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Andreas Exner

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2013-04-03

Wozu Entwicklung?

Tanzania, das Kupfer, und ein Ende des Kapitalismus

Entwicklung war eine große Erzählung. Zu groß. Noch bis vor Kurzem galt ihr alles. Nachhaltig sollte sie sein, ein Segen für die Menschheit. Während die EU zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank ihre Ränder kurz und klein schlägt, verdampft die dünn gewordene Suppe der Entwicklung vollends.

Nun scheint Entwicklung von einer hohlen Phrase in das Traumreich der vergessenen Worte überzuwechseln. Schon seit geraumer Zeit spricht die Weltbank ja weniger von Entwicklung, sondern vielmehr von Armutsreduktion im globalen Süden. Die neoliberale Strukturanpassung der 1980er Jahre, ein fortlaufendes Projekt ohne Ende, heißt heute einfach anders. Spätestens seit dem Zusammenbruch der UdSSR hat der Kapitalismus im Grunde das Versprechen einer nachholenden Entwicklung unter dem toten Gewicht der Milliarden inhaltsloser Zahlen so genannten Werts begraben, die sich „verwerten“ sollen und dies nur mehr unter zunehmenden Menschenopfern zustande bringen.

Dennoch spukt die Entwicklung noch herum, in den Entwicklungsländern, in der Entwicklungshilfe, in der Entwicklungspolitik. Unter so viele Anführungsstriche kann man das Wort freilich gar nicht mehr setzen, dass es noch einen Reim auf etwas Vernünftiges macht.

Wie dem Bannkreis von Entwicklung entkommen, zur Befreiung ins Hier und Jetzt?

Das Entwicklungsbedürfnis

Woraus entspringt das Entwicklungsbedürfnis, das uns nicht aus dem Kopf will? Fragen wir, was man darunter landläufig versteht, so meint man wohl irgendeine Art der Verbesserung des Lebensstandards. Worin aber besteht diese Verbesserung genau? Hier schon beginnt die Schwierigkeit und es enthüllt sich etwas. Im Folgenden will ich einige Thesen präsentieren, was Entwicklung eigentlich ist, und warum sie uns gefangen hält wie eine fixe Idee.

Das Entwicklungsbedürfnis ist eine schein-natürliche Ideologie des Niemals-Ankommens, des „Never-Catch-Up“ und entspringt einem Paradox: Ausbeutung generiert Reichtum auf der einen, Armut auf der anderen Seite, und zwar als eine relative soziale Position. Armut bemisst sich immer im Verhältnis zu einer Gruppe, die nicht arm ist. Ein bescheidenes kollektives Leben wäre keine Armut sondern ganz einfach das Leben selbst. Die arm Gemachten, in ihrem Streben die Kluft zu schließen, die sie von den Reichen trennt, eine Kluft, welche die Ausbeutung ihnen setzt und die sich beständig vergrößert, verlangen nach Entwicklung; zumindest nach einer längeren Geschichte der Ausbeutung. Nicht alle „Armen“ wollen Entwicklung, denn da gibt es zum Beispiel jene, die kaum mit der globalen Stufenleiter des abfallenden Reichtums in Kontakt gekommen sind; es gibt sie, immer noch.

Das Entwicklungsbedürfnis setzt jedoch gerade eine Fortführung der Ausbeutung, also seine eigene Ursache, in noch größerem Maßstab voraus. Das ist ein Problem. Denn so kann es grundsätzlich nicht befriedigt werden. Dies deshalb, weil es eben Ausbeutung voraussetzt und damit die soziale Ungleichheit, deren Schere zu schließen es vorgibt und auch anstrebt. Entwicklung ist wie eine Karotte vor dem Esel, der den Karren der feinen Herren zieht.

Entwicklungshilfe als Versuch dieses Entwicklungsbedürfnis zu stillen muss versagen. Denn entweder sie ist eine Unterstützung der Ausbeutung oder aber sie verteilt schlicht die Güter und Dienste der Ausbeuter. Diese aber vertrocknen in einer Situation, wo Ausbeutung nicht einen eigenen Kreislauf von Wachstum bildet, wie ein Windschutzstreifen in der Wüste, oder wird von der „Ökonomie der Beziehung“ überwuchert wie landwirtschaftliche Hochleistungssorten vom Unkraut in einem von Pestiziden verschonten Acker.

