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Tomasz Konicz

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2011-08-29

Einstürzende Schuldentürme

Die Staatsschuldenkrise in der EU und den USA speist sich aus der gleichen systemischen Krisendynamik, die schon Karl Marx prognostiziert hat. Eine Analyse der neuesten Phase der Agonie des kapitalistischen Weltsystems.

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Anmerkung

Dass r der Staat seine autoritäre Grundkonstante in der Krise hervorzukehren droht, hat Andreas Exner im Beitrag r Der autoritäre Krisenstaat analysiert. Ein Blick in die Kleine Zeitung vom So, 28.8.2011 gibt ihm Recht: Peter Hartz schwärmt davon, wie man Langzeitarbeits- lose mittels Neurologie zum Jobben im Elendsbereich bringen kann (S. 4). Beim Forum Alpbach spricht Felderer vom IHS unverblümt von Kürzungen im Pensionssystem und ein Politologe namens Eilfort bedient sich einer Sozialdemagogie, die man einstens nur in der rechtsextremen Ecke kannte.

Demgegenüber beschreibt Tomasz Konicz im vorliegenden Beitrag das Dilemma, in dem sich das System und seine staatlichen Verwalter/innen befinden. Erst vor diesem Hintergrund wird klar, woher die repressiven Ideologien ihren Nährboden haben.

Umso wichtiger ist es, das Ganze der Misere nicht aus den Augen zu verlieren und Perspektiven zur Umkehr aus der Sackgasse zu entwickeln. Rund um den r 15. Oktober soll es dazu einen großen europaweiten Aktionstag geben. Dies als ein sichtbares Zeichen im Rahmen eines unabdingbaren Reflexionspro- zesses gegen die sich abzeichnende Barbarei.

Walther Schütz, ÖIE-Kärnten

Das kapitalistische Weltsystem scheint von einem neuen Krisenschub erfasst worden zu sein. Nahezu zeitgleich eskaliere im Juli die Schuldenkrise auf beiden Seiten des Atlantik, um ab Anfang August von einem enormen Börsenbeben verstärkt zu werden, das Erinnerungen an die Schockwellen wachrief, die 2008 im Gefolge der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers die Weltfinanzmärkte erschütterten.

So einigte sich die EU auf einen Sondergipfel Mitte Juli erst nach knallharten Auseinandersetzungen auf ein weiteres milliardenschweres Krisenpaket, um das in die Depression gesparte und abermals bankrottgefährdete Griechenland vor dem Kollaps zu bewahren, sowie eine Ausbreitung der Staatsschuldenkrise zu verhindern. Nur eine Woche nach dem Gipfeltreffen, in dessen Rahmen auch Zinsnachlässe für die Pleitekandidaten Portugal und Irland beschlossen wurden, offenbarte sich das Scheitern der Krisenmaßnahmen, nachdem die Zinsen bei der Begebung neuer Staatsanleihen für Italien deutlich anzogen.

Zugleich führte ein erbittert geführter Streit zwischen Republikaner/innen und Demokrat/innen um die Anhebung der Verschuldungsgrenze die Vereinigten Staaten an den Rand einer partiellen Zahlungsunfähigkeit, die erst im letzten Augenblick abgewendet werden konnte. Die rechtsextreme Fraktion der Republikaner konnte sich hierbei mit ihren Forderungen nach umfassenden staatlichen Ausgabenkürzungen weitgehend durchsetzen – ohne dass die amerikanische Oligarchie auch nur mit symbolischen Steuererhöhungen belastet wurde. Nur wenig später setzte der mehrere Tage andauernde Börsenkrach ein, der durch die historische Bonitätsabstufung der Vereinigten Staaten durch die Ratingagentur S&P zusätzlich befördert wurde.

Innerhalb der bürgerlichen Wirtschaftswissenschaft wie auch Öffentlichkeit setzte mit dem Abschwung an den Finanzmärkten eine hitzige Diskussion über dessen Ursachen an, die einen grundlegenden Widerspruch der Krisenpolitik in den Zentren des kapitalistischen Weltsystems spiegelt. Während konservative und neoliberal ausgerichtete Medien und Politiker vor Allem die Bonitätsabstufung der USA in das Zentrum ihrer Überlegungen rückten, und somit den Börseneinbruch auf die Überschuldung der Staaten zurückführten, sahen progressiv oder keynesianisch ausgerichtete Ökonomen wie Paul Krugman die Ursachen der Turbulenzen in der Furcht der Märkte vor einer abermaligen Rezession. Die wegbrechende staatliche Nachfrage werde eine weitere Konjunktureintrübung und eventuell eine Rezession mit sich bringen, die anvisierten Haushaltskürzungen in den USA seien deswegen die Ursache der Verwerfungen an den Börsen.

