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2012-08-27

ERINNERUNGSKULTUR IM WANDEL

Das Rot-Weiß-Rot Buch

Im Sommer 1946 erschien im Auftrag des Bundeskanzleramtes das „Rot-Weiß-Rot Buch“. In diesem Buch ging es vor allem darum, sowohl innenpolitisch als auch außenpolitisch, die Leitlinien festzulegen um von den Alliierten als Opfer und als befreiter Staat anerkannt zu werden.

Dem entsprechend heißt es in diesem Buch: „Besondere Bedeutung kommt dem Zeitraum von der Machtergreifung Hitlers bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges zu. Die Beurteilung dieses Zeitraumes und insbesondere des in diesen Zeitraum fallenden Anschlusses steht in der Weltöffentlichkeit auch heute noch vielfach unter dem Eindruck der seinerzeitigen nationalsozialistischen Propaganda, die es verstanden hat, nicht nur ihren damaligen Anhängern in Österreich, sondern auch ihren Gegnern im weiteren Auslande das Bild eines in seiner Mehrheit zum Dritten Reiche strebenden Österreich vorzutäuschen und die gewaltsame Okkupation als von beiden Seiten gewünschte friedliche Vereinigung darzustellen. In diesem Zeitraum hat das österreichische Volk mit seinem Blute das erste Kapitel seiner Widerstandsbewegung geschrieben.“

Damit wollte man ausdrücken, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung niemals nationalsozialistisch gewesen sei. Das stimmte natürlich nicht und das wusste man. Es ging jedoch darum, von den Alliierten als Opfer und als befreiter Staat anerkannt zu werden. Deswegen musste man signalisieren, dass man bereit sei, sich mit dem österreichischen Widerstand zu identifizieren, wie es in der Moskauer Deklaration von Österreich eingefordert wurde. Man kann diesen Text aber auch anders interpretieren. Als Ausdruck von staatsmännischem Geschick, wie es die Krisensituation unseres Landes nach 1945, bedroht von Hunger, Spaltung und internationaler Isolierung, erforderte. Trotzdem handelt es sich bei diesem Text - Wissen vorausgesetzt - um eine Lüge. Die Lebenslüge der Zweiten Republik. Im Nachhinein kann man sagen, dass diese Geschichtspolitik der drei Gründerparteien SPÖ, ÖVP und KPÖ – wenn auch nicht ehrlich – in außenpolitischer Hinsicht erfolgreich war. Im Jahre 1955 wurde der Staatsvertrag abgeschlossen und es ist den damaligen Politikern sogar gelungen die Mitschuld-Klausel aus dem Vertrag zu streichen.

Nach Innen funktionierte diese Geschichtspolitik nur teilweise. Als mehrheitsfähig erwies sich nur die Diktion von Österreich als Opfer, denn als Opfer fühlten sich irgendwie alle: Die Ausgebombten, die Heimkehrer und auch die Nationalsozialisten fühlten sich als Opfer einer Siegerjustiz. Ein eigenartiges Opferbild manifestierte sich im Laufe der Jahre. Man fühlte sich nicht als Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, sondern als Opfer des Krieges gegen den Nationalsozialismus.

Der Widerstand

Anders verhielt es sich mit der Anerkennung des Widerstandes. Der antifaschistische Widerstand wurde als unpatriotisch wahrgenommen und negativ stigmatisiert. Die wenigen Widerstandsdenkmäler, die in ihrer Mehrzahl kurz nach dem Krieg entstanden, wurden oftmals geschändet. Die Würdigung des Widerstandes wurde in den 70iger und 80iger Jahren nur noch von der KPÖ und den KZ-Verbänden wahrgenommen. Von der Öffentlichkeit und den Medien kaum zur Kenntnis genommen, führten diese Gedenkveranstaltungen ein Schattendasein. In den 50iger und 60iger Jahren wurden unzählige Kriegerdenkmäler für die Gefallenen, die Bombenopfer und die Vermissten in den österreichischen Dörfern errichtet. Die Geschichten, die diese Denkmäler erzählen, widersprechen dem Mythos von Österreich als erstem Opfer. Das gilt auch für die Ansprachen, die bei den Gefallenen-Ehrungen, gehalten wurden und heute noch werden. Manchmal heißt es wörtlich „Verteidigung des Vaterlandes“, oder sogar „Verteidigung des christlichen Abendlandes“ gegen die „Feinde aus dem Osten“. In einem Zeitungskommentar zur Errichtung des Gefallenendenkmals am Grazer Zentralfriedhof 1951 heißt es, dass sich „die Heimat durch die Erneuerung und Neugestaltung von Kriegerdenkmälern wieder zu ihren im härtesten Kampf gefallenen Söhnen bekennt.“ Zusammenfassend lautet in dieser Phase der Duktus in etwa so: Den Soldaten gebührt als treuen Söhnen der Heimat Ehre, sie sind für die Verteidigung der Heimat gegen den Ansturm der Feinde gefallen. Dass sie Soldaten der deutschen Wehrmacht waren, dass sie für das großdeutsche Reich und für ein verbrecherisches nationalsozialistisches Regime kämpften, wurde nicht thematisiert.

Die Gesellschaft verändert sich

In den 80iger Jahren hat sich die Gesellschaft massiv verändert. Eine neue Generation kritischer Menschen ist herangewachsen, die auf Spurensuche ging und sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ihrer Stadt bzw. Region auseinandersetzte. Begonnen hat das allerdings schon in den 70iger Jahren.

1973 gelingt es erstmals den Widerstand in den österreichischen Schulbüchern zu integrieren. Allerdings sehr austariert – proporzmäßig aufgeteilt – aber immerhin.

