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Winfried Wolf

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2007-12-10

Kapital tötet Raum und Zeit

Globalisierung, Transportinflation und Privatisierungen

Vorstellung des Buches
VERKEHR-UMWELT-KLIMA
Die Globalisierung des Tempowahns
durch Winfried Wolf:
Freitag, 14. Dez. 07 in Klagenfurt, r Details
.

Nach Heinrich Heine beginnt mit den „Eisenbahnen ein neuer Abschnitt in der Weltgeschichte. ... Durch die Eisenbahnen wird der Raum getötet und es bleibt uns nur noch die Zeit übrig (...) Mir ist, als kämen die Berge und Wälder aller Länder auf Paris angerückt. Ich rieche schon den Duft der deutschen Linden; vor meiner Tür brandet die Nordsee.” (HEINE, Heinrich 1984)

Dieses Zitat wurde vielfach angeführt, allerdings immer wie hier wiedergegeben, dann ohne die Auslassungszeichen und damit unzulässig verkürzt. Im Original heißt es wie folgt: „Durch die Eisenbahnen wird der Raum getötet und es bleibt uns nur noch die Zeit übrig. Hätten wir nur Geld genug, um auch die letztere anständig zu töten!” (HEINE, Heinrich 1984)

Mit der Globalisierung ist es soweit. Es ist „ausreichend Geld”, es ist genügend gewalttätiges Kapital vorhanden, um Raum und Zeit „anständig zu töten”.

Meine Thesen lauten: Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem „modernen Kapitalismus”, der auch als „Neoliberalismus” und „Globalisierung” bezeichnet wird, einer „Transportinflation”, den Privatisierungen (u.a. der Eisenbahnen) und schließlich der Zerstörung der Umwelt und der wachsenden Belastung des Weltklimas.

Interessanterweise sind in der globalisierungskritischen Bewegung der „internationale Transportsektor“ und „die Transportinflation” kaum ein Thema. In der 2006er Ausgabe des „Atlas´ der Globalisierung”, der von „Le Monde Diplomatique” herausgegeben wird, tauchen die Themen „Verkehr” und „Transporte” schlicht nicht auf.

Letzten Endes ist die aktuelle Form der kapitalistischen Globalisierung nur möglich, indem alle Barrieren und Schutzmechanismen niedergerissen werden – alle natürlichen (z.B. topografischen), alle institutionellen und gesetzlichen und alle kulturellen Begrenzungen und Eingrenzungen. Auf diese Weise werden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und alle Regionen und Winkel auf dieser Welt allein dem Grundprinzip kapitalistischer Produktion unterworfen werden: dem der Erzielung eines maximalen Profits in kürzestmöglicher Zeit. In diesem Sinn ist die Voraussetzung der Globalisierung die Rücksichtslosigkeit gegenüber allen natürlichen, moralischen und gesetzlichen Begrenzungen. In den Worten von Elmar Altvater:

„Globalisierung ist die Folge der Beschleunigung aller Prozesse in der Zeit – in der Produktion wie im Transport – und der Expansion in alle Räume mit Waren, Dienstleistungen, Kapital, Menschen.” (ALTVATER, Elmar 2007)

Im Kapitalismus existierte immer die grundlegende Tendenz einer solchen Beschleunigung und Rücksichtslosigkeit. Allerdings gibt es erst seit jüngerer Zeit ausreichend technische Mittel und ausreichend Geld und Kapital, um diese Tendenz Wirklichkeit werden zu lassen.

Der Spontispruch aus den 1970er Jahren „Nieder mit den Alpen – freier Blick auf Mittelmeer!” erhält durch den Lötschberg-Tunnel (gerade realisiert), den Gotthardt-Tunnel (zur Hälfte realisiert) und den Brenner-Basistunnel (projektiert) eine interessante Konkretisierung. Vergleichbares gilt für die Scanlink-Brücken- und Tunnelverbindungen zwischen Dänemark und Schweden (realisiert), für Fehmarn-Verbindung Deutschland – Dänemark (projektiert), für den Somport-Tunnel in den Pyrenäen und für die Hochgeschwindigkeitsstrecken über die Pyrenäen (alles realisiert).

Das sind keine zufälligen „Entbettungsprojekte“. In der Europäischen Union gibt es den European Round Table (ERT), eine Art ZK der EU-Bourgeoisie, in dem rund 50 Bosse der 50 mächtigsten Konzerne mit Sitz in der EU und Schweiz und Norwegen zusammenarbeiten. Einer der ersten strategischen Texte des ERT trug den Titel “Missing Links”, veröffentlicht 1985. In diesem Text wurden die oben genannten Infrastrukturprojekte konkretisiert und als „europäische Aufgabe” präsentiert. Wenige Jahre später konkretisierte die EU-Kommission diese Zielsetzungen als “TEN – Transeuropäische Netze” und garantierte mit Milliarden-Euro-Summen ihre Realisierung. Diese Projekte sind Teil der neuen Rücksichtslosigkeit gegenüber Umwelt, Natur, Klima und Menschen. Sie sind wichtige Beiträge für schranken- und grenzenlose Transporte und für ein ungehemmtes Profitdiktat vor allem im Logistik- und Transportsektor.

Wachstum, Wachstum, über alles

Wachstum wird im Kapitalismus als einzig gangbarer Weg für eine Zukunftsfähigkeit fetischisiert. Es gerät in Vergessenheit, dass die Menschheit jahrtausendelang kein Wachstum kannte bzw. dass sich dieses weitgehend auf das (geringe) Wachstum der Bevölkerungszahl reduzierte. Es muss ins Gedächtnis gerufen werden, dass, so Elmar Altvater, „die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes sich zwischen 1820 und 1998 auf einen globalen Durchschnitt von etwa 2,2 Prozent im Jahr verzehnfachte, nachdem sie in den Jahrtausenden zuvor bei höchstens 0,2 Prozent gelegen hatte.“ (ALTVATER, Elmar 2007)

Im Zeitalter der Globalisierung kommt es zu einem immer stärker „nach außen gerichteten” Wachstum. Zwischen 1980 und 2000 hat sich das weltweite Bruttoinlandsprodukt rund verdoppelt. Der Welthandel wuchs im gleichen Zeitraum, in deflationierten US-Dollar-Werten gemessen, um das Dreifache. Die stofflichen weltweiten Transporte (z.B. in Form der umgeschlagenen Tonnage in den Häfen oder in Form der zurückgelegten Tonnenkilometern) haben sich im selben 20-Jahres-Zeitraum verzehnfacht.

In den globalisierungskritischen Kreisen wird vielfach das „Abheben der Finanzmärkte” als Bedrohung beschrieben. Das ist zutreffend, wobei die daraus resultierenden Gefahren „nur” die Finanzmärkte selbst betreffen und der größte (daraus resultierende) anzunehmende Unfall eine Kollaps der Finanzmärkte und eine Weltwirtschaftskrise wäre. Doch es gibt auch ein „Abheben der Transportmärkte”, eine Beschleunigung der „Entbettung der Ökonomie”, das noch bedrohlicher sein könnte, da hier der GAU in einem stofflichen Kollaps, u.a. in einer unverträglichen Klimaveränderung, besteht.