Dass Ausbeutung einen eigenen Kreislauf von Wachstum bildet, ist offenbar keine triviale Angelegenheit, mal ganz abgesehen von den Menschenopfern, die dies involviert.

Eine Geschichte der Wiederholung

Wer sich mit einem Entwicklungsland befasst und seine Geschichte von den Anfängen der Kolonisierung bis in die Jetztzeit analysiert, erstaunt ob der endlosen Wiederholungen der immer gleichen Ideologie der Entwicklung. Sie verändert mitunter ihre Form, nicht aber ihren Inhalt. Nehmen wir den Fall von Tanzania, nur als Beispiel. Das Staatspersonal beklagt sich über die rückständige und träge Bauernschaft, die zu dumm ist oder zu faul um das für ihr Wohl Beste zu erkennen. Was die Bäuerinnen und Bauern denken erfährt man selten.

Diese Dynamik war von den etwas weniger blutigen Phasen der deutschen Kolonialperiode über die britische Herrschaft, insbesondere in ihren letzten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg dieselbe wie nach der Unabhängigkeit 1961, vom so genannten Afrikanischen Sozialismus, der in die Zwangsumsiedlungen der 1970er Jahre mündete über die neoliberale Strukturanpassung bis zu den Poverty Reduction Strategy Papers der Gegenwart. Immer sind es die Eliten, die es besser wissen als die Masse der Bauern, denen zu helfen ist, die nichts können aus eigener Kraft, denen man den Weg weisen muss, und sei es mit Gewalt. Was denken diese Bäuerinnen und Bauern, diese in den Publikationen der Weltbank, den Reden des ehemaligen Präsidenten Julius Nyerere, den Berichten von Entwicklungshilfeorganisationen träge, sprachlose Masse? Wo sind ihre Träume, was wollen sie im Leben? Man schließt von sich auf sie, meint sie zu kennen. Wollen sie Entwicklung?

Gutes Leben statt Entwicklung

Ich wage eine These. Entwicklung fruchtet nicht, weil sie eine Angleichung der Lebensqualitäten in einem System anstrebt, das gerade eine fundamentale Ungleichheit der Lebensbedingungen setzt. Entwicklung ist genau deshalb erstaunlich resistent. Die Ungleichheit erzeugt den Wunsch zu den Reichen aufzuschließen, es ihnen gleich zu tun.

Entwicklung wird seit den 1980er Jahren immer wieder totgesagt, aber nie wirklich begraben, weil das System, das diese Idee aus sich hervortreibt, nicht begraben werden soll. Der wirkliche Abschied von Entwicklung bedeutet gerade, die Ausbeutung zu beenden, die Armut wie Reichtum als unversöhnliche Gegenpole menschlicher Erfahrung setzt.

Der wirkliche Abschied von Entwicklung wirft eine Menge von Fragen auf, die wir nur erahnen können, solange von einem Ende des Entwicklungsbedürfnisses nicht die Rede sein kann. Er wirft die Frage auf, was überhaupt von dem, was heute reich zu machen scheint, in eine Welt jenseits der Ausbeutung transferiert werden kann. Die Frage wird zumeist zu einfach gestellt. Man denkt sich, diese oder jene Technologie sei irgendwie frei von Herrschaft, die sie erst erzeugt hat. Oder man denkt sich, diese oder jene Technologie sei eben von Grund auf neu zu konstruieren, um der herrschaftlichen Prägung zu entgehen.

Man sucht das Heil in Fabbern, Open Source Ecology und so fort. Nicht dass dies nicht verfolgenswerte Wege sind um Neues in die Welt zu bringen. Doch sind Zweifel angebracht.

Die Kunststoff- und die Kupferfrage

Wer wird den Fabbern Kunststoff liefern, wer den Traktoren der Open Source Ecology Metalle? Wer überhaupt der allseits so geschätzten modernen Infrastruktur der Kommunikation das Kupfer, den Computern all ihre bergbaulich gewonnenen Innereien, die, krasser geht’s kaum, einer von der Welt entbundenen Geistigkeit als „immateriell“ gelten?