Die systemimmanente Streitfrage

Müssen die Industriestaaten angesichts der ausartenden Schuldenkrise zu drastischen Sparmaßnahmen greifen, um Staatspleiten zu verhindern, oder sind jetzt weitere Staatsaufwendungen notwendig, um ein erneutes Abdriften in die Rezession zu verhindern? Beide Streitparteien in diesem Hauptdisput kapitalistischer Krisenpolitik können für sich in Anspruch nehmen, mir ihren Konzepten schwerwiegenden Krisentendenzen vorbeugen zu wollen.

So stoßen ja tatsächlich immer mehr Staaten aufgrund der horrenden Krisenkosten an die Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit. Neben den unter den sogenannten „EU-Rettungsschirm“ geflüchteten Ländern Griechenland, Portugal und Irland, gelten auch Spanien und Italien als potentielle Pleitekandidaten, die aufgrund etlicher spekulativer Angriffe zeitweise horrende Refinanzierungskosten auf den Finanzmärkten zu tragen haben. Ein Überspringen der Schuldenkrise auf Belgien oder gar auf Frankreich – das jüngst Spekulationen über eine Absenkung seiner Bonitätsnote dementieren musste – gilt nicht mehr als ausgeschlossen. Die Vereinigten Staaten weisen mit einer Staatsschuld von nahezu 100 % des BIP ein ähnlich hohen Schuldenberg wie diese europäischen Staaten auf. Somit befinden sich die Verbindlichkeiten der USA auf einem ähnlich hohen Niveau wie beim Pleitekandidaten Irland (114 %), Belgien (97,3 %) oder Portugal (90,6 %). Etliche europäische Staaten übertreffen dieses Niveau der Verschuldung sogar deutlich – so Italien (120,3 %) oder Griechenland (152,3 %). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber die sich im Haushaltsdefizit äußernde Dynamik der Neuverschuldung, die ja – normalerweise – über die Finanzmärkte realisiert wird und derzeit bei etlichen Ländern aufgrund steigender Zinslasten kaum noch aufrecht erhalten werden kann. Mit einem prognostizierten Haushaltsdefizit von 8,6 % für 2011 können die Verneigten Staaten auch hier mühelos an das Niveau europäischer Pleitekandidaten anschließen. Griechenland soll laut Prognosen der EU-Kommission ein Haushaltsdefizit von 9,3 % in diesem Jahr aufweisen, bei Irland sind es 8,8 %, und in Großbritannien 8,6 Prozent. In Spanien und Portugal soll die Neuverschuldung „nur“ rund 5 % der Wirtschaftsleistung erreichen.

Doch auch die Befürworter/innen weiterer staatlicher Konjunkturmaßnahmen können durchaus zurecht auf den Konjunkturabschwung verweisen, die nach Auslaufen der kurz nach Krisenausbruch aufgelegten gigantischen Konjunkturpakete immer mehr Volkswirtschaften erfasst. Diese weltweit 2008 und 2009 initiierten Konjunkturprogramme erreichten laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) einen Umfang von nahezu fünf Prozent der Weltwirtschaftsleistung! Die jüngste Konjunkturentwicklung in den USA illustriert die Abhängigkeit des Spätkapitalismus von staatlichen Konjunkturmaßnahmen sehr gut. Als Mitte 2010 die meisten Maßnahmen des amerikanischen Konjunkturpaketes in Höhe von rund 800 Milliarden US-Dollar ausliefen, warnte etwa die Los Angeles Times, dass nun die „einzige verlässliche Quelle für den Brennstoff“ der US-Wirtschaft versickere. Tatsächlich lässt das statistische Zahlenmaterial eine deutliche Konjunkturabkühlung von 3,8 % im zweiten Quartal 2010 auf 2,5 % im dritten Quartal erkennen. Im vierten Trimester 2010 verlangsamte sich die amerikanische Wachstumsdynamik auf 2,3 Prozent, um dann anschließend in die bis jetzt andauernde Stagnationsphase einzutreten. In eine ähnliche Wirtschaftsstagnation treten inzwischen nahezu alle Volkswirtschaften der Eurozone ein, sodass staatliche Ausgabenkürzungen eine Rezession in den meisten der betroffenen Länder wahrscheinlich machen.

