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Danijel Jamrič

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2010-04-23

Die fabelhafte Geschichte des Andy Ensslin

Neugeburt eines Ghostwriters

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Heute ist mein Geburtstag. Heute beginnt ein neues Leben: meine kärntnerblonde Schmalztollenperücke; neue, chice Kleiderbauerpelzkleidung; ein dunkelbrauner Nylon-Henriquatre; mein neuer Pass, ja; und dann ist da noch der Impfschein! Mein Name ist Andy Ensslin, geboren 1985 in Hanga Roa, ich bin Vater von 3 Kindern. Wohnhaft in Hermagor. Kärnten. Seit Jahren schon. Meinem Engagement als Ghostwriter des bekanntlich nicht-existenten Anwaltes des kleinen Mannes – Franz Weinpolter – musste ich unlängst, notgedrungen, den Rücken kehren. Andy Ensslin, mein Name, der ist Andy Ensslin. Ich bin ein Aussteiger. Ein Aussteiger aus dem dichandschen Kronenimperiums.

Weil mich der dichande Hans letzte Woche um halb vier morgens aus dem Bett sturmläutete, mit einer Krone auf seinem Kopf und mir die Pistole langsam in die Kehle schob und hektisch rumkrächzte: ich solle ihm jetzt endlich wieder Briefe schreiben, der letzte ist schon drei Tage her, die Leute sitzen bereits auf glühenden Kohlen, sie verlangen nach ihrem Sprachrohr, ihren Anwalt, ohne Franz Weinpolter fühlen sich drei Millionen Menschen in Österreich unterrepräsentiert, blarg blarg, alles das und noch viel mehr brüllt mir der herausgebende Greis in meine Gehörgänge hinein und entsichert sein grausiges Schießgewehr.

Schieß doch, Hans, schieß nur! Traust dich eh nicht! Kein andrer kann Weinpolter imitieren, niemand kann mehr auf den fahrenden Zug des weinpolterschen Maskenballes aufspringen, er ist schon zu weit voraus, Hans, haha! Ich bin Weinpolter und niemand ist für ein geistiges Erbe eines solchen Ausmaßes geschaffen und das weißt du genau, du alter Fratz!

Na gut, das werden wir ja sehen; morgen kommt er wieder, versicherte mir der dichande daraufhin, doch dann kommt er nicht mehr alleine, sondern ausgerüstet mit Michael Jeannee, Wolf Martin und dem überaus erhabenen Telemax würde er mir schon beibringen, wer hier wen beherrscht, fauchte er mich an und verschwand in einer Schwade schwarzen, stickigen Nebels und dumpfest grohlenden Donners. Getötet hätte er mich nicht, der Hans. Da kenn ich ihn ja viel zu gut für. Frisst ja lieber seine eigene Hand, als zu verhungern, der alte Narr!

Doch was mich daraufhin beschäftigte, nach dieser typischen Nacht-und-Nebel-Aktion, das war, das war jetzt viel größer geworden! Musste ich tatsächlich um mein Leben fürchten? Weil man liest ja immer wieder, gerade in der Krone, einfach überall von Menschen, die andere Menschen in ihren Kellers einsperren und nicht mehr, nie mehr an die Sonne da raus lassen. Zweckgefangenschaften, man hört ja immer wieder von Zweckgefangenschaften! Dass das der Fall ist, dass er einen in seinem Keller versteckt hält, sieht man dem Kidnapper in seiner Freizeit natürlich nicht an. Er lacht und singt wie eh und je, im Taumel des Weines als auch im Besonnenen, zuhause mit der Frau. Und in der Kirche erst! Doch trotzdem lenkt ihn die Furcht ab diesem Tage. Also nein! Das kann nicht meiner Seele kraft des Atmens verleihen, womöglich im Keller des dichanden den Rest seines Lebens Leserbriefe der Marke Weinpolter, maßgeschneidert, zu fertigen und dann leibeigen unter dem Eichenschreibtisch zu verhungern! Ich wollte den Franz echt weghauen! Ich wollte nicht mehr! Und da wäre die Chance, die Wahrscheinlichkeit, dass jemand die schreiende Verzweiflung aus meinen Briefen im freien Wort herausklären würde einfach zu gering, als dass ich es mir überhaupt vorzustellen vermochte. Dafür wäre Weinpolter zu perfekt. Und da wurde mir klar: keine Sekunde länger will ich die haftbare Person hinter der Mär Weinpolter sein. Franz Weinpolter muss tot sein, schrie ich im Wahn des Teufels, der mir schwarze Tränen in die Augen rieb, Franz Weinpolter muss sterben!

Also war ich eins mit meinem Vorsatz: ich konnte dies nicht weiterführen, dies Amt - denn zu gefährlich, zu heiß wurde es mir im Ofen; die abenteuerliche Lust zur Suche nach der Existenz des Weinpolters hat ohnehin schon zu viele Menschen in ihren Bann des Wahns gezogen. Niemand hat ihn bis heute gefunden; ich meine, wie denn auch? Doch wie lange noch und sie würden es wissen, dass es keinen Franz Weinpolter gibt, nie gegeben hat! Weil am verrücktesten machten mich die Täterprofile! Denn war ich längere Zeit allein zuhause und verfasste Schriften für das freie Wort, lese ich am selben Abend, dass Franz Weinpolter ein ruhiger, zurückgezogener Mensch ist. Wenn ich dann aber mal raus fahr, mit meinem Auto, und alte Menschen zum Einkauf mitnehme und ihnen beim einpacken helfe, steht da überall: Franz Weinpolter, der hilfsbereite, aufgeschlossene und kontaktfreudige Mann! Das kann einen wirklich vor das offene Tor des Wahnsinns stellen! Ich meine, so etwas rauft! Und dann diese bedrückende Wissenheit, die kriegen mich, die kriegen den Franz, die raubte mir jede Sekunde meiner Nachtruhe. Ich, Andy Ensslin, beschloss darum, dem Einhalt zu gebieten – tu dir selbst einen gefallen, flüsterte mein Inneres – und riet mir, Gras über diese Causa wachsen lassen zu lassen. Wenigstens für ein paar Jahre musste ich vor dem schreckensherrschenden dichanden und seinen Aposteln flüchten.

