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2006-04-06

Platz für die Elite!

VON KONRAD PAUL LIESSMANN

KONRAD PAUL LIESSMAN AUF kärnöl? Na ja, immerhin ist er gebürtiger Villacher. Und was er zur Zeit zum Thema Elite und Exzellenz zu sagen hat, unterscheidet sich wohltuend von einigen anderen seiner Ansagen. Also bringen wir hier - ohne freundliche Genehmigung - einen Text, der am 1. 4. 2006 im Spectrum der PRESSE erschienen ist. Wir wollen doch mal sehen, ob seine merkwürdig distanzierte Aufklärungsapologie unwidersprochen bleibt.

Warum eigentlich die neue Faszination für den Begriff der Elite? Nennen wir die Dinge beim Namen: Es handelt sich um ein Projekt der Gegenaufklärung. Vom Vorgaukeln und Abschotten - über unser Eliteprogramm.

Wenn alles gut geht, wird es in wenigen Jahren in Europa von wissenschaftlichen Elite-Einrichtungen, Exzellenz-Clustern, Institutes of Technology, Spitzenforschungsstätten und Weltklasseuniversitäten nur so wimmeln. Da die EU ein Europäisches Technologieinstitut ankündigt, ausgewählte deutsche Universitäten mit Exzellenzprogrammen aufgerüstet werden und in der ehemaligen Nervenheilanstalt Maria Gugging in Niederösterreich binnen weniger Jahre gleich eine ganze Elite-Universität herbeigezaubert werden soll, muss man sich um die Zukunft des Kontinents keine Sorgen mehr machen. Harvard, geht es nach dem Willen der europäischen Bildungsplaner, wird bald alt aussehen, das MIT zu einer regionalen Größe herabsinken und der Braindrain von Singapur ins Alpenvorland atemberaubende Dimensionen annehmen. Endlich wettbewerbsfähig geworden, wird sich die neue seuropäische Wissenschaftselite als dynamischer Kern jener privilegierten Schicht von "Symbolanalytikern und Wissensarbeitern" herauskristallisieren, denen nach den utopischen Vorstellungen so mancher Modernisierungseuphoriker die Zukunft gehört.

Auch jenseits des ideologischen Wortgeklingels lässt sich in der Tat eine bemerkenswerte Verschiebung im bildungspolitischen Diskurs beobachten. Begriffe wie Elite oder Exzellenz, die seit dem Zweiten Weltkrieg im Vokabular der Bildungsexperten nicht vorkamen, haben sich binnen weniger Jahre nicht nur einen festen Platz in deren Repertoire erworben, sondern wurden auch mit einer Aura umgeben, die eine Kritik etwa am Konzept von Elite-Instituten kaum mehr zulässig erscheinen lässt. Eine auf Rekorde und Spitzenleistungen versessene Gesellschaft kann gar nicht anders, als sich auch Wissenschaft nach eben diesen Prinzipien organisiert vorzustellen, und die Berichte über Big Science und weltweit umworbene Spitzenforscher erinnern immer öfter an die Hintergrundreportagen über die Transfersummen in der Champions League. Dass dabei in aller Regel an Naturwissenschaft und Technik gedacht wird, an Klonforscher, Molekularbiologen, Quantenmechaniker, Biomedizinier und Nanotechniker, gehört zum Bild einer Wissenschaft, deren Bedeutung eng mit den aufzuwendenden Mitteln und den anvisierten Profiten korreliert. Den Geisteswissenschaften wird es zum Verhängnis, dass sie ohne großen materiellen Aufwand betrieben werden können. Wenn die Eintreibung von Drittmitteln zum Qualitätskriterium einer Wissenschaft wird, wird der zum Versager, der solche Mittel gar nicht benötigt, weil ein Kopf zum Denken genügt.

