes mindestens genauso fest wie der Papst an den Heiligen Geist. Im Grunde ist der Kapitalismus eine zutiefst religiöse Gesellschaft wenn auch in der paradoxen Form der totalen Säkularisierung. Nehmen wir zum Beispiel den Fatalismus, mit dem der Zwang zum permanenten Wachstum akzeptiert wird. Obwohl jeder weiß, dass damit letztlich die Naturgrundlagen und also auch die menschlichen Lebensgrundlagen zerstört werden und gleichzeitig das soziale Elend auf der Welt nicht verringert sondern verschlimmert wird, fügt sich die kapitalistische Gesellschaft diesem Zwang, als ob er gottgegeben sei. Und das ist ja nur ein Beispiel von vielen.

4. Was bedeutet das für die bisherige linke Gesellschafskritik? Ist sie obsolet geworden? Was muss überwunden werden, was kann beibehalten werden?

Nun, beizubehalten ist auf jeden Fall das grundsätzliche Bestreben einer Aufhebung des Kapitalismus und einer gesellschaftlichen Befreiung von Herrschaft und Unterdrückung. Aber diese Perspektive muss neu definiert werden. Das handlungsleitende Ziel muss die Aufhebung der Warenproduktion sein, denn alle Zwänge und alle Formen von Herrschaft und Unterdrückung im Kapitalismus, sei es nun die Arbeit in der Fabrik, die politisch-militärische Eroberung oder die Unterdrückung der Frauen, lassen letztlich darauf zurückführen. Das Gleiche lässt sich auch von den Bewusstseinsformen sagen. Der Fetischismus der Ware ist nämlich kein äußerliches ökonomisches Phänomen, sondern eine umfassende gesellschaftliche Struktur, die das Denken und Handeln der Menschen ganz grundlegend prägt, etwa auch in der Gestalt von Nationalismus, Rassismus oder Kulturalismus. Diese Ideologien und Bewusstseinsformen sind Ausdruck eines Identitäts- und Abgrenzungsbedürfnisses, das überhaupt erst vom Kapitalismus produziert wird. Denn dieser isoliert die Menschen voneinander macht sie zu Konkurrenten und produziert permanent neue Ausschlüsse. Die Aufteilung der Welt in Nationalstaaten hat dabei übrigens eine ganz wichtige Rolle gespielt. Auch wenn sich der Kulturalismus auf angeblich „ursprüngliche“ Werte und Traditionen beruft, ist er insofern ein durch und durch kapitalistisches Phänomen und keineswegs antikapitalistisch.

Aber auch der abstrakte Universalismus der sogenannten westlichen Werte, auf die sich die Linke immer positiv bezogen hat, ist Ausdruck des kapitalistischen Logik und ihrer Zwänge. Die westlichen Werte sind im Grund ein ideologischer Reflex des praktischen Universalismus der modernen Warenproduktion, die den inneren Drang besitzt, sich die gesamte Welt zu unterwerfen und zum Material der Kapitalverwertung zu machen. Insofern sind die westlichen Werte nur die andere Seite des Kulturalismus. Beide gehören untrennbar zusammen ( wie ja auch Huntington und Bush beweisen) und müssen daher gemeinsam überwunden werden.

5. Was könnte getan werden um die konstruierten kulturalistischen Feindschaften zu überwinden und einen Krieg zu verhindern? Welche Rolle könnten die Türken dabei spielen?

Auf der Ebene der Theorie ist es wichtig, den inneren Zusammenhang des Zwillingspaars von Kulturalismus und westlichen Werten mit der Grundstruktur der warenproduzierenden Gesellschaft zu erkennen und die Identitätskonstruktionen zu kritisieren. Auf der praktischen Ebene stellt sich überall auf der Welt grundsätzlich die Aufgabe sich gegen jede Ethnisierung der sozialen, ökonomischen und politischen Konflikte wenden. Konkret bedeutet das natürlich in jedem Land und in jeder Region etwas anderes. In Deutschland heißt es beispielsweise, den Rassismus zu bekämpfen, der sich gegen die Einwanderer, vor allem auch gegen türkische Einwanderer und Muslime richtet. In der Türkei kenne ich mich zu wenig aus, aber allgemein gesagt kommt es auch hier darauf an, sich den zunehmenden ethnizistischen und fundamentalistischen Tendenzen entgegen zu stellen, weil sie schlicht und einfach anti-emanzipatorisch sind. Eines sollte jedenfalls klar sein: Eine Überwindung des Kapitalismus setzt eine soziale Emanzipationsbewegung voraus, die von vorneherein transnational ausgerichtet sein, eine Bewegung also, die sich solidarisch über alle vom Kapitalismus definierten Grenzen hinwegsetzt.

Übernommen v. Krisis - 31.12.2005: www.krisis.org/

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Great comments. I ha, 2015-09-26, Nr. 6381

Great comments. I have used Twitter with my uuanrgradedte teaching students to show them one way of networking with other colleagues, getting ideas for their use of technology in the classroom and as another way of socialising. All students of the "net-gen" they all used facebook but were quite dismissive of Twitter - until I showed them how I used it, and some of the great resources I has found as a result. I am working on other ways of incorporating Twitter into my distance education classes - mainly as a tool for students to be able to socialise, although this may create problems - not quite sure yet how to frame this sort of activity. (Or if I should try!)I use Twitter to find resources, network with other educators, and summarise ideas and thoughts during conferences. It is always interesting to follow the informal flow of a conference via Twitter as a comparison to the formal conference itself.I loved the post about Twitter being the coffee. Great analogy - I will use that! For me, I think technology just enhances our human-ness (both good and bad aspects). No matter what sort of technology it is, we will use it to fulfill basic human needs. So the need for social connection produces twitters. I am certainly interested in the work being done in the area of online social capital - twitter should prove an interesting study in this area.

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