1978 wurde im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) die Ausstellung mit dem Titel „Der österreichische Freiheitskampf“ eröffnet.

Ebenfalls im Jahre 1978, zum 40. Jahrestag des Anschlusses, gab das Unterrichtsministerium eine Broschüre für die Schulen mit dem Titel „Der vergessene Widerstand“ heraus.

1979 wurde die US-Amerikanische Fernsehserie „Holocaust“ in der BRD und in Österreich ausgestrahlt, die einen nachhaltigen Eindruck auf das Geschichtsbild der jüngeren Generation ausübte. Erstmals wurde die österreichische Beteiligung an den NS-Verbrechen öffentlich diskutiert.

Anfang der 80iger Jahren, unter der Regierung Kreisky, wurde das „Zeitzeugenprojekt“ an den österreichischen Schulen eingeführt. Viele LehrerInnen nutzten die Gelegenheit und luden ehemalige KZ-Häftlinge ein, die an den Schulen referierten.

Ebenfalls in den 80iger Jahren gab es zwei Politskandale, die eine gesellschaftliche Diskussion auslösten und zu einer nachhaltigen Bewusstseinsveränderung beitrugen. Gemeint sind die sogenannte Reder-Frischenschlager-Affäre im Jahr 1985 und die sogenannte Waldheim-Affäre im Jahre 1986. Beide Affären platzierten die Medien auf die Titelseiten und lösten eine heftige Diskussion über den Umgang Österreichs mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit aus. Vor allem die Waldheimdebatte wurde sehr emotional geführt. Sie ging quer durch die Familien und durch alle sozialen Schichten. Die Waldheimdebatte stellt eine Zäsur in der österreichischen Erinnerungskultur dar. Der Historiker Ernst Hanisch hat das einmal in einem Aufsatz so ausgedrückt: Hier der positive Mythos vom ersten Opfer und da gewissermaßen die schwarze Gegenerzählung, Österreich als Tätergesellschaft, verantwortlich für viele Verbrechen des Nationalsozialismus.

Die Waldheim-Debatte

Der verhängnisvolle Satz, der die Debatte auslöste, fiel anlässlich eines Radiointerviews, in dem sich Waldheim mit den Worten verteidigte: „Ich habe im Krieg nichts anderes getan als Hunderttausende andere Österreicher, nämlich meine Pflicht als Soldat erfüllt“. Mit dieser Bemerkung über die „Pflichterfüllung“ in der deutschen Wehrmacht hat Waldheim die Opferthese fundamental in Frage gestellt, d.h. jene Aussagen, die bislang das zentrale Argument der offiziellen Geschichtsdarstellung gewesen war, wenn es um den Umgang mit der NS-Zeit ging. Robert Menasse und andere haben in Reaktion darauf geschrieben, dass die Zweite Republik auf einer „Geschichtslüge“ errichtet worden sei, nämlich der Lüge, das „erste Opfer“ des Nationalsozialismus gewesen zu sein. Dieser Vorwurf der „Geschichtslüge“ bezog sich auf das Gründungsdokument der Zweiten Republik selbst, nämlich die Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945. Dort stand unter Bezugnahme auf die Moskauer Deklaration von 1943 sinngemäß: „Österreich ist das erste Opfer des Nationalsozialismus – das erste freie Land, das der Aggression Hitlers zum Opfer gefallen ist -, der österreichische Staat wurde von einer feindlichen Macht von außen gewaltsam besetzt. Das österreichische Volk habe bis auf eine kleine nazifaschistischen Minderheit nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun gehabt, sondern sei ihm vielmehr mit Ablehnung gegenübergestanden und habe – trotz brutaler Unterdrückung und Terror – Widerstand geleistet“.

Neues Geschichtsbild

Die Waldheim-Debatte bewirkte, dass das offizielle Geschichtsbild, wie es in der Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 festgeschrieben war, keine Gültigkeit mehr hatte. Immerhin wurde dieses Geschichtsbild vom Bundespräsidenten selbst ausgehebelt. Waldheim ein Aufklärer wider Willen. Oder besser: Ein Katalysator dieses Prozesses.

In den folgenden Jahren beschäftigte man sich mit dem Ausverhandeln eines neuen Geschichtsbildes. Dies geschah einerseits während des Gedenkjahres der 50. Wiederkehr des Anschlusses im Jahre 1988 und andererseits auf der Ebene der öffentlichen Erklärungen. Im Jahre 1991 hat Bundeskanzler Franz Vranitzky in einer Rede vor dem Nationalrat den neuen offiziellen Standpunkt der Zweiten Republik dargelegt: „Österreich sei zwar als Staat im März 1938 Opfer einer militärischen Aggression geworden, viele Österreicher haben Widerstand geleistet oder wurden Opfer der Tötungsmaschinerie des NS-Regimes, aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass es nicht wenige Österreicher gab, die im Namen dieses Regimes großes Leid über andere gebracht haben. Dieses Eingeständnis einer moralischen Mitverantwortung führte zu einer neuen Regelung der materiellen Wiedergutmachung. Diese Wiedergutmachung wurde dann in den folgenden Jahren – Ironie der Geschichte – von der schwarz-blauen Regierung unter Schüssel abgewickelt.

Zum Thema Erinnerung empfehlen wir auch einen Artikel von Walther Schütz:

r Erinnern: Das anständige Kärnten – eine Drohung. Thesen zur sonderbaren Kontinuität rechtsextremen Denkens in der liberalen Gesellschaft und für ein an die Wurzeln gehendes Erinnern

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