Die Geisteswissenschaften stehen so einer paradoxen Situation gegenüber: Ihre wissenschaftliche Exzellenz ist trotz knapper Ressourcen in vielen Bereichen unumstritten, und dennoch stehen sie zur Disposition, da sie stets dem Verdacht ausgesetzt sind, keinen ökonomischen Nutzen zu bringen. Was immer die Geisteswissenschaften machen, wird sie nicht retten. Auch die besten internationalen Referenzen schützen bekanntlich traditionsreiche historische Institute und philosophische Abteilungen nicht vor der Schließung, und nichts ist so fragwürdig und flüchtig wie ein vermeintlicher Nutzen. Wie innovativ, seriös und anerkannt Geisteswissenschaften auch immer verfahren mögen - die Chance, in ein definiertes Exzellenzprogramm aufgenommen zu werden, haben sie ohnehin nur dann, wenn sie den einzigen Mehrwert versprechen, den Geisteswissenschaften anbieten können: ideologische Dienstleitung. Unter den vier (sic!) geistes- und sozialwissesnsschaftlichen Programmen, die die erste Runde des Exzellenzwettbewerbs der deutschen Universitäten überhaupt überstanden haben, fanden sich dann auch solch sinnige Projekte wie Media: Material Conditions and Cultural Practice oder Kulturelle Grundlagen von Integration. Diese enge Verschwisterung von Zeitgeist und Exzellenz sagt alles über die Chancen genuin geisteswissenschaftlicher Arbeit in der Welt der Eliten. Daran wirds auch die jüngst erhobene Forderung, nun auch für Geistes- und Kulturwissenschaften Exzellenzinstitute und Eliteuniversitäten einzurichten, wenig ändern. Besser wäre es, anstatt sich dem Zeitgeist und seinen Kapriolen anzubiedern, gleich bei der Sache zu bleiben, und wenn es denn sein muss, mit dieser zu verschwinden.

Der Hang zur Elite und zur Etablierungs von Elite-Institutionen hat natürlich seinen plausiblen Kern. Dieser lässt sich, wenn auchs leicht verkürzt, in einen einzigen Satz fassen: Nachdem die Universitäten durch die Reformen der vergangenen Jahrzehnte hoffnungslos ruiniert worden sind, müssen sie unter anderem Namen noch einmal erfunden werden. Zumindest ist es auffallend, dass man alles das, was den Universitäten in den letzten Jahren fraglos zugemutet wurde, an den neuen Eliteeinrichtungen gerade nicht haben will. Natürlich werden diese per definitionem keine Massenveranstaltungen sein, und wenn überhaupt noch ausgebildet wird, dann nur solche Nachwuchswissenschaftler, die schon einen akademischen Abschluss vorzuweisen haben und sich durch herausragende Leistungen für eine weitere forschungsorientierte Ausbildung empfehlen. Die Verwaltung soll schlank sein, und selbstredend wird den Eliteforschern all das an Administration, Planungs- und Gremienarbeit, Mitteleinwerbung und Erstellen von Statistiken aller Art, was den Universitätsalltag so unerträglich macht, nicht zugemutet werden können; an den Elitestätten soll gelten, was man den Universitäten als Flausen ausgetrieben hat - dass Forschung vor allem eines braucht: Zeit und Freiheit. Wer immer an einer Universität tätig ist, hat nur eine Sehnsucht: einmal in Ruhe und ohne Zwang und Vorgabe das machen zu können, zu dem er angeblich auch angestellt worden ist - nachdenken, forschen, experimentieren, schreiben. Keine Wunder, dass die Vorworte wissenschaftlicher Veröffentlichusngen voll sind von Danksagungen an jene Institutionen, Kollegs und Einrichtungen, die einen wenigstens für ein paar Monate vom Joch des universitären Alltags befreiten.

Das ganze Ziel- und Leistungsvereinsbarungsunwesen, das an unseren Universitäten seit geraumer Zeit zu beobachten ist und das Erkenntnis als planwirtschaftlichen Vorgang auffasst, soll dort, wo die Elite werkt, natürlich nicht gelten. Zumindest was die Forschung betrifft, wird einiges von dem, was nach der Humboldtschen Idee eine Universität auszeichnet und was jahrzehntelang als unmodern, reaktionär, überholt oder nicht mehr zeitgemäß denunziert wurde, nun also an der Elite-Universität wieder reüssieren. Das muss diejenigen, die solche Verhältnisse wenigstens tendenziell an jeder Universität verankert wissen wollten und dafür als Reformverweigerer gebrandmarkt wurden, dann doch verärgern.