Wer sind diese Menschen, die dafür arbeiten sollen? Wo sollen sie herkommen? Kennen wir sie? Der Einwand hat Gewicht, dass in einer Gesellschaft ohne Ausbeutung alle möglichen Tätigkeiten, die heute noch verhasst wie die Pest sind und eine einzige Hölle, zur gesuchten Bewährungsprobe werden könnten, zu einer das Leben bereichernden Erfahrung.

Aber gilt dies wirklich für die Maloche in einem Kupferbergbau in Hitze und Trockenheit, umgeben von Staub, Maschinenlärm und Hässlichkeit? Gilt dies überhaupt für den Bergbau mit all seinen kaum bewältigbaren ökologischen Folgen, die sicher nicht verschwinden, nur weil Bergeschlämme dereinst vielleicht post-kapitalistisch angehäuft würden – wenn dies überhaupt möglich wäre, weil die von ihnen betroffenen Leute Büros mit Computern ihrer Subsistenz vorziehen, was zumindest nicht ganz umstandslos vorauszusetzen ist.

Recycling, ja, das wäre möglich und es ist in der Tat vielfach bereits Realität.

Wer aber wird die Hälfte allen überhaupt auf der Erde existenten Kupfers, inklusive des noch unter ihrer Oberfläche vorhandenen, das die moderne Infrastruktur der digitalen Kommunikation im globalen Norden bildet, in den Süden transferieren? Das wäre in etwa nötig, um den globalen Süden dem Norden rohstofflich gesehen ein wenig anzugleichen und den „digital divide“, nebst einigen anderen Klüften, etwas zu schließen. Dabei käme immer noch kein gleicher Pro-Kopf-Bestand an Kupfer heraus, denn die Zahl an Menschen im Süden ist bei weitem größer als die der Leute im globalen Norden.

Was bliebe dann von der geschätzten „immateriellen“ Kommunikation im Norden über? Oder möchte man wirklich noch weiter Bergbau verantworten? Wenn ja, vor wem, und wie, mit welcher Fähigkeit zur Antwort auf die Schäden, die das involviert? Und selbst wenn: ein Metall wie Kupfer, das sich wahrscheinlich bereits jenseits oder nahe des Gipfelpunkts der Förderung befindet, wird niemals mehr genausoviel hergeben wie es aus der Erde geholt und vor allem im Norden festgelegt worden ist. Und auch die geringere Menge, die nach dem Fördergipfel noch zu gewinnen ist, kann nur unter bedeutend steigenden Aufwendungen an Energie, Stoff, und Umweltschäden gewonnen werden.

Sicherlich muss man eine erhebliche Migration von Menschen aus dem Süden in den Norden unterstützen. Das ist zumindest ein kleiner Beitrag zum Ausgleich historischer Schuld. Doch würde sich, ins Extrem getrieben, damit auch nur die schon lange bekannte strukturelle Ungleichheit zwischen Stadt und Land auf interkontinentalem Maßstab wiederholen.

Die Kunststoff-Frage ist die eine: man sieht geradezu Hektar um Hektar vor sich, zu Tausenden, von Biomasse für den rein stofflichen Bedarf; die Frage ist, wo liegt die Grenze und wer wird das alles anbauen wollen, wer wird sich an solcher Tätigkeit wirklich erfreuen können? Die andere ist die Kupferfrage. Dort steckt vielleicht noch mehr Sprengpotenzial.

Ein Abfallexperte auf einer Tagung zu strategischen Metallen sah das klar. Suffizienz, das Prinzip des Genug, das sei ihm recht sympathisch. Auch mein Plädoyer für soziale Gleichheit finde er recht nett. Nur der Mensch sei einfach so, der will ein Handy, wenn es andere haben. Er selbst verzichte ja gern auf das Auto. Aber das Handy, nein, das gebe er nicht her.