Three-Letter-Word: TEU

Die wichtigste technische Voraussetzung für das Abheben der Transportmärkte ist die TEU. Dieser Begriff sollte, ähnlich wie andere „Three-Letter-Words” wie WTO, IWF und MAI baldmöglichst in die Terminologie der Anti-Globalisierungsbewegung aufgenommen werden. TEU steht für „Twenty Foot Equivalent Unit” und meint den internationalen Standard-Container. Dieses Behältnis ermöglicht erst in sich geschlossene Transporte von Anfang bis zum Ende einer Transportkette, also vom Versandstart im Inland, mit einem ersten Transport zu einem Seehafen, mit der Verschiffung auf einem Containerschiff zu einem anderen Seehafen und schließlich mit einem neuen Landtransport zum Kunden. Bei dieser Transportkette per Container wurden zunehmend Lager und Warenhäuser in den Häfen überflüssig, was den entscheidenden Beitrag zur Transportbeschleunigung und zur Verbilligung der Transporte darstellte. Interessanterweise waren es der Zweite Weltkrieg und der Korea-Krieg, in dem Vorläufer des Containers – dort für die US-Truppen – erstmals eine größere Rolle spielte. Und es war die Ware Whisky, bei dessen Transport Container erstmals massenhaft zum Einsatz gelangten, u.a. weil die Diebstahlquote dieses ebenso hochgeistigen und wie höchst teuren Getränks in den Hafenlagern sehr hoch war.

Nur 17 Prozent der Schiffe der gesamten Welthandelsflotte sind Containerschiffe. Doch bereits mehr als 70 Prozent aller international gehandelten Waren werden in Containern und auf Containerschiffen transportiert siehe Anmerkung 5, was wesentlich dazu beigetragen hat, dass die weltweiten Transporte in einem Ausmaß wie nie zuvor beschleunigt wurden. Dies stellt den stofflichen Kern der Globalisierung dar. 1985 gab es in den Häfen der Welt einen Umschlag von 57 Millionen Standardcontainern, im Jahr 2000 waren es 236 Millionen TEU und 2006 436 Millionen TEU. Damit kam es im 20-Jahreszeitraum zu einer Verachtfachung der Transporte und allein in den vergangenen sechs Jahren zu einer Verdopplung. Bis 2012 soll der Container-Umschlag nochmals um mehr als 50 Prozent wachsen.

Die zukünftigen Beschleunigungen und Verbilligungen im Transport sind vor allem durch neue Größenordnungen bei den Containerschiffen und durch einen enormen Ausbau der Infrastruktur bedingt. Die gängigen großen Containerschiffe transportieren 6-7000 TEUs. Mit dem Carrier „Emma Maersk“ ist bereits ein Containerschiff unterwegs, das offiziell 11.000 TEUs transportiert, nach anderen, realistischen Berechnungen sind es jedoch 13.500 TEUs.

Neue Häfen, neue Kanäle braucht der Profit

In den letzten Jahren gab es einen enormen Konzentrationsprozess im internationalen Hafen-, Reeder- und Logistik-Geschäft. So bilden sich zunehmend internationale Hafen-Betreiber-Konzerne heraus, die teilweise auch eine vertikale Komponente enthalten und mit den Reedereien und Logistik-Konzernen verbunden sind. 2005 übernahm der staatliche Hafenbetreiber von Abu Dubai, Dubai Ports World (DP World), den auf eine 165jährige Tradition zurückblickende britischen Hafenbetreiber P&O. Die weltweit führenden Hafenbetreiber sind Hutchison Whampoa (Hongkong), AP Moeller-Maersk (Dänemark) Eurogate (Deutschland; Hamburg und Bremen) und PSA International (Singapur).

Ausgebaut werden auch die internationalen Schifffahrtswege. Die spektakulärste Entscheidung wurde in diesem Bereich 2006 in Panama mit dem Referendum zugunsten des Ausbaus des Panama-Kanals getroffen. Dieses für den Welthandel wichtige Nadelöhr – rund 5 Prozent des Welthandels passieren den Panama-Kanal – wird bis 2014 für gigantische „Post-Panamax-Frachter” schiffbar gemacht: Bisher kann er von Containerschiffen mit maximal 294 Meter Länge und bestückt mit 4500 Standardcontainern passiert werden, zukünftig soll er für 366 Meter lange Frachter mit bis zu 12.000 TEU befahrbar werden. Das Frachtaufkommen soll sich mehr als verdoppeln.

Bahnchef Hartmut Mehdorn und die russische Regierung betreiben das Projekt einer schnellen durchgehenden Schienenverbindung zwischen China, durch Russland und bis nach Deutschland, um auf diese Weise den klassischen Transportweg von Asien nach Europa zur See um mehrere Tage zu reduzieren.

Konkreter als das Projekt der Deutschen Bahn AG scheint dasjenige der VR China zu sein, in Europa einen neuen großen Hafen für den Containerschiffsverkehr zwischen Asien und Europa und mit Drehkreuzfunktion für Europa zu bauen. Die Wahl fiel dabei auf den griechischen Hafen Piräus bei Athen. Investiert werden soll rund eine Milliarde Euro; die Kapazität des Hafens würde auf 4,5 Millionen TEU verdreifacht. Zusammen mit dem Containerhafen von Tessaloniki (3,5 Millionen TEU), der im Verbund mit Piräus betrieben werden soll, würde eine Kapazität in der Größenordnung des Hamburger Containerhafens erreicht werden. Der chinesische Hafenbetreiber Cosco, der für das Engagement in Griechenland im Gespräch ist, kontrolliert bereits 70 Prozent des Containerhafens im italienischen Neapel. Die enge chinesisch-griechische Zusammenarbeit erklärt sich aus den Tatsachen, dass Griechenland mit der weltweit drittgrößten Containerflotte den größten Teil seiner neuen Schiffe in der VR China fertigen und dass im Gegenzug die VR China 80 Prozent ihrer Erdöl- und Rohstoffimporte in griechischen Tankern und Trockengutfrachtern importierten lässt.

Viele Projekte zum Ausbau der Infrastruktur werden damit begründet, es gelte Engpässe und „Nadelöhre” zu beseitigen. Doch wie bei den „Anti-Stau-Projekten” im Straßenverkehr ergibt sich immer: Die Beseitigung eines Nadelöhrs durch „Weitung” mündet darin, dass sich neue Passagen als neue „Nadelöhre” herausstellen. Insbesondere werden im Anschluss gewaltige Ausbaumaßnahmen im sogenannten „Hafen-Hinterland” gefordert. Hier stehen dann neue Ausbauten von Straßen, Binnenwasserwegen und Schienenwegen auf der Tagesordnung.

Die erwarteten Steigerungsraten im Schiffsverkehr sind derart groß, dass sich am Ende die gesamte Infrastruktur der Binnenökonomie als ein einziges „Nadelöhr” erweisen muss. Eine im Oktober 2006 vorgelegte Studie des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) und der Hamburger Berenberg Bank über die „Langfristigen Trends der maritimen Wirtschaft und Logistik” kommt zu dem Ergebnis, dass sich das Frachtvolumen in den europäischen Seehäfen bis zum Jahr 2030 verdoppeln wird, dass gleichzeitig das Volumen des Containerumschlags in den europäischen Häfen sich „mehr als versechsfachen” würde.

Das sind Steigerungsraten, die jede bestehende Infrastruktur überfordern, die den Begriff „Entbettung” erneut konkretisieren und die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Klima potenzieren.

