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Helga Pankratz

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2005-12-23

Plädoyer für lesbische Engel

Der Saurüssel- Dezember 1991

„Engel", sagte sie, „sind leider männlich ...", und knickte traurig die Flügel einwärts. Männlich? ... Männlich? frage ich mich. Was konnte männlich im Zusammenhang mit Engeln bedeuten? Wo hatte ich dieses männlich schon einmal gehört, das nun ausgerechnet die Engelsexistenz für uns als würdige Daseinsform disqualifizieren sollte? Wo doch gerade Engel nicht für eines der beiden Geschlechter vereinnahmt werden können, ohne damit die Besonderheit des Engelseins zu töten.

Ich kenne viele schwule Engel. Engel von Fichte, Engel von Pasolini, Engel von Cocteau. Die Männer in Zofenkleidern von Genet: Sie sind Engel. Der maricon, der mit dem politischen Gefangenen in einer Zelle sitzt: Manuel Puigs Beschreibung eines Engels. Engel in Fassbinders Filmen, Engel, von Almodovar in helles Licht getaucht, ausgeliefert dem blutigen Gesetz der Begierde … Überall Engel, wo immer du Schwulen begegnest.

Je südlicher das Land und je männlicher seine Männer, desto prächtiger sind seine Engel. Erwachsene Engel, dramatische Engel, stark im Lieben, groß im Leiden: spanische, portugiesische, süditalienische, französische Engel. Mit und ohne Operation, mit und ohne Schminke, mit und ohne Mieder und Stöckelschuh sind sie das grandiose Gegenteil von männlich und doch niemals Frau, wie gewöhnliche Frauen es sind. - Die Schönen, die Gefühlvollen, die Schmerzensreichen!

Bei uns im Norden reicht weder der Machismo weit noch der Katholizismus tief genug, Engel so deutlich in die grelle, wilde Offenbarung ihrer selbst zu treiben, sie herauszufordern zum Farbebekennen. Leise sind sie's hierzulande, schwermütig, zärtlich und innerlich.

Sie rupfen einander die Federn aus in manchen Nächten in den Schwulenbars. Mit kleinen, spitzen Worten picken sie aufeinander los, wenn man zu viele von ihnen zu nahe zusammensperrt. Außenstehende bemerken kaum, dass Engelchen im Räume sind, aber die Engel selbst erkennen einander von weitem - und spätestens nach dem ersten Satz, den einer von ihnen gesprochen hat. Sie brauchen viel Platz um sich herum, in dem sich nicht die Schar anderer Engel, sondern der Kreis der Bewunderer einfinden sollte.

Die jungen Engel sind es, die in unseren Breiten vor allem besungen werden: gefährlich-gefährdete Knaben. Heilig-tödlich, gefürchtet-geliebte Novizen sind sie, käuflich manchmal.
An der Kippe zwischen Knabe und Mann bewegen sie sich androgyn vor den brechenden Augen der älteren Männer: wie schon zu Zeiten Thomas Manns, so bis heute, nicht nur an den Stranden, auch in den Parks, in Spielhallen und den Spelunken der Subkultur. „Amado mio!" ist der letzte Schrei der Männerseele, die am Ende ihrer Reise jenem Engel ins Messer der blitzenden Erkenntnis rennt, der der Todesengel gewesen ist.

Sie haben ihre Engel am besten und am häufigsten beim Namen genannt, die schwulen Männer. Doch für sich allein beanspruchen können sie die Engelhaftigkeit noch lange nicht. Die Geschichte der Prostitution ist eine lange Geschichte der Engel. Die Geschichte der Engel ist die Geschichte der Hexen und Hexer, die Geschichte der Priesterinnen und Priester, der Schamanen und Schamaninnen und auch der Eunuchen - gleich, ob sie nun Kirchengewölbe mit dem Klang ihrer reinen Stimmen erfüllten oder ob des Sultans Frauen zu sehen ihr Vorrecht war. - Wer wäre Engel je gewesen, wenn nicht die Seherinnen und Orakel der Antike!

Nie hatten Engel ein banales, ein eindeutiges Geschlecht. Sie tragen nicht ein bestimmtes Geschlecht vor sich her als Schutzschild vor der allseitigen Verwirrung, als Alibi für das, was sie tun. Sie sind Wesen der Vermittlung zwischen öden Gegensätzen, Wesen ohne trennendes, teilendes, grenzenziehendes entweder männliches oder weibliches Geschlecht.

Das Geschlecht der Engel ist vieldeutig. Sie sind Botschafter, Grenzgänger, personifizierte Schwebezustände. Sie wissen Bescheid zwischen Himmel und Erde, auf eine Weise, wie ein gewöhnlicher Mann, eine gewöhnliche Frau es sich nie wird vorstellen können.

Die Geliebte aber, während das Morgenlicht ihre überraschend großen Schwingen mit einem metallischen Gleißen überzog, saß da, gesenkten Hauptes, und hatte Skrupel, „mein Engel" zu sein. Bedrohlich nahe sah ich die feministische Klinge ihrem Selbstverständnis kommen: eine scharfe Klinge, imstande, scheibchenweise das Beste aus Frauenseelen herauszuschneiden. Ein präzises, säuberlich trennendes Kastrationsinstrument. Gefährlich gerade für Lesbenseelen, in denen die Messer-Worte „du bist männlich!" ein Gemetzel und Verstümmelungen anrichten können, die ihresgleichen suchen.

„Ja, meine Liebe", brauchte ich nur zu sagen, „Engel sind männlich!" - und auf der Stelle würde gehorsam das Lodern ihrer Flügelpracht verlöschen. Vor meinen Augen würden sie zu Asche werden, papieren, verbrannt in sich zusammenfallen, als sei an ihrer Stelle nie etwas gewesen. Tapfer würde sie mich angelächelt haben: eine gute Frau, eine eindeutige Frau, eine weibliche ... weibliche ... weibliche.

„Ich glaube nicht", sagte ich endlich, „dass wir das Engel-Sein allein den Männern überlassen dürfen. Bloß vielleicht, weil uns jene Frauen, die Engel waren, nicht ausreichend überliefert sind."

Aufatmend legte sie ihre Flügelspitzen an die meinen. Funken, tanzende Sonnenfunken flössen zwischen unseren Gefiedern hin und her. Wir waren mit dem Frühstück fertig und hoben mit himmlischer Leichtigkeit wieder einmal unbeschadet von der Erde ab.

Mit freundlicher Genehmigung der Autorin:
Helga Pankratz: „Aus Lesbischer Sicht: Glossen und Kommentare zum Zeitgeschehen“, Milena Verlag (Reihe Dokumentation Bd. 26), 2002

ISBN 3-85286-098-9

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