Neue Papiere, neue Kleidung, Perücke und ein dunkelbrauner Nylonbart fanden neues Leben an mir. Und ich an ihnen. Heute ist mein Geburtstag. Heute kann mein neues Leben beginnen! Andy Ensslin! Jetzt sitze ich am Strand und beobachte die Gail, wie sie so ignorant an mir vorbeifließt, weil sie mich nicht wiedererkennt. Ich fingere an meinem dunkelbraunen Nylon-Henriquatre und forme die Lippen zu einem A, zu einem O - das Kratzen sieht sehr authentisch aus, ich habe es zuhause vor dem Spiegel geübt. Und mit der Krone am Schoß! Also, Schock! Denn was ich hier sehe, während ich das freie Wort konsumiere… ich kann es nicht glauben! Denn ich, Andy Ensslin, der ich beschloss, Franz Weinpolter, den Anwalt des kleinen Mannes seines Amtes zu entheben; ich, der ich als einzige Kreatur dieser Welt die Macht hatte, der Puppe Weinpolter Leben einzuhauchen - ich kleiner Gott – und sie aus den Trümmern der Nachkriegsunordnung zu entgraben und sie zu pflegen, zu nähren und ihr Augen, Mund und Züngelchen zu geben; ich, der ich gewissermaßen Franz Weinpolter war! Muss hier nun mit ansehen, wie mein Franz mir gestohlen wird und nun seine ihm von mir geschenkten Tage selbst in einem Kellerverlies fristen muss um jämmerliche Briefe zu schreiben! Man hat mir meinen Franz, der mir im Laufe der Jahre schon so etwas geworden war wie ein Sohn, entführt, misshandelt und ihm Worte in den Mund gelegt, die jeglicher Erläuterungen entbehren!

Ich kann seine Verzweiflung darob, seinen Wahn herauslesen aus dem Brief, der heute, in der heutigen Ausgabe der Krone, den Platz einnimmt unter anderen, dreckigen, ungepflegten und besoffenen Leserbriefen. Nun, was les ich da vom Franz, man darf Schwarze nicht mehr Neger nennen, da regt er sich auf! Aber ich bin mir sicher, das ist der Hans, nicht der Franz, das bin ich nicht, so etwas Derartiges würde nie meine Feder verlassen, mein Kopf schreit, der Hans hat mir den Franz gestohlen um ihn wie eine Marionette vor dem Kindertheater aufzuziehen! Denn daran hatte ich natürlich nicht gedacht. Da hat mir der dichande nämlich ein Schnippchen geschlagen, der Halunke! Mit meinen eigenen Waffen hat er mich herausgefordert, der alte Krieger! Ich Tölpel, ich Tor! Verschmoren soll ich dafür, in der Hölle soll ich dafür dreizehn Ewigkeiten lang Asche fressen, diesem alten dichanden Greis unterlegen zu sein! Jetzt zieht er die Fäden des Franz und ich kann nicht zurück, ohne um mein Leben, ohne mich vor den schrecklichen Peitschenhieben des Telemax zu Tode fürchten zu müssen! Den Franz hab ich ja schon verloren und dann muss es nicht auch noch mein eigenes Gesicht sein! Ich muss mich den Umständen fügen, ja das ist das was ich jetzt lernen muss, und diese Umstände, die flüstern mir in meine Gehörgänge, dass es Zeit ist, mich gegenüber dem alten Kronenkrieger mit dem letzten Quantum Stolz, das in mir weilt, geschlagen zu geben. Ich bin dann oft schweißgebadet aufgewacht, nachts, und dann ist mir in den Sinn gekommen: als einzelner ist man der Macht des Systems ausgeliefert! Die Puppe Weinpolter hat einen neuen Vater und damit muss ich mich abfinden! Ich war dem strategischen Perfektionismus des dichanden in absolut jeder Hinsicht untertan. Schon immer! Und daran wird sich nie etwas ändern, flüstert man mir! Ich bin ein Opfer des dichandschen Kronenimperiums! Eines von vielen! Eines von knapp drei Millionen in Österreich! Das ist eben eine Erkenntnis, die einem nicht unbedingt das Christkind unter den Weihnachtsbaum legt. Man trinkt dann oft und... findet kurz Ablenkung. Dass man ein gefallener Soldat ist, der den Kampf gegen das System und die Macht der Boulevardjournalismus-Mafia verloren hat, dessen ist man sich dann gar nicht mehr wirklich bewusst und dass man seinen eigenen Sprössling im Sand erstickt hat, diese Tatsache schmerzt dann nicht mehr solche Schluchten in einen hinein. Durch die Krone habe ich gelernt, los zu lassen. Los zu lassen und frei zu sein! Los lassen und frei sein! Und dann bleibt da noch der Gedanke, und das Wissen bleibt, dass er - mein kleiner Franz – ja zumindest weiterlebt. Franz Weinpolter lebt!

Mein Name ist Andy Ensslin, geboren 1985 in Hanga Roa, Vater von 3 Kindern, gefallener Soldat. Heute ist mein Geburtstag. Heute beginnt mein neues Leben! Franz Weinpolter lebt! Ich, Aussteiger!

Daniel Jamritsch, 2009, 2010

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