Exportweltmeister als Transportweltmeister

Eine wichtige Debatte innerhalb der Antiglobalisierungsbewegung wird zur Frage geführt, inwieweit das Kapital seine nationalen Fesseln abgestreift und als „internationales” und als anonymes Finanzkapital agiere. Ich habe solche Aussagen als einseitig kritisiert und betont, dass es parallel zu den Internationalisierungstendenzen die verschärfte internationale Konkurrenz – auch eine Blockkonkurrenz und die Konkurrenz zwischen einzelnen Nationalstaaten – gibt. WOLF, Winfried 2000

Zu Recht wird immer wieder unterstrichen, dass der größte Teil der Handelsschiffe unter Billig-Flaggen segeln. Dies ist eine entscheidende Grundlage für das Lohndumping auf den Schiffen und damit wiederum für die niedrigen Frachtraten bei der Schifffahrt. Darauf wird in Teil 2 nochmals näher eingegangene. Hier interessiert zunächst die Frage, welche „Flagge“ die Eigner der Schiffe haben. Tatsächlich befindet sich rund ein Drittel der TEU-Stellplatzkapazitäten der weltweiten Containerschiff-Flotte in deutschem Eigentum. Deutschland, seit mehreren Jahren Exportweltmeister, ist seit wenigen Jahren auch größter Eigentümer bei der für die globalen Transporte entscheidenden Form, der Containerschiffe. Auf Rang zwei folgt Japan, auf Rang drei und vier Griechenland und Dänemark. Der Bestellbestand deutscher Reeder für neue Schiffe liegt so hoch, dass die führende deutsche Position in den kommenden Jahren noch ausgebaut werden dürfte.

Die deutschen Häfen galten im internationalen Vergleich lange Zeit als abgeschlagen. Dies hat sich im letzten Jahrzehnt radikal verändert. Beispiel Hamburg: Der Containerhafen der Hansestadt hat New York, Tokio und London bereits weit hinter sich gelassen. Bis 2010 soll er auch den zweitgrößten europäischen Containerhafen, Antwerpen (Belgien), ablösen, vor allem wegen der engen Einbindung in den Asienhandel und weil mehr als ein Drittel der in Hamburg umgeschlagenen Containerfracht aus einem Radius von 100 Kilometer stammt – der Vorteil einer Metropolen-Region, den Antwerpen nicht aufweisen kann. Zwischen 1995 und 2006 kam es beim gesamten Containerumschlag – Empfang und Versand – in Hamburg zu einer Verdreifachung. Die neu beschlossenen Ausbaumaßnahmen – in deren Rahmen auch die Teilprivatisierung zu sehen ist – sehen eine weitere Verdopplung der Umschlagkapazitäten vor. Rotterdam allerdings wird auf absehbare Zeit der führende europäische Containerhafen bleiben.

Noch mehr als die Häfen galten in den neunziger Jahren die deutschen Werften als konkurrenzunfähig. Doch in den letzten Jahren gab es auch hier eine erstaunliche Expansion. Im Jahr 2002 lagen die Auftragsbestände bei den deutschen Werften bei 5,5 Milliarden Euro. 2006 liegen sie mit 11,8 Milliarden Euro bei weit mehr als dem Doppelten. Die Zahl der vom Stapel gelaufenen Schiffe stieg von 119 im Jahr 2002 auf 230 im Jahr 2006. Zwar sind inzwischen bei den Massenfertigungen die Werften in Südkorea, Japan und China führend, doch die deutschen Werften spielen eine maßgebliche Rolle im Spezialschiffbau. Vor allem aber ist die deutsche Werftenzulieferindustrie – u.a. im Bereich des Schiffmotorenbaus – weltweit führend.

Die neue hervorgehobene deutsche Position im weltweiten maritimen Komplex ist nicht das Ergebnis purer Marktkräfte. Es ist der deutsche Staat, der diese Entwicklung fördert und der eine aktive Industriepolitik betreibt, wie sie angeblich im Zeitalter der Globalisierung keinen Platz mehr hat bzw. wie sie nach gängiger Leseart nur von Ländern mit einer sehr spezifischen Tradition, so von Frankreich, betrieben wird.

Seit rund drei Jahren gibt es in der deutschen Werften-Politik die Orientierung auf eine „EADS zur See”. Damit ist gemeint, man zielt ab auf eine neue europäische, insbesondere auf eine deutsch-französische Kapitalkonzentration im Schiffbausektor. Gleichzeitig soll dabei ein Komplex entstehen, in dem es eine enge Verflechtung zwischen der zivilen und der militärischen Fertigung ermöglicht, über staatliche Rüstungsaufträge zugleich die zivilen Kapazitäten, die auf eine „friedliche Eroberung” des Weltmarkts orientiert sind, zu stärken, just so, wie das beim Zusammenspiel zwischen dem Rüstungssektor von EADS und bei Airbus als EADS-Tochter der Fall ist.

Die aggressive und expansive Orientierung im deutschen maritimen Komplex wird bereits seit Antritt der SPD-Grünen-Regierung Ende der neunziger Jahre verfolgt. Es gibt regelmäßige „Maritime Konferenzen”, eingerichtet wurde die Position eines „Maritimen Koordinators” in Gestalt eines Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium. Die Rüstungsaufträge für die deutschen Werften wurden deutlich gesteigert. Wie im Vorfeld der EADS-Bildung, als zunächst die nationalen Kapazitäten bei der Rüstung und im Flugzeugbau zusammengebracht wurden, um die bestmöglichen Karten beim innereuropäischen Poker zu haben, kam es 2005 zu einem umfassenden Konzentrationsprozess auf „nationaler” Ebene: Die Thyssen-Werften Blohm + Voss und Nordseewerke fusionierten mit der Kieler HDW-Werft zu dem neuen Werften-Konzern ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS). Zur TKMS gehören auch Werften in Griechenland und Schweden. In Bälde dürfte es zu neuen Kapitalkonzentrationsprozessen kommen, die dann eine europäische Dimension und in ihrem Kern die Zusammenarbeit zwischen den deutschen und den französischen Schiffsbau-Konzernen haben.

Auch im wichtigen Hafensektor zeichnen sich „nationale Lösungen” ab. Bereits das im Jahr 2006 betriebene Projekt der Deutschen Bahn AG, den Hamburger städtischen Hafenterminalbetreiber HHLA zu übernehmen, zielte auf einen nationalen Logistikverbund. Er scheiterte auch aufgrund von Befürchtungen im Speditionsgewerbe, im Fall einer solchen vertikalen Konzentration erhalte der Konkurrent Deutsche Bahn AG mit der Tochter Schenker eine monopolartige Position. Ende März 2007 beschloss der Hamburger Senat, dass 70 Prozent der Anteile an der HHLA im kommunalen Eigentum verbleiben und 30 Prozent Anteile an der Börse verkauft werden, u.a. um einen weiteren Hafenausbau zu finanzieren. Zu dieser Kompromisslösung kam es vor allem aufgrund des erheblichen Widerstandes der HHLA-Belegschaft und der Gewerkschaft ver.di gegen den zunächst geplanten Verkauf von 49 Prozent der Anteile an einen der international operierenden Hafenbetreiber. Letzten Endes entspricht der bisher gewählte „nationale Weg” allerdings auch den Interessen eines Großteils der deutschen Logistik Branche.

Transportseigerungen als Wohlstandsgewinne?

Die Globalisierungs-Befürworter behaupten, der ständig wachsende Handel resultierte in Wohlstandsgewinnen. Dass dies eine Mär ist, verdeutlicht eine Untersuchung der Struktur der Handels- und Transportströme. Drei Strukturelemente der internationalen Warenströme seien als Beleg herausgegriffen.