Angemerkt sei hier nur, dass mein Plädoyer nicht auf Verzicht hinausläuft. Viel eher sollte man sich fragen, worauf wir im Rad der Warenproduktion eigentlich verzichten. Ein Investitionsverzicht ist vielmehr angesagt, denn die Investition bestimmt den Verbrauch. Dennoch erfolgen Investitionen nur in Erwartung des Absatzes von Waren im Konsum. Solange der letztere mit Zähnen und Klauen verteidigt wird, anstatt Gemeingüter zu schaffen und soziale Gleichheit zu ermöglichen, ist folglich ein Netto-Investitionsstopp nicht denkbar.

Nun sind Kupferkabel aber nicht nur der recht irdische Träger immaterieller Datenströme, der auch nicht leicht durch Glasfaser und Aluminium für all die Anwendungen heute zu ersetzen ist, wie ein Blick in die Literatur dazu zeigt. Sie sind auch erstarrte Herrschaft, die sich in metallische Strukturen gegossen hat, die dem Kommando über Ressourcenströme dienen, dem Austausch von Informationen, derer andere schlicht entbehren.

Das Kupfer ist dabei nur ein Beispiel unter anderen. Es gilt zumindest auch für die Massenmetalle Kadmium, Chrom, Gold, Blei, Nickel, Silber, Zinn und Zink, ohne die moderne Infrastruktur nicht zu denken ist, und die den Untersuchungen von Werner Zittel zufolge sich wahrscheinlich ebenfalls an ihrem Förderpeak befinden.

Häresien

Was eigentlich ist so schlimm an einem Leben mit einer weit geringeren Zahl an Computern, gar ohne Handies? Man ist entsetzt, Primitivismus lautet das Schlagwort, das dafür bereitsteht. Nein, Technologien können auch ganz anders sein, grüner, schöner, netter.

Doch sind Computer wirklich in sozusagen handwerklichen Kooperativen zu erzeugen? Kann das ohne Zwang geschehen, ohne Herrschaft? Die Frage sei erlaubt.

Sicherlich, Technologien prägen den Menschen von Anbeginn seiner Evolution. Hier gibt es ein breites Band an Möglichkeiten zur Auswahl. Sicherlich auch ein gutes Stück an weiteren Verbesserungen, oder einfach Anpassungen an sich verändernde Bedürfnisse.

Robert Kurz wagte einmal die Frage zu stellen, was eigentlich an den technologischen Neuerungen der letzten Jahrzehnten wirklich neu sei, die Lebensqualität wirklich verbessere. Man darf ihn darin nachträglich unterstützen. Die Musik, um ein Beispiel herauszugreifen, befindet sich ruhigen Gewissens auf dem Niveau der 1950er Jahre. Die elektrische Gitarre etwa hat sich seit Jahrzehnten nicht wesentlich verändert, geschweige denn verbessert. Der schärfste Sound kommt immer noch aus der Röhre. Und wer den Unterschied zwischen Langspielplatte, leider aus Erdöl, und CD nicht hört, der ist wohl wirklich ein Banause.

Das soll nicht abstreiten, dass ein Soundcomputer, über den nicht wenige heute auch die Gitarre spielen, und doch häufig nur den Sound der Röhre simulieren, neue Möglichkeiten des Klangs eröffnet. Allerdings ist sicherlich kein Zufall, dass diese Möglichkeiten heute zu keinen musikalischen Neuerungen mehr Anlass geben. Im Grunde alles bereits dagewesen. Jimi Hendrix, György Ligeti, Sun Ra und Mr. Moog. Die 1960er und 1970er lassen grüßen.

Die digitale Kommunikation hat die Lektüre wohl verändert. Aber hat sie uns klüger oder wissender gemacht? Die Aufnahmekapazität für Informationen, und das hat noch nichts mit Wissen oder Wissenschaft zu tun, ist mit Sicherheit beschränkt. Was digitale Kommunikation erreicht ist eine andere Art des Wissenszugangs, nicht immer nur zum Vorteil, will man meinen. Übrigens heißt eine hier gedanklich in Aussicht gestellte Schrumpfung dieser Form der Kommunikation keineswegs, dass sich alte, nicht mehr existente Formen der Lektüre und Wissensproduktion wiederherstellen würden. Das ist wohl gerade der Fehler eines wirklich primitivistischen Ansatzes. Die Gesellschaft geht niemals an einen früheren Punkt zurück.

