2003-03-01
Von Blendaxlächlern und Senfkrapfen
Ich liebe den Geruch von Faschingskrapfen, goldbraun in heißem Fett schwimmend, die Kunst
ihnen ein schönes helles "Kragerl" zu verpassen. Am besten schmecken sie mir traditionell
mit Marillenmarmelade Füllung. Gerne habe ich auch des öfteren für meine Bekannten einen
Krapfen mit Senf gefüllt und damit für entsprechende Irritationen gesorgt. Der Schmäh zieht
nicht mehr so gut und ich werde mir was anderes einfallen lassen müssen. Fasching heißt
auch, sich zu verkleiden, mal in eine andere Rolle zu schlüpfen, etwas anders zu sein als
man tagtäglich ist. Das kann lustig sein - nicht nur für Kinder.
Der Fasching - ursprünglich "DIE" Möglichkeit einmal im Jahr mit der Obrigkeit
straffrei abzurechnen , haben die Villacher Närrinnen und Narren mit den
Übertragungsrechten an den ORF, verkauft. Das ist vielleicht das einzig wirklich
lustige am Villacher Fasching. Das Fernsehen hat unseren Fasching die Eckzähne gezogen.
Die Obrigkeit (die Stadt) darf allgemeine Fröhlichkeit verordnen und die "Narren"
instrumentalisieren. Da geht nichts "schief". Die Blendaxlächler aus Politik und
Wirtschaft - von nah und fern angereist - haben bei den TV-gerecht gestylten Sitzungen
der Faschingsgilde nichts zu befürchten. Sie werden nicht wirklich aufgeblattl't. Da ist
wenig wirklich lustig - das meiste am Rande der Peinlichkeit - aber sie lachen trotzdem!
Das wirklich nichts "schief" ging- und geht, wurde nie dem Zufall überlassen:
Ein hochkarätiger Beamter der Stadt, managte seit Jahrzehnten die "lustigste" Zeit des
Jahres. Er durfte viele Faschingsprinzessinnen küssen. Der Mann mit dem Zwirbelbart`l
(und auch ähnlichen Namen) ist (war) zuständig für Fasching und Kirchtag - den offiziellen
Villacher Kulturhighlights. In seiner knappen "Freizeit" fungierte er als Leiter des
städtischen Wohnungsamtes. Wie man hört soll er im Rahmen dieser Betätigung bei einer
Unzahl von Wohnungssuchenden bleibende Eindrücke hinterlassen haben. Seit 2002 gibt es
Aufgabensplitting. "Oberzechbursche" beim Kirchtagsverein ist jetzt nicht
mehr Zwirbelbart'l sondern Vizebürgermeister Pfeiler. Zugegeben, das hat nichts mit
Fasching zu tun und ist nicht lustig. Ist aber immerhin ein Indiz dafür, was in Villach
wichtig ist.
In der Firma "Villacher Fasching" hat weitgehendst nur jener Schmäh Chance, der
Österreich weit vermarktbar ist. Das Proporzmedium ORF fordert seinen Tribut und die
lokale Polit-Aristokratie ist - weil weitgehendst unbekannt - aus dem Schneider
(wer kennt schon Manze in Gottschuchen?). Bei den Narrenumzügen marschieren die
Politgrößen heute an vorderster Front. Die gesellschaftliche Realität gibt ihnen recht.
Narren sind in der Politik mehrheitsfähig.
Sollte sich beim heutigen Faschingsumzug wieder einige Politblöcke formieren und ich
nehme dies angesichts der bevorstehenden Gemeinderatswahlen an, hätte ich für die
Fraktionen einige Lösungen für die Transparente vorzuschlagen:
SPÖ: Videoüberwachung bis in die Wahlzelle, denn wer ordentlich wählt, hat nichts zu
befürchten
FPÖ: Vermummungsverbot auch im Fasching
ÖVP: Die logische Antwort: Analverkehr statt Kreisverkehr
GRÜNE: Für mehr öffentlichen Verkehr - vor allem Geschlechtsverkehr weil ökologisch
KPÖ: Unser Wasser muss öffentlich bleiben- weil Bier besteht zu 95 Prozent aus Wasser
Glossar:
Aristokratie: Herrschende Klasse der Feudalgesellschaft
Fasching: Mittel Hochdeutsch - Ausschenken des Fastentrunks
Narr: Unvernünftiger Mensch in typischer Tracht (Schellenkappe, Eselsohren)
gleichbedeutend mit Hanswurst u.a.
Manze: Parteivorsitzender der Villacher Narrengilde
Zwirbelbart: Besonders aufwendige Gestaltungsform der männlichen Gesichtsbehaarung
mittels Bartbinde (nicht zu verwechseln mit Schnarchband)