Strukturelement 1 – Intrafirm-Trade

Bis zu 50 Prozent des weltweiten Handels stellen einen Warenaustausch innerhalb ein- und desselben – weltweit agierenden – Unternehmens dar. Dieser Austausch findet statt, weil einzelne Standortvorteile (hinsichtlich des Steuerniveau, der Arbeitskosen, der Umweltstandards) ausgenutzt werden. Die gleichen Waren könnten in der gleichen Qualität und ohne jegliche Wohlstandsverluste auch an einem einzigen Standort desselben Unternehmens hergestellt werden. Der dann höhere Preis zur Erstellung dieser Warten an einem Ort oder in einer Region läge dennoch deutlich unter dem Preis, der bei einer weltweit arbeitsteilig organisierten Produktion wird, wenn die realen Kosten der weltweiten Transportwege von dem entsprechenden Unternehmen bezahlt werden würden. Oder anders formuliert: Wenn diese Kosten nicht auf andere – auf die schmalen und breiten Schultern der asiatischen Seeleute auf den deutschen Schiffen oder auf spätere Generationen, die die Umwelt- und Klimafolgen zu tragen haben, umgewälzt werden würden.

Strukturelement 2 - Austausch von Waren ein- und derselben Art .

Die traditionelle Wirtschaftslehre besagt, die Vorteile des internationalen Handels lägen darin, dass Produkte, auf die sich ein Land – auf Grund von Traditionen, oft begünstigt von klimatischen Bedingungen – spezialisiert habe, mit Produkten aus einem anderen Land, auf das dieses sich wiederum spezialisiert habe, ausgetauscht würden. Soweit die Theorie. Tatsächlich entfällt jedoch ein großer Teil des gegenwärtigen internationalen Handels auf den Austausch von Gütern ein- und derselben Art. Die deutsche Import- und Exportstatistik weist aus, dass im Jahr 2005 für 4 Milliarden Euro Milcherzeugnisse exportiert und für 5 Milliarden Euro Milcherzeugnisse importiert wurden. Im gleichen Jahr wurden „Zucker, Zuckerwaren und Honig“ im Wert von 1,2 Milliarden Euro importiert und „Zucker, Zuckerwaren und Honig“ im Wert von 1,3 Milliarden Euro exportiert. 2005 wurde aus Deutschland Tierfutter im Wert von 1,6 Milliarden Euro importiert, gleichzeitig wurde Tierfutter im Wert von 1,6 Milliarden Euro exportiert. Ein kleinerer Prozentsatz dieser Austausch-Vorgänge mag mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und differierenden Qualitätsmerkmalen gerechtfertigt werden. Doch beim größten Teil derselben dürften Unterschiede in der Qualität nicht erkennbar sein.

Strukturelement 3 – Küstenschiffahrt:

Die traditionelle Statistik beim Binnenverkehr ist ein 4-modes-modal split: Als 100 Prozent aller Transporte wird die Addition der vier Transportarten Straße, Schiene, Binnenschifffahrt und Pipelines gewählt. Bereits bei einzelnen Staaten mit längeren Küstenlinien (z.B. Frankreich), ganz besonders aber im Fall der EU ist eine solche Statistik völlig irreführend. Tatsächlich gibt es seit geraumer Zeit eine fünfte Transportart, die innereuropäische Küstenschifahrt.

Diese spielt eine entscheidende Rolle. Inzwischen liegt die Küstenschifffahrt („short sea shipping“) knapp hinter den Lkw-Transporten. Im Jahr 2001 wurden 45,0 Prozent der Inner-EU-Transporte (im Fall der EU mit 15 Mitgliedsländern) auf den Straßen (und mit Lkw), 40,4 Prozent mit der Küstenschifffahrt, 7,8 Prozent mit Eisenbahnen, 4,0 Prozent mit der Binnenschifffahrt und 2,8 Prozent in Pipelines befördert. Neuere Statistiken für das Gebiet der 25 EU-Mitgliedstaaten weisen vergleichbare Relationen aus.

Das heißt, dass im Vergleich zu den direkten Straßen- und Schienenverbindungen gewaltige Umwege in Kauf genommen werden, dass Transporte von Hamburg nach Neapel, von Rostock nach Setubal (Portugal), von Bilbao nach Piräus, von Tessaloniki nach Dublin usw. abgewickelt werden. Bei dem zweitwichtigsten Verkehrsträger des inner-EU-Güterverkehrs, dürfte weit mehr als die Hälfte Umwegverkehr darstellen, mit dem die Statistik künstlich aufgebläht wird, was dann von vielen Apologeten der Globalisierung als „Wohlstandswachstum“ interpretiert wird. Natürlich gibt es spezifische Gründe für die Bedeutung der Küstenschifffahrt und für diese zunächst absurd anmutenden Umwegtransporte. Der entscheidende Grund sind erneut die niedrigen, direkt zu bezahlenden Transportkosten aufgrund niedriger Löhne der Seeleute und aufgrund minimaler Umweltauflagen.

Alle drei Strukturelemente der internationalen Transporte spielen nur deshalb die beschriebene große Rolle, weil die von den Unternehmen zu tragenden Transportkosten inzwischen nur noch einen minimalen Kostenfaktor darstellen. In einer Flasche Vinho Verde, der vom Abfüller in Portugal zum Großhändler in Deutschland transportiert wird, stecken rund 2,5 Cent Transportkosten. In einer Flasche Cabernet Sauvignon, der vom Abfüller in Chile zum Großhändler nach Deutschland transportiert wird, stecken 5 Cent Transportkosten. Damit konkurrieren Waren mit sektoriell vorhandenen Standortvorteilen (niedrigeres Lohn- und Steuerniveau; weniger kostspielige Umweltauflagen) fast direkt mit Waren vergleichbarer Qualität und Geschmacksausbildung (z.B. mit einem Gutedel-Wein aus dem Badischen oder mit einem Cabernet Sauvignon aus Frankreich oder Italien) miteinander, ohne dass die realen Transportkosten, die weitgehend externalisiert sind, ins Gewicht fallen würden.

Lecker China-Walnuss-Eis

Erst diese Exportstruktur – und nicht irgendwelche rationalen Entscheidungen des Marktes – führt zu der absurden stofflichen Zusammensetzung der globalisierten Waren. Hierzulande ist Walnusseis die zweitbeliebteste Art Speiseeis, hinter Vanille. „In diesem kühlen Meisterwerk sind Aromen, Geschmacksnoten und kulinarische Feinheiten harmonisch vereint”, lässt das Unternehmen Mövenpick auf seine Eissorte „Maple Walnut” drucken. Stünde dort: „Jegliches Walnussfleisch stammt garantiert aus der VR China", so wäre das möglicherweise weniger werbewirksam. Doch so ist es. Alle Walnussbestandteile im Eis dieser Sorte stammen aus der VR China. Die Walnüsse werden dort von Bauern geerntet und geknackt, in Säcken in Fabriken abgeliefert. Dort wird das Walnussfleisch sortiert; die Walnussstege und jegliches zu dunkle Walnussfleisch werden aussortiert. Ein eingeflogener deutscher Experte kontrolliert die Ware vor Ort, bevor es in Säcken verpackt wird, die Säcke in einem Hapag-Llloyd-Container des Konzerns TUI in einen chinesischen Hafen transportiert und dann auf dem Seeweg nach Europa verschifft werden. In Europa werden die Walnüsse durch heißen Ahornsirup gezogen („karamellisiert“) und schließlich dem Eis beigemischt. China hat laut Statistik im Jahr 2002 6721 Tonnen Walnussfleisch exportiert; in den deutschsprachigen Raum gingen 500 Tonnen. Derweil verrotten in der EU jedes Jahr Hunderte Tonnen Walnüsse auf dem Boden unter den Bäumen.