Von den Menschen ausgehen. Oder: Wenn Menschen aufeinander zugehen

Wenn ich über eine herrschaftsfreie Gesellschaft spreche, so rede ich wie ein Blinder von der Farbe. Die anderen Blinden fragen mich: Was wird aus unserem Kaffee? Was aus unseren Handies? Dazu kann ich nicht viel sagen, aber eines weiß ich: Niemand wird dazu gezwungen sein, mir Kaffee anzubauen oder Handies zu beschaffen, oder, meinetwegen, Saiten für die Gitarre, die ich spiele oder gar diese selbst. Wer das nicht akzeptiert, ist, so leid‘s mir tut, ein Feind; der Menschen. Dass das nicht schlagend wird, hat seinen einzigen Grund darin, dass keine Bewegung existiert, die irgendeine wirksame Konsequenz aus diesem Umstand zieht.

Und wirklich: Man möchte fast verzweifeln an besagtem Umstand, nicht nur, dass es niemanden wirklich stört, jenseits sonntäglicher Bedenken, sondern auch dass man sich vor die Wahl gestellt sieht auf die gesamte soziale Welt zu verzichten oder sich auf eine Position mehr oder weniger bequem zurückzuziehen, die dem entspricht, was man beklagen nennt.

Andere gingen in den Untergrund.

Zurück nach Tanzania. Wer wird den Bäuerinnen und Bauern dort Entwicklung bringen, wenn es keinen Kapitalismus mehr gibt, keinen Staat, der aus ihnen Steuern schöpft? Was werden die Bäuerinnen und Bauern dort eigentlich wollen, wenn die Rohstoffe aus dem benachbarten Kongo oder von sonstwo her über den Umweg Chinas oder Europas nicht mehr ihren Einzug als Handies noch in abgelegene tanzanische Dörfer finden?

Werden Menschen aus Europa in Scharen nach Tanzania strömen und endlich das aufbauen, was nach menschlichem Ermessen vor allem auf einem baut: auf Ausbeutung, einem Tun, das Andere kommandieren, zum Nutzen Anderer, die selbst nicht wissen wozu eigentlich?

Vielleicht könnte man von Venezuela lernen, ein leichteres Exempel freilich, nicht zu vergleichen mit dem den westlich-kapitalistischen Normen gegenüber so derart sperrigen „Fall Afrika“, das zwar längst zu einer totalisierten Marktwirtschaft eigener Art geworden ist, aber doch nicht und nicht Entwicklung zeigen will. Ja, sicherlich, in Venezuela ging das voran, unter Chavez: eine Verbesserung der Ernährungslage, mehr von dem bitter nötigen Konsum für die Masse der arm Gemachten. Der Einwand, das beruhe doch alles nur auf den staatlichen Erdöleinnahmen ist zwar überzogen, aber auch nicht ganz falsch. Vor allem beruht es auf einer Weltwirtschaft, die definitiv vom Erdöl abhängt. Was aber nach Peak Oil?

Stelle ich hier einfach zuviele Fragen? Vielleicht. Mein Ansinnen freilich ist dabei nicht, die Zukunft im Voraus zu ergründen. Keineswegs ist auszuschließen, dass Leute ihren Sinn und ihre Freude darin finden, Tiefseekabel zu verlegen. Mein Ziel jedoch ist zu ergründen, wie man sich wohl vernünftigerweise dazu verhalten soll: zur Entwicklung.

Eine praktische Konklusio, als Versuch: Unterstütze kein Bestreben, das von einem Plan der Verbesserung der Lebensbedingungen anderer Menschen ausgeht, den nicht diese Menschen selbst aufgestellt haben und auszuführen in der Lage sind, und zwar auf gleicher Augenhöhe mit Dir und anderen. Was das wohl in Tanzania heißen würde?