Aporie kapitalistischer Krisenpolitik

Somit befinden sich in der Tat beide Seiten in dem finanzpolitischen Streit um die Ausgestaltung der künftigen Krisenpolitik mit ihrer Diagnose im Recht: Weitere Staatsverschuldung wird unweigerlich zum Staatsbanktrott oder Hyperinflation führen – ebenso wie ein Ende der staatlichen Verschuldung in einer Rezession münden wird. Beide Streitparteien befinden sich aber auch auf dem Holzweg, wenn sie davon ausgehen, dass ihre „Therapien“ die fundamentale Krise der Weltwirtschaft lösen könnten, die seit 2007 nur durch ausufernde staatliche Verschuldung prolongiert werden konnte. Die Krisenpolitik – die eigentlich Haushaltssanierung und Konjunkturprogramme zugleich durchführen müsste – befindet sich somit in einer Aporie, in einem unlösbaren Selbstwiderspruch, bei dem nur zwei unterschiedliche Wege in die Krise offenstehen: Die Politische Klasse kann nur zwischen weiterer Verschuldung bis zu Staatsbanktrott (mitsamt etwaiger Hyperinflation) wählen, oder den Weg harter Sparprogramme beschreiten, die in Rezession mitsamt einsetzender Deflationsspirale führen, wie es das tragische Beispiel Griechenlands illustriert. Der Kapitalismus muss sich also immer weiter Verschulden, obwohl er gerade dabei ist, jeglichen Kredit zu verlieren.

Diese Aporie kapitalistischer Krisenpolitik verweist auf die „innere Schranke des warenproduzierenden Systems“ (Robert Kurz), das sich aufgrund einer immer weiter ausbildenden systemischen Überproduktionskrise nur noch vermittels Defizitkonjunkturen „auf Pump“ reproduzieren kann. Die mit der dritten industriellen Revolution der Mikroelektronik und Informationstechnologie einhergehenden Produktivitätssprünge der Industrie ließen den Anteil der lebendigen Arbeit innerhalb der Warenproduktion absinken. Die zeitgleich ab den 80ern einsetzende Expansion des Finanzsektors konnte diese Produktivitätssteigerungen durch eine enorme Expansion der Kreditvergabe und die Generierung etlicher Spekulationsblasen kompensieren, die so kreditfinanzierte Massennachfrage schufen. Vermittels der globalen Handelsungleichgewichte, bei denen exportorientierte Länder wie China oder die BRD ihre Produktionsüberschüsse in die sich immer weiter verschuldenden Defizitländer absetzten, wirkten die durch die Finanzmärkte aufgeblähten Defizitkonjunkturen tatsächlich als ein weltweiter Konjunkturmotor. Mit dem Platzen der Immobilienblasen und dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 2007/08 fand eine „Verstaatlichung“ dieser Defizitkonjunktur statt, bei der die Staaten die Rolle der Finanzmärkte übernahmen: Anstatt privat kreditfinanzierter Eigentumshäuser wurden nun von den Staaten kreditfinanzierte Autobahnbrücken oder Umleitungsstraßen gebaut.

Mit der finanziellen Erschöpfung der Staaten, die hierbei das letzte Aufgebot des Krisenkapitalismus bilden, geht nun auch diese Phase der „staatlichen Defizitkonjunkturen“ zu Ende, wodurch die Krisendynamik zur freien Entfaltung gelangen dürfe: Die ungeheure produktive Potenz der im Schoße des Kapitalismus herangereiften Produktivkräfte sprengt somit die Fesseln der überkommenen kapitalistischen Produktionsverhältnisse, wie schon Karl Marx vor rund 150 Jahren im Vorwort „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ prognostizierte:

„Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen. (…) Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolutionen ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.“ (MEW 13, S. 9)

Zuerst erschienen unter r www.konicz.info/

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Empfehlung
Von Tomasz Konicz, r Weltwirtschaftskrise. Wie sich die Krise der Eurozone in den allgemeinen globalen Krisenkontext einordnen lässt. Eine mit zahlreichen Grafiken und Statistiken unterlegte Analyse

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