Nachdem die traditionellen Universitäten zu mehr oder weniger berufsqualifizierenden Ausbildungsgängen mit knappen Ressourcen heruntergewirtschaftet wordens sind, rettet sich die halbierte humanistische Universitätsidee in die aus dem neoliberalen Geist des Wettbewerbs geborene Elitekonzeption. Hegel nannte solche Vertracktheit die List der Vernunft. Am Ende werden genau jene drei oder vier Prozent der Studierenden in den Genuss einer fundierten wissenschaftlichen Bildung kommen, die vor den Reformen die damals noch funktionierenden Universitäten auch schon besuchten. Der Rest wird zwar in der Statistik zu Buche schlagen, aber bestenfalls halbwegs gut für einen Beruf qualifiziert sein. Die hohen Akademikerraten, die durch eine Inflation von Masters aller Art noch einmal geschönt werden, stellen so das größte bildungspolitische Täuschungsmanöver der Gegenwart dar.

Doch auch wenn man diese Entwicklung für notwendig hält - warum eigentlich die neue Faszination für den Begriff der Elite? Warum genügt es nicht, das Scheitern der Universitätsreformen einzugestehen und deshalb die Gründung kleiner, aber gut ausgestatteter Institute zu fordern, damit wenigstens eine ungestörte Forschung möglich ist. Warum die Ausweitung des Universitätsbegriffs auf nahezu alle postsekundären Ausbildungen und gleichzeitig der Ruf nach Elite und Exzellenz?

Die neue Liebe zu diesen alten Begriffen speist sich nicht nur aus wissenschafts- oders forschungspolitischen, sondern vor allem aus sozialpolitischen Motiven. Elite kann immer nur als Gemeinschaft gedacht werden - die Gemeinschaft der Auserlesenen. Einmal abgesehen von der Frage, wer nach welchen Kriterien diese Auslese vornimmt, geht es bei Elitenbildung um die Konstitution einer sozialen Einheit, die sich durch eine eigentümliche Differenz gegenüber allen anderen konstituiert: Diese sind nämlich per definitionem einfach die Schlechteren. Den betulichen Versicherungen der Elitenbildner, dass es ja dabei um funktionale Eliten geht, um Leistungseliten, und dass niemand daran denkt, aus der Tatsache wissenschaftlicher Spitzenleistungen soziale Privilegien abzuleiten, ist ein Märchen. sDort, wo es funktionierende Eliteuniversitäten gibt, fungieren diese nicht nur als hervorragende Plätze für Forschung und mitunter auch für Lehre, sondern vor allem auch als Produktions- und Reproduktionsstätten sozialer Zugehörigkeiten, die bei weitem nicht immer mit den intelletuellen Ansprüchen korrelieren, die man an eine Elite stellen möchte. Die Internationalisierung der Wissenschaften ist auch ein weltweiter sozialer Segregationsprozess, in dem sich eine schmale Schicht herauskristallisiert, deren Mitglieder in der Regel nur mehr mit ihresgleichen kommunizieren, sich von ihresgleichen bewerten lassen und mit ihresgleichen durch Rituale, Verbindungen und wechselseitige Hilfestellungen bei aller Konkurrenz eine verschworene Gemeinschaft bilden. Dem wissenschaftlichen Fortschritt sind institutionalisierte Elitenbildungen übrigens nicht sonderlich dienlich: Sie erzeugen einen informellen Druck zur sozialen und intellektuellen Anpassung und sabotieren so gerade jene unorthodoxen und abseitigen Charaktere, ohne die es keine Innovationen gäbe.

