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Gottfried Berger

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2005-03-17

Die Welt eine Harddisk?

Der vorliegende Beitrag sollte eigentlich eine Nachlese zur kärnöl Linux-Installationsparty werden. Dieses Unterfangen ist aber gescheitert, weil sich der Verfasser in den Diskussionsforen der Open-Source Bewegung verloren hat. Und das aus gutem Grund! Die Open-Source Szene erweist sich nämlich als überaus ideologisiert und ist deshalb von besonderem Interesse. Trotz alledem: vorab ein paar Impressionen von der kärnöl Linux-Installationsparty:

Es war schon eine bunte Gesellschaft, die sich da mit schubkarrenweise angeliefertem IT-Sondermüll am letzten Feber-Wochenende im Gasthaus Kasino einfand. Und da war eine gerüttelte Portion Skepsis, die da breit in der Luft lag. Ob denn das gehasste Windows nach einer Linux-Installation wohl noch funktionieren würde? Für mich jedenfalls kam eine Linux-Installation mit beschränkter Haftung nicht in Frage. Zumal ja Linux zwischenzeitlich zum Synonym für emanzipatorische IT-Kultur avanciert ist. Und tatsächlich: "Linux ist ideologisch" lautet ein zentraler Vorwurf der Linux-GegnerInnen an die Linux-Gemeinde. Als würde das auf die Bill Gates Connection nicht zutreffen! Die Linux-Gemeinde jedenfalls kann antimonopolistischer Freiraum sein, der täglich erkämpft werden muss. Und das machte die Verabschiedung von MicroSoftxx für mich zum moralischen Gebot. Bill Gates hat sich sogar an meiner Hardware festgekrallt. Einige seiner virtuellen Fingernägel liegen immer noch im Rechner. Das Win-Modem hat er nicht losgelassen. Ich habe ihn damit absaufen lassen. Manchmal muss man eine Brücke hinter sich abreissen, damit man - ob der Mühen des Weges - nicht der Versuchung erliegt, umzukehren. Soweit meine persönliche Anmerkung. Windows sollte damit kein Thema mehr für mich sein.

Damit wir wissen, wo wir sind

"Ein Drittel der Weltbevölkerung hat noch nie telefoniert. Es gibt mehr Internet-Rechner in London als in ganz Afrika. 90% der Internet-Rechner befinden sich in Ländern mit höherem Einkommen, welche wiederum gerade einmal 16% der Weltbevölkerung stellen"

"Nur ca. 1% der Weltbevölkerung hat Zugang zum Internet. Dies sind hauptsächlich weisse, männliche Amerikaner" (Christian Fuchs, Streifzüge 1/2001)

Soviel zur Relativierung der sogenannten IT-basierten Wissensgesellschaft. Kann sein, das es in den nächsten Jahren 3 Prozent werden - trotzdem sind die damit verbundenen Fragen ein "Randgruppenproblem".

Patente - na und?

Generell ist das gesamte Patent(un)wesen der Versuch des national und international agierenden Kapitals, die von ihm durchgesetzte Abschaffung diverser Beschränkungen im Warenverkehr durch die Hintertür zu seinem Schutz und zur Realisierung von Extraprofit für sich wieder einzuführen. Wenn etwas in der derzeitigen kapitalistischen Ökonomie "antikapitalistisch" ist - dann ist es die "freiwillige" Selbstbeschränkung hinsichtlich Einhaltung von Patentschutzbestimmungen.

Patente, Geheimniskrämerei, proprietäre Software (auf neu Sprach) sind Hemmnisse für die Entwicklung der Produktivkräfte im Bereich der "Wissensgesellschaft", weil quasi die Notwendigkeit das Rad stets neu zu erfinden gestellt wird. Aber man steht dazu - siehe oben. Insofern könnte die Open Source Bewegung ein indiz bzw. ein ideologischer Reflex auf diese Unvereinbarkeiten sein. Daraus abzuleiten, dass dies überhaupt Keimform einer sich abzeichnenden neuen Form der Produktion sein sollte, scheint angesichts der einleitend angeführten Zahlen, verfrüht. Auch in den sogenannten "Wissensgesellschaften" der reichen Länder wird der Charakter der Arbeit für die wesentlichsten Teile der Gesellschaft einigermaßen traditionell bleiben.

IT: Rückkoppelung auf sich selbst

Dazu passt auch jene Erkenntnis dass sich entgegen allen Erwartungen und trotz des massiven Computereinsatzes in den imperialistischen Metropolen die Zuwachsraten in der Arbeitsproduktivität abflachen. Das Paradoxon von Solow (Nobelpreisträger für Ökonomie) besagt:

"Überall sieht man die Effekte der Informatik, nur nicht in den Statistiken über die Produktivität."

In den USA ist eine Debatte darüber entbrannte, ob die Verdoppelung des Produktivitätszuwachses von 0,6% in der Zeit von 1991-1995 auf 1,25% in der Zeit von 1996-1999 eine Auflösung des Solow'schen Paradoxons bedeutet. Robert J. Gordon hat herausgefunden, dass außerhalb des Informatiksektors selbst die Computer die Produktivität nicht verbessert haben und hat dies als ein neues Paradoxon gefasst:

"Die Informatik erhöht die Produktivität nur in jenen Unternehmen, die informatorisches Material herstellen."

Nachfolgendes, etwas umfangreicheres Zitat von Christian Fuchs bringt einiges an aktuellen Fragestellungen der Open Source Gemeinde auf den Punkt. Christian Fuchs setzt sich in seinem Beitrag "die IdiotInnen des Kapitals" mit allzu großen Hoffnungen hinsichtlich der gesellschaftsverändernden Tendenz der Open Source Bewegung auseinander. Er begründet darin, warum seiner Meinung nach die angeblich "freie" Software nicht