Dies ist kein Einzelbeispiel. Grundsätzlich gilt: In einer Ware ein und derselben Art und derselben Qualität stecken von Jahr zu Jahr mehr Transportkilometer. Dafür gibt es einen wissenschaftlichen Begriff, den der „Transportintensität“. Bis zur 1996er Jahresausgabe der Verkehrsstatistik „Verkehr in Zahlen“, herausgegeben vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), wurde dort die Kategorie „Transportintensität“ ausgewiesen. Ab dem Jahr 1997 wurde diese Statistik eingestellt. Die „Transportintensität“ stellt einen Maßstab dafür dar, wie viele Transportkilometer in einer Ware enthalten sind. Es handelt sich, laut „Verkehr in Zahlen“, um einen „Index (tkm/Produktmenge), der den volkswirtschaftlichen Transportaufwand (Eisenbahnen, Binnenschiffahrt, Straßengüterverkehr und Rohrfernleitungen) je produzierte Wareneinheit wieder (gibt).“

Nach dieser Statistik steigerte sich die Transportintensität aller in Deutschland gefertigter Gütergruppen von Index 100 im Jahr 1970 auf Index 149 im Jahr 1992. In 22 Jahren kam es also dazu, dass in einer Ware ein und dergleichen Qualität rund 50 Prozent mehr Transportkilometer „stecken“. Der Konsument hat keinerlei Gewinn, wenn in die Waren fortgesetzt mehr Transportkilometer eingehen. Karl Marx schlug sich mit dem Thema der Transportkosten bereits in Band II des „Kapital“ herum. Die gesellschaftlich notwendigen Transporte, so seine Theorie, seien wertbildend; unnötige Kosten in der Zirkulationssphäre – beispielsweise solche in der Lagerhaltung, die daraus resultierten, dass die Waren nicht absetzbar sind, gehörten dagegen „zu den faux frais (zu den toten Kosten; W.W.) der kapitalistischen Produktion“. Marx beendete seine Betrachtungen zu diesem Thema mit den Sätzen: „Die kapitalistische Produktionsweise vermindert die Transportkosten für die einzelne Ware durch die Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel wie durch die Konzentration ... des Transports. Sie vermehrt den Teil der gesellschaftlichen Arbeit, lebendiger und vergegenständlichter, der im Warentransport verausgabt wird, zuerst durch die Verwandlung der großen Mehrzahl aller Produkte in Waren, und sodann durch die Ersetzung lokaler durch entfernte Märkte. Das Zirkulieren, d.h. das tatsächliche Umlaufen der Waren im Raum löst sich auf in den Transport der Ware.“ MARX, Karl

Der vorletzte zitierte Satz bringt einiges von dem auf den Punkt, was wir aktuell im globalisierten Transport erleben. Doch die Wirklichkeit ist inzwischen konkret und konnte in dieser konkret pervertierten Form kaum vorhergesehen werden: Erstens „vermehrt sich“ tatsächlich „die gesellschaftliche Arbeit“, die im „Warentransport verausgabt“ wird – und sie vermehrt sich auch tatsächlich, weil so gut wie alle „Produkte zu Waren“ werden und weil „lokale durch entfernte Märkte ersetzt werden“. Zweitens sinken auch die Transportkosten, u.a. durch „Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel und durch die Konzentration“ des in der Transportbranche angelegten Kapitals. Doch drittens steigen gleichzeitig die volkswirtschaftlichen Kosten der Transporte gewaltig an, doch diese tauchen nicht in den von den Unternehmen und von den Konsumente zu bezahlenden Warenpreisen auf. Und weil das letztere so ist, werden die Transporte immer noch mehr gesteigert, entstehen immer noch absurdere arbeitsteilige Prozesse, ist immer noch mehr real verausgabte gesellschaftliche Arbeit im Transportsektor gebunden.

Wachstum der umweltschädlichsten Transporte

Es wächst keineswegs „der Transportsektor als solches“. Vielmehr wachsen neben der Hochseeschifffahrt und der Containerschifffahrt vor allem der Lkw-Verkehr und die Luftfracht. Der Eisenbahnverkehr und die Binnenschifffahrt stagnieren oder sind rückläufig.

Die Privatisierungen der Eisenbahnen sind ein Element, das zu einem weiteren Rückgang der Schiene – und zu einer weiteren Steigerung des Straßen- und Luftverkehrs – führen muss.

Es wachsen mit dem Lkw-Verkehre und dem Schiffsverkehr solche Verkehrsarten besonders schnell, die die Umwelt in besonderem Maß belasten und das Klima in starkem Maß schädigen. Bleibt die Frage zu klären: Warum wächst diese Art Transport derart beschleunigt? Drei Aspekte sind hierfür verantwortlich:

1. Die realen Kosten im Transport steigen, doch die Transportpreise sinken – weil die externen Kosten steigen

Als vor rund 25 Jahren erstmals Ökoinstitute vorrechneten, es würde so etwas wie „externe Kosten des Verkehrs“ geben, reale Kosten der Transporte, die in den Transportpreisen nicht enthalten sind, wurden sie weitgehend ignoriert. Inzwischen ist diese Erkenntnis anerkannter Stand der Verkehrswissenschaft. Die Verkehrspolitiker in Brüssel und Berlin verfügen über Analysen, die grob besagen, dass die Transportpreise beim Verkehr mit großen Lastkraftwagen höchsten 40 Prozent der realen Transportkosten decken. Der Luftverkehr bei den Billigairlines ist noch weniger kostendeckend. Konkrete Berechnungen für die Schifffahrt fehlen zwar weitgehend; es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Frachtraten deutlich weniger als 50 Prozent der realen Kosten decken.

Der schnell wachsende internationale Schiffsverkehr wird dann offensichtlich als umweltpolitisch problematisch erkannt, wenn es zu schweren Havarien kommt – sei es in Alaska (gestrandeter Tanker Exxon Valdez), sei es in Galizien (gesunkener Tanker Prestige) oder in der Bretagne (gesunkener Tanker Erika). Die Reste der zerborstenen Öltanks der Unglücksschiffe führten jeweils auf Dutzenden Kilometern zu verdreckten Stränden, die trotz Großeinsätzen u.a. von Militär oft erst nach vielen Jahren wieder begehbar und touristisch genutzt werden können.

Doch der Schiffsverkehr stellt auch ohne diese regelmäßigen Unglücksfälle eine dauerhafte Belastung der Umwelt dar. Transportschiffe, aber auch große Fahrgastschiffe können zu Recht als „mobile Müllverbrennungsanlagen“ bezeichnet werden.

Schiffsmotoren verbrennen gewöhnlich „Schweröl“ (oder „HFO = heavy fuel oil“). Dahinter verbirgt sich ein Sammelsurium von Dreckschemie, unter anderem stark schwefelhaltige Abfallprodukte des Raffinerie-Prozesses, die die Ölkonzerne, würden sie nicht weiterverwendet, nur mit hohen Kosten als Sondermüll entsorgen könnten. Da die Schifffahrt bisher fast komplett von gesetzlichen Bestimmungen zur Luftreinhaltung ausgenommen ist, können diese Abfallprodukte der Ölwirtschaft in den Schiffsmotoren verbrannt werden. Daran verdienen alle Beteiligten des maritimen Komplexes. Die Ölkonzerne können diese Abfälle, die sie eigentlich teuer entsorgen müssten, mit satten Gewinnen verkaufen, die Reeder können mit spottbilligem Sprit über die Weltmeere schippern, die Wirtschaft insgesamt profitiert von den niedrigen und langfristig immer weiter sinkenden Transportkosten.

In der Folge stößt ein durchschnittliches Schiff 150- bis 300mal soviel Schadstoffe je Tonnenkilometer aus wie ein Lkw.

Die bereits beschriebene Bedeutung der Küstenschifffahrt führt dazu, dass alle küstennahen Gebiete in Europa in erheblichem Maß unter dem Schadstoffausstoß des Schiffsverkehrs leiden. In Hamburg beispielsweise stammen rund 80 Prozent der SO-2-Emissionen (Schwefeldioxid) aus der Schifffahrt. Allein in den Gewässern der EU werden jährlich mehr als 35 Millionen Tonen Schweröl (vor allem durch die Küstenschifffahrt) verbrannt. Dies entspricht 29 Prozent der weltweiten Verbrennung von Schweröl (120 Millionen Tonnen).

Erste Maßnahmen, die Schadstoffbelastung durch den Schiffsverkehr – z.B. in der Ostsee – zu reduzieren, sind einerseits zu begrüßen. Andererseits wächst damit die Gefahr, das die „Dritte Welt“ sich noch mehr als bisher zur Müllhalde der „Ersten Welt“ bzw. des Konsum- und Transportmodells der „Ersten Welt“ entwickelt.

Spätestens zu dem Zeitpunkt, als die Theorie der „externen Kosten im Verkehrssektor“ von der offiziellen Politik anerkannt wurden, hätten diese Kosten zumindest in der Tendenz und Schritt für Schritt ansteigen müssen, womit die realen Transportkosten in die Preise integriert worden wären. Damit hätten sich die Transportkosten allgemein verteuert. Gleichzeitig hätten die Transportarten mit den höchsten externen Kosten die größten Kostensteigerungen verzeichnet.

Doch in Wirklichkeit kommt es zu einer gegenteiligen Entwicklung. Die Kosten im Lkw-Verkehr haben sich in den letzten 15 Jahren rund halbiert. Die Kosten bei Schifftransporten wurden in den letzten zwanzig Jahren auf rund ein Drittel des Niveaus reduziert. Die Kosten für die gesamten Transportketten dürften – vor allem aufgrund der Containertransporte – noch stärker gesunken sein.

2. Ehemaliges öffentliches Eigentum finanziert die Kapitalanlage und die Kapitalkonzentration im Transportsektor

Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen dem Wachstum der internationalen Transporte, den Privatisierungen und der Zerstörung von Daseinsvorsorge. Zu den weltweit größten Logistikkonzernen zählen die drei deutschen Unternehmen Deutsche Post mit der Tochter DHL, die Deutsche Bahn mit der Tochter Schenker zu wiederum der US-Logistiker Bax-Global gehört) und TUI mit Hapag Lloyd. Bei allen drei Unternehmen handelt es sich um ehemalige Unternehmen in öffentlichem Eigentum oder – im Fall der DB AG – um ein öffentliches Unternehmen, das sich in einem Privatisierungsprozess befindet. In allen drei Fällen gab und gibt es bei diesen Unternehmen Privatisierungsprozesse, deren Essenz darin besteht, dass das ehemalige staatliche Eigentum für extrem niedrige Beträge in private Hände überging und dass die Investoren in kurzer Zeit dazu übergingen, die klassischen Betätigungsfelder, die zur öffentlichen Daseinsvorsorge zählen, zurückzufahren und in den Transport- und Logistikbereich zu expandieren.

Andere führende Konzerne in der internationalen Transportbranche haben einen ähnlichen Hintergrund. Der weltweit größte Expressdienstleister Fedex profitierte vor allem von der Deregulierung im US-amerikanischen Lufttransportsektor. Das niederländische Logistikunternehmen TNT ging 1996 in das Eigentum der privatisierten niederländischen Staatspost und der daraus abgespalteten TPG über, wobei TPG seit 2006 selbst den Namen TNT trägt.

Überall kam es parallel zum Einstieg in die Transportbranche zu einem Abbau von Daseinsvorsorge. Die Privatisierungen erweisen sich als eine neue ursprüngliche Akkumulation eines gewaltigen Transportbranche-Kapitals. Kommt es zu einer Privatisierung der Deutschen Bahn AG nach dem sich abzeichnenden Muster, dann wird dies zu einem neuen Schub dieser Art Kapitalakkumulation führen. Das Aktionsbündnis Bahn für Alle hat vorgerechnet, dass dann im ersten Jahrzehnt nach dem Privatisierungsbeschluss Steuergelder in Höhe von mehr als 150 Milliarden Euro einer teilprivatisierten Deutschen Bahn AG zufließen werden. Diese will (u.a. mit diesen Gelder) erklärtermaßen vor allem ihr internationalen Logistikgeschäft ausbauen – und den Schienenverkehr im Inland abbauen.

(3) Die Transportwirtschaft ist aufs Engste verbunden mit der stofflichen Ausformung des aktuellen Kapitalismus, mit dem fossilen Kapitalismus

Der fossile Kapitalismus beruht in erheblichem Umfang und in ständig wachsendem Maß auf dem Verbrauch von Kohle und von Öl und seinen Derivaten (Benzin, Diesel, Bunkeröl, Kerosin), von Gas und von Uran. Alle diese Ressourcen sind endlich. Bei der für die aktuelle Weltwirtschaft entscheidenden Ressource, dem Rohöl, ist der Peak Oil seit einigen Jahren erreicht: Die Summe der neu entdeckten Ölreserven ist geringer als der Verbrauch. Die Reichweite der vorhandenen Ölreserven wird auf 35 bis 45 Jahre geschätzt. Dabei ist der zusätzliche Verbrauch noch unzureichend berücksichtigt, der mit der schnellen Industrialisierung von Indien und China verbunden sein wird. Aufgrund der Steuerungselemente des Kapitalismus (es zählt allein die kurzfristig zu erzielende maximale Rendite), des Abbaus von steuernder Politik und Daseinsvorsorge und der realen (bereits skizzierten) Zusammensetzung der mächtigsten Konzerne kam es in den letzten Jahrzehnten noch zu einer Verfestigung dieses Transportmodells.

Die gewaltigen neuen Transportkapazitäten, Hafenanlagen und andere Infrastruktureinrichtungen sind in der Regel auf eine Lebensdauer von drei bis fünf Jahrzehnten ausgelegt. Gleichzeitig sind sie in dieser extensiven Form kaum ohne Verkehrsmittel zu betreiben, deren Energie auf Rohöl und seinen Derivaten basiert. Das heißt, es werden gewaltige Investitionen getätigt für ein Transportmodell, dessen Jahre gezählt sind. Dies stellt einen zusätzlichen Faktor der Vergeudung gesellschaftlicher Ressourcen dar.