Nun, dazu müssten diejenigen, die das interessiert, die Leute dort erst mal fragen, und nicht nur die mit Stimme und mit Fahrrad, sondern auch die, die ihr eigenes Feld kaum bestellen können, weil sie, um nicht zu verhungern, auf denen der Reicheren, die in unseren Augen immer noch hoffnungslos arm sind, arbeiten müssen. Oder umgekehrt: Es gälte abzuwarten, ob eine Frage von dort uns erreicht. Und wenn es ein Mensch ist, der ein besseres Leben in dem Land sucht, wo die Früchte seines Landes landen, dann wäre er schlicht aufzunehmen.

Vielleicht wäre das eine gute Antwort auf Entwicklung.

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willi uebelherr, 2013-04-07, Nr. 5922

lieber Andreas,

du bist selbst gefangen in deinem system von aussen gesetzter kriterien und begrifflichkeiten. und so versuchst du nun, deine eigenen schwierigkeiten, ein eigenes weltbild entstehen zu lassen, das auf deinen eigenen prinzipien sich gruendet, das deine eigenen erfahrungen und erkenntnisse zum ausgangspunkt macht, zum absolutum zu erklaeren.

"die Ueberwindung der selbstverschuldeten Unmuendigkeit" hat I. Kant als antwort auf die frage gegeben, was ist "Aufklaerung".

aus deiner "sklavenperspektive" wirst du niemals in der lage sein, selbstaendig, selbst urteilsfaehig zu werden, um es zu sein. in deiner orientierung an dem von aussen gesetzten bleiben dir die inneren verstaendnisse verschlossen.

entwickeln hat etwas zu tun mit ent-wickeln. damit ist klar, dass der raum immer sich aus dem existenten heraus ent-wickelt. das setzt allerdings voraus, dass wir sehr nahe an dem sind, was wir als potential zur entwicklung verstehen.

Entwicklung ist ein prozess aus einem widerspruch. aus der spannung zwischen dem Sein, dem jatzt und dem Sein-wollen, dem morgen. diese prozesse sind universal. es ist teil der Dialektik des Seins.

wir kennen Lebewesen, die seit 4 millionen jahren sich nicht wesentlich veraendert haben. die Zecken, die Ameisen, die Kakerlaken. es gibt bestimmt noch viele andere. und wir finden stetig neue tierarten, die sich aus der veraenderung als ergebnis der anpassung sich herausbilden.

die Evolution ruht darauf. uns sie ist prae-dominant. ihre innere logik ist nur den inneren kraeften der stofflichkeiten unterworfen. nicht unserem bewussten tun. sie findet in unserem unterbewusstsein statt. und sie agiert permanent. und dies auch in unserem denken. wir konnen uns ihr verschreiben, mit ihr in eine aktive beziehung treten, wenn wir wollen und uns nicht mit denkblockaden ueberladen.

teil unserer entwicklung ist es eben auch, die begriffshoheit zu uebernehmen, die entwicklungsbedingungen zu benennen, die gestaltung unserer lebensbedingungen zu tragen. "autonome Subjekte" zu werden. eigenbestimmt im kooperativen verband. aktive teile neuer lebensraeume zu werden.

und dazu ist es nicht notwendig, auf allgemeinplaetze auszuweichen, erst mal zu fragen, wie wir die aussagen unserer lehrer und fuehrer zu interpretieren haetten. das ist kindergarten, infantile schule zur glaeubigkeit.

wir stehen zu den naturgesetzen, zur inneren gesetzlichkeit des lebens. und gestalten unsere umgebung mit dem ziel, eine vollstaendige uebereinstimmung herzustellen. wir stehen positiv zur "Dialektik des Seins" und damit auch dazu, uns zu ent-wickeln. so, wie wir es fuer richtig erachten. insofern souveraen zu werden, autonom, selbstaendig.

und wir tun dies auf allen ebenen unseres Seins, in allen auspraegungen. auch im bereich der technik. vielleicht sogar vorallem dort, weil dort die grosste verdichtung von dummheit, nicht wissen wollen, herrscht. mit Robert Kurz kannst du keinen aufgeklaerten menschen hinter dem Ofen hervorholen. ueber die geschwaetzebene ist er nie hinaus gekommen. er hat das geschwaetz zum selbstzweck erklaert. moege er in frieden ruhen. wir koennen ihn getrost ruhen lassen.

mit lieben gruessen, willi (uebelherr)
wube@gmx.net
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