Das Konzept der Wissenseliten nimmt den seit der Moderne zum Programm erhobenen exoterischen Charakter der Wissenschaften, ihre Öffentlichkeit und ihren Anspruch, selbst an der Aufklärung mitzuwirken und diese mitzutragen, in einem rasanten Tempo zurück. Eliten sondern sich ab, vorrangig einmal durch die Sprache, die sie verwenden. Man muss die rasche Etablierung des Englischen als alleinige Wissenschaftssprache ja nicht wie der britische Sprachwissenschaftler Robert Phillipson sgleich als puren Sprachimperialismus diskreditieren - bei allem Wettbewerbsvorteil, den native speakers gegenüber jenen haben, die diese Sprache erst erwerben müssen, sind die Vorteile in der Kommunikation unübersehbar -, aber man soll auch nicht die Augen davor verschließen, dass in dem Maße, in dem nationale Sprachen aufhören, auch Wissenschaftssprachen zu sein, genau jenes Motiv außer Kraft gesetzt wird, das durch die Aufklärung dazu geführt hatte, die einstige Wissenschaftssprache Latein durch dies Volkssprachen zu ersetzen. Wissenschaft, so das Credo der Aufklärer, sollte sich an alle richten und nicht nur an die Gelehrten. Dass nun auch in nicht englischsprachigen Ländern immer mehr gehobene Studiengänge in Ensglisch angeboten werden, wird die erwünschte Internationalisierung durchaus befördern, enthält aber auch die Gefahr, dass für entscheidende Bereiche aus den Wissenschaften, der Technik, der Ökonomie und zunehmend auch der Politik und des Rechts in der eigenen Sprache schlicht die Begrifflichkeiten fehlen. Wer einmal beobachtet hat, wie ein Experte verzweifelt versucht, einen Sachverhalt, den er s8;0wahrscheinlich jederzeit auf Englisch formulieren könnte, in seiner Muttersprache auszudrücken, ahnt, welche Entwicklung sich hier abzeichnet. Die Konsequenz wäre, den alten europäischen Nationalsprachen nur noch den Status regionaler Dialekte zuzugestehen, der ausreicht, alltägliche Verrichtungen zu beschreiben; sobald es gehoben, professionell, gar wissenschaftlich wird, fehlen die Worte, und man wechselt die Sprache.

Bei aller Zwangsläufigkeit, die man solchen Prozessen im Kontext der Globalisierung gerne zuschreibt, erstaunt dennoch der geradezu beflissene Eifer, mit dem vor allem im deutschen Sprachraum an der Abschaffung des Deutschen als Wissenschafts- und Arbeitssprache gearbeitet wird. Fast scheint es so, als sähen viele Deutsche und Österreicher darin auch die lange ersehnte Möglichkeit erfüllt, sich endgültig vom Makel des Deutschtums und des Nationalismus zu befreien. Wer im Beruf, zunehmend aber auch im privaten Verkehr - hier nicht ohne kokettes Augenzwinkern - dem Englischen den Vorzug gibt, hat sich damit nicht nur als Bürger einer Weltzivilisation ausgewiesen, den nichts mehr mit dem verbohrten Rest der Bevölkerung verbindet, sondern er scheint auch gefeit vor jeder Form reaktionärer Deutschtümelei. Solche Intentionen mögen aus der historischen Perspektive durchaus gute Gründe haben und in ihren Intentionen ehrenwert sein - und doch scheinen sie auch motiviert zu sein von einem Hass auf das Eigene, der sich selbst als Ausdruck einer ziemlich bornierten und für Dünkel höchst anfälligen negativen Fixierung erweisen könnte. Die Wissenseliten zeichnen ssich so nicht unbedingt durch Originalität und Kreativität aus, sondern vorab durch ein äußerliches Merkmal: die Verwendung des Englischen. Das mag, wie bei allen Signaturen von Eliten, schon auch einmal skurrile Züge annehmen. Wenn bei in Deutschland stattfindenden Tagungen aus Deutschland stammende Vortragende vor einem deutschsprachigen Publikum englisch sprechen, um ihre Internationalität zu beweisen, dann ist das einigermaßen absonderlich; und ob die Unsitte, akademische Abschlüsse, Studiengänge, Institutsbezeichnungen und Forschungsprojekte nur noch mit englischen Bezeichnungen zu versehen, tatsächlich Weltspitze signalisiert soder diese nur vorgaukelt, könnte auch einmal diskutiert werden.