Eine auf Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit orientierende Politik für den internationalen Transportsektor läuft darauf hinaus, die stoffliche Form der Globalisierung in Frage zu stellen: einen Welthandel, der den Globus, die Umwelt und das Klima viel zu stark belastet. Auch mit Blick auf den Transportsektor stellt sich die Eigentumsfrage. Eine Weltwirtschaft kann nie zukunftsfähig sein, wenn die Ölkonzerne und die gegenwärtig maßgeblichen Konzerne im Transport- und Logistikbereich, die bereits in ihrer stofflichen Form jede Zukunft negieren, tonangebend sind. Sie müssen unter eine demokratisch-gesellschaftliche Kontrolle gestellt, vulgo enteignet werden.

Anmerkungen

1) Heinrich Heine, Lutetia, Berichte über Politik, Kunst und Volksleben, in: Heinrich Heine Werke, München 1984, 2. revidierte Auflage, Band 5, S. 449; hervorgehoben von W.W. Das Zitat geht danach so weiter, wie bei der ersten Wiedergabe angegeben.

2) ebd.

3) Elmar Altvater, „Verkehrtes Wachstum”, Beitrag zu: Oliver Schöller / Weert Canzler / Andreas Knie (Hrsg.), Handbuch Verkehr, 2007, S. 795

4) A. a. O., S. 792.

5) Dabei sind inzwischen die größeren 30- oder 40-Fuß-Container zum Standardtransportgefäß geworden. Sie werden aber statistisch nach wie vor in der Einheit „TEU = 20 Ft. Equivalent“ erfasst und abgerechnet.

6) Ausführlich in: Winfried Wolf, Fusionsfieber – Das große Fressen, Köln 2000.

7) Karl Marx, Das Kapital, Band 2, MEW Band 24, S. 153.

Übernommen von: http://www.labournet.de/diskussion/wipo/glob/wolf.html

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Mimenda, 2007-12-11, Nr. 4045

Interessante Details!! Aber was bringen Sie denn mehr als eventuell ein Bewusstsein dessen, dass überall wo Kapitalismus drauf steht, dieser auch drin ist und dass er selbst da drin ist, wo er nicht draufsteht?

Kapitalismus ist überall. Er ist auch in uns selbst, denn in und von dem Fetisch, der hier beklagt wird, leben wir alle auf die eine oder andere Weise. Denn wer nimmt nicht den Billigflieger (und Billigflieger sind ja mittlerweile eigentlich alle Fluglinien geworden, wenn man mal an die Flugpreise in den 80ern zurückdenkt)? Wer trinkt nicht mal Wein aus Chile, Wasser aus Frankreich usw? Solange das so ist, wird sich an der Gesamtmisere nichts ändern. Das "richtige" Bewusstsein einzelner im allgemein falschen Leben hat meiner Kenntnis nach noch nie irgendwas anderes gezeitigt als eine Aufhebung dessen was ist in eine höhere Stufe, auf der es fröhlich und bloß unter anderem Namen weiterexistiert. Daran haben auch Kriege und Zusammenbrüche nichts geändert.

Aber dieses vermeintlich richtige Bewusstsein redet gern mit einem Zungenschlag, der sich dem falschen Treiben nur deshalb nicht zugehörig dünkt, weil er richtig denkt, die anderen aber falsch. Die Frage ist für mich: welche Konsequenz hat dieses Denken?

Tragen die Kritiker ihr Geld auf die Wochenmärkten zu den heimischen Bauern, kaufen vornehmlich saisonale Lebensmittel, essen kein Fleisch, fahren nur Fahrrad oder mit der (bald privatisierten) Bahn? Haben sie überhaupt eine Ästhetik des Lebens, eine Lebenshaltung entwickelt, der es darum geht, von dem, was die Natur uns in unserem unmittelbaren Umfeld schenkt, sich zu ernähren? Ernähren heißt ja nicht bloß: sich satt essen. Ernährung ist Teil einer Lebenshaltung, die allen Angeboten des Kapitalismus gegenüber mit einem überlegten Ja oder Nein begegnet und die sich dabei dennoch bewusst sein muss, dass im falschen Leben keine Chance auf ein vollkommen richtiges Tun ist.

Das Problem mit dem Kapitalismus scheint mir zu sein, dass selbst dessen Kritiker nur eines seiner Symptome sind, denn alles verleibt sich das System gierig ein. Kritik ist entweder privat und teilt sich den Menschen mit, die man halt erreicht (auch hier hat man schon in der eigenen Familie oder im Freundeskreis keinen leichten Stand) oder eben auch nicht; oder sie wird, sobald sie öffentlich ist, zu einer Stütze des Systems, in dessen Macht es steht, sein Prinzip immer weiter auszuweiten, trotz aller Globalisierungskritik. So eigentümlich sich das anhören mag: das Kapital braucht den Widerspruch, um sich entwickeln zu können, denn im Widerspruch organisieren die Unzufriedenen sich nicht bloß, sondern sie organisieren zugleich auch ihren Gruppenfetisch als imaginierte Gegenwelt zum Feind, den sie zu bekämpfen glauben. Aus ihrem Kampf ziehen sie narzisstische Erfolgserlebnisse, ohne sich des Narzissmus bewusst zu werden, der in meinen Augen ohnehin bloß eine durch den Kapitalismus herbeigeführte Degeneration der Psyche ist, in der sich der Umstand manifestiert, dass der Mensch auch seine Seele bereits zur Ware gemacht und sie damit dem Teufel geschenkt hat, denn er kriegt ja nichts für sie als billige Glasperlen.

Diesen Kapitalismus schlägt man aber nicht mit Waffen, die nicht seine sind und mit den eigenen erst recht nicht. Denn es geht ihm ja nur vordergründig um rationales Handeln. Schaut man unter den Schleier des Fetisch, wird man gewahr, dass da nichts rationales dran ist (das zeigt der Beitrag nur zu gut). Und genau aus diesem Grund hat es - so glaube ich - keinen Zweck, rational gegen ihn vorzugehen.

Es ist für mich immer wieder dieselbe Frage: wie können wir es schaffen, das was wir denken, vom unnützen Windmühlenkampf gegen ein System zu befreien und eine Bewegung der Menschenherzen auszulösen, die dazu führt, dass sich im Verhalten und unter Beteiligung einer immer größer werdenden Gruppe etwas Grundlegendes ändert (nicht alles muss sich ändern, aber dennoch müsste sich unser Verhalten von Grund auf ändern). Es geht, um es christlich zu sagen, um Umkehr. Umkehr heißt für mich: wahrnehmen, was im eigenen Schatten steht, und dagegen angehen. Natürlich muss sich auch die Gesellschaft ändern. Wir können das Heil aber nicht von oben erwarten, will sagen: wir können es zwar von dort erwarten, aber von dort wird es nicht kommen.

Als Heine schrieb, dass durch die Eisenbahn der Raum getötet würde, hatte er im Allgemeinen recht, im Besonderen aber unrecht. Der persönliche Raum bleibt grundsätzlich der sinnlichen Inbesitznahme des einzelnen überlassen, er ist bei dem einen (ich denke dabei gerade an Stephan) die dezidierte Abkehr von der großen weiten Welt (ein lokaler Raum, der den Namen noch verdient), während der andere sich ihr hingibt und ihren Duft atmet (ein globaler Raum, der kein Raum mehr ist). Für diesen bleibt Raum Raum, für jenen wird er zu einer amorphen Vorstellung mit Fetischcharakter.