Angesichts der Dynamik dieser Entwicklung wird der jüngste Versuch des deutschen Wissenschaftsrates, zumindest in Teilen der Geisteswissenschaft die deutsche Sprache auch als Wissenschaftssprache zu erhalten, wahrscheinlich vergeblich sein, auch wenn dafür gute Gründe angeführt werden können. Wie dramatisch diese Entwicklung verlaufen ist, wird deutlich, wenn man etwa daran erinnert, dass Hans-Georg Gadamer noch in den späten Jahren zwar die Funktionalität und Notwendigkeit einer Einheitssprache für die Naturwissenschaften unterstrich, für die Geisteswissenschaften dieses Ansinnen aber deutlich zurückwies: "Man kann sich nicht einmal vorstellen, dass diese Kulturwelt sich, auch wenn es noch so praktisch wäre, für die Geisteswissenschaften ebenso auf eine internationale Verkehrssprache einigen könnte, wie sich das in der Naturforschung schon seit längerem anbahnt." Die nahezu widerstandslose Akzeptanz des Englischen als Kongress- und Verkehrssprache auch der Geisteswissenschaften deutet an, dass der Zusammenhang zwischen Sprache, Kultur, Geschichtsbewusstsein und Reflexionsvermögen, der für Gadamer noch evident gewesen war, seine Gültigkeit verloren hat. Welche Auswirkungen dieser Prozess auf Stil, Ausdruck, Differenzierungs- und Reflexionsvermögen in den Wissenschaften selbst haben wird, bleibt abzuwarten.

Die Rede von wissenschaftlichen Eliten und Exzellenzen signalisiert so nicht nur einen unbedingten Willen zur Leistungssteigerung, sondern auch eine Tendenz zur Abschottung und Ökonomisierung des Wissenschaftsbetriebs. So wie die neuesten Reformen die Universitäten, die bisher noch immer im Wesentlichen von der öffentlichen Hand finanziert werden, als Unternehmen definieren, die einem Aufsichtsrat gegenüber verantwortlich sind, der alles andere als ein Repräsentant der Öffentlichkeit ist, so wird Wissenschaft zunehmend als ein internationales Unternehmen interpretiert, zu dessen Programm die Idee der Bildung des Menschen nicht mehr gehört.

Man kann aus guten Gründen durchaus für solch eine Konzeption sein und für die Rückkehr zu einem aufgeklärten Absolutismus plädieren, der das Volk zwar milden Segnungen des wissenschaftlichen Wissens beglückt, aber von den Zentren und Verfahren dieses Wissens fern hält. Denkbar durchaus, dass solch eine Arbeitsteilung nicht nur den Wissenschaften zugute kommt, sondern auch den Menschen, die nun von allen Ansprüchen, die über berufsqualifizierende Maßnahmen hinausgehen, befreit sind.

Das Mindeste aber wäre, dass man dies klar sagt und dass begriffen wird, dass sich Europa damit von einer europäischen Idee par excellence verabschiedet. Der Bildungsbegriff der Aufklärung war seiner Idee nach prinzipiell offen gedacht, er sollte der Motor der Emanzipation sein, Voraussetzung für den Ausgang des Menschen aus einer wie auch immer verschuldeten Unmündigkeit. Und auch die klassische Organisation von Wissenschaft in einer "Gelehrtenrepublik" verstand die Universität weniger als Ort der Eliten als vielmehr als Modell für eine durch den Geist gestiftete Gleichheit, das Vorbild sein konnte für die Verfasstheit der Gesellschaft überhaupt.

Das elaborierte Wissen einer Gesellschaft aber programmatisch auf eine auserlesene Schar - nichts anderes meint Elite - zu beschränken ist schlechterdings vormodern und drängt den Wissenschaftler in die Rolle des Priesters. Keine Frage, dass sich manche mit dieser Rolle durchaus anzufreunden vermögen - dem Konzept der Aufklärung sind Position und Gestus des Wissenspriesters allerdings fremd. Die Schwäche Europas in der intellektuellen Auseinandersetzung mit vormodernen Denk- und Lebensformen gründet vielleicht auch darin, dass das Konzept der Wissenselite selbst vormoderne Züge trägt. Es macht sich nicht gut, bei jeder Wertedebatte die Aufklärung als Kern der europäischen Identität zu beschwören und diese gleichzeitig freudig erregt wegen eines vermeintlichen Wettbewerbsvorteils preiszugeben. Man sollte wenigstens zu dem stehen, was man tut. Auch der weltweit agierende neofeudale Kapitalismus und die ihm angeschlossenen Wissenschaften haben es verdient, beim Namen genannt zu werden: Es handelt sich um ein Projekt der Gegenaufklärung.

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