Die Bahn hat uns indes nicht die Zeit übriggelassen, sie hat sie erfunden. Eine Zeit nämlich, die sich nicht mehr am Erlebten misst, was notwendig das Innerliche zum Maßstab hat, sondern die sich von Außen her einteilt in verdinglichte (d.h. objektivierte) Zeiteinheiten. Die Bahn, nach der man in Deutschland sprichwörtlich einmal die Uhr stellen konnte (lang ist das her), steht demnach pars pro toto für die Bewusstwerdung des kaptialistischen Ausbeutungsprozess auf privatester Ebene, für den Einbruch des Systems ins das Private, das wir heute im Begriff sind, vollends abzuschaffen.

Kapital verdinglicht Raum und Zeit und macht beides durch Zauber (Fetisch) zur Ware. Kann es da nocht verwundern, dass es die Ratio außer Kraft setzt?

Stephan Jank, 2007-12-13, Nr. 4057

Lieber Mimenda,

bei allem Respekt für Deine (wie immer) präzise plazierte Prise TWA, will ich doch dem Winfried Wolf (zumindest ein wenig) mehr Dank zollen, als Du es kannst. Denn in welchem Bewusstsein auch immer er die vorliegende Demaskierung des globalisierten Transportirrenhauses verfasst hat - er hat bei mir etwas bewirkt, was mir in dieser Intensität schon lange nicht mehr passiert ist; ich habe nämlich schnell einen (wahrscheinlich aus China stammenden) Eimer holen müssen, um nicht direkt auf meinen (wahrscheinlich aus Taiwan stammenden) Monitor zu speiben. So gesehen hatte die Lektüre des Beitrags eine überaus kathartische Wirkung auf meinen Verdauungsapparat, der zu diesem Zeitpunkt und zu allem Überfluss mit (Lebens?)Mitteln gefüllt war, die mit hochprozentiger Wahrscheinlichkeit nicht von den nahegelegenen Bauernhöfen des Villacher Umlandes gestammt haben dürften. Winfried Wolf sei Dank für diese deskriptive Therapie.

Aber natürlich kann auch ich nicht umhin, Deine Einwände für mehr als berechtigt zu halten, wird doch hier schon wieder einmal (aber bei weitem nicht so schlecht wie sonst üblich) Kapitalismuskritik aus dem tief affirmierten Kategorientriplet WERT, ARBEIT und POLITIK entwickelt. So reduziert sich hier die gesamte Analyse der (hervorragend dargestellten) Absurditäten des globalisierten Transportunwesens bei genauer Betrachtung einzig und allein auf die Feststellung fehlender Kostenwahrheit. Hier spricht also nichts anderes als das (sich im eigenen Beitrag grandios selbst widerlegende) naive, kapitalistische Urvertrauen in die segensreiche Wirkkraft des FREIEN (aber politisch regulierten) MARKTES, der mit seinen FAIREN (kostenwahren) Preisen für eine gerechte Verteilung der knappen Güter sorgt. Auf den Punkt gebracht klingt dieses Geseiere etwa so: "Entsprächen nur die Transportkosten der Wahrheit (welcher eigentlich?), dann käme kein (Kapitalisten)Schwein auf die Idee, T-Shirts für den braven deutschen Arbeiter in China fertigen zu lassen, dann gäbe es auch keine Billigflieger und daher weniger Flüge (nach Phuket zum Beispiel, wo die braven deutschen Arbeiter kleine ThailänderInnen ficken); usw..." Und überhaupt wäre der Kapitalismus dann wohl ein heimeliger, nicht globalisierter Urquell menschlicher Heilserfahrung. Winfried Wolf, verzeih mir, aber so kommt der analytische Teil bei mir an.

Wer aber Kostenwahrheit einklagt, hat das Marktregime schon akzeptiert. Jenes Regime, das mit dem alles tötenden Diktat des "ökonomischen Sachzwangs" den Menschen jegliche Verhandelbarkeit ihrer eigenen Reproduktion entzieht. Und da kann dieser Markt so fair sein, wie er will. Der Markt ist das Diktat. Nicht der unfaire Markt. Ganz abgesehen davon, dass ein fairer (weil auf Kostenwahrheit beruhender) Markt historisch ohnehin nie etwas anderes war als eine naive Halluzination. Denn die Vorstellung von der politischen Steuerbarkeit (in diesem Fall: Herstellung von Kostenwahrheit) des kapitalistischen Prozesses zerbröselt vor dem "ökonomischen Sachzwang" zum frommen Wunsch.

Wer Kostenwahrheit einklagt, hat den Standpunkt seiner Kritik in das kapitalistische System verortet. Und dort bleibt der Kritiker in der Tat kapitalistisches Symptom, wie Mimenda meint. Wer das Marktregime akzeptiert, indem er Kostenwahrheit einklagt, hat jede emanzipative Perspektive aufgegeben. Wie lange müssen kluge Köpfe (und für so einen halte ich Winfried Wolf) noch hinschauen, wie viele Fakten müssen sie noch zu Tage fördern, wie viele Tastaturen müssen unter ihren wortgewaltigen Hammerschlägen noch zugrunde gehen, bis sie endlich begreifen, dass es nicht die "Entbettung der [kapitalistischen] Ökonmie" ist, wie sie immer meinen, sondern dass die kapitalistische Ökonomie selbst es ist, deren totalitäre und letale Wirkkraft den aktuellen Weltskandal verursacht?

KarlM, 2007-12-13, Nr. 4058

Meine Anerkennung an die Protagonisten: Winfried, Stephan, Mimenda

Ich mag eure Gedanken....aber mag ich eure Taten?

Beste Grüße
KarlM

Mimenda, 2007-12-13, Nr. 4059

nun, lieber stephan,

ich bin ein deutscher arbeiter (der zwar noch nicht in thailand war :-) und als solcher lob ich nur zwischen den zeilen. die details sind sehr interessant und waren mir SO nicht bekannt. insofern hatte ich ähnliche anwandlungen wie du.

du hast nun allerdings wissenschaftlicher und genauer auf den punkt gebracht, was unser beider eingeweide ähnlich gespürt haben mögen.

was ich immer zu sagen glaube ist ja, dass wir selbst nicht merken, wie sehr wir "integraler bestandteil" der ideologie sind, die wir zugleich meinen, an ihren symptomen bekämpfen zu müssen. das ist twa, aber der hat mir nur erzählt, was ich schon lange spürte, so wie du jetzt.

ich halte es für wesentlich, für das wichtigste überhaupt, wenn es um kritik geht, dass man nicht nur andere, sondern sich selbst demaskiert. wenn das geschafft wäre, wüsste man wenigstens erst einmal, woran man seine überschüssige energie nicht verschwenden sollte. aber:

es ist zu viel positivistisches gehabe und gedenke in der welt. einer ist immer schlecht, man selbst und das, was man tut oder die gruppe, der man angehört indes gut. dieses denken und fühlen ist schon ein wertdenken, ein kapitalistisches. es muss überwunden werden, um neutral (d.h. objektiv) und zugleich mit dem herzen (sic!) sehen und denken zu können.

KarlM, 2007-12-13, Nr. 4060

BITTE (ALLE!) HINTER DIE OHREN SCHREIBEN:


MIMENDA:
einer ist immer schlecht, man selbst und das, was man tut oder die gruppe, der man angehört indes gut. dieses denken und fühlen ist schon ein wertdenken, ein kapitalistisches. es muss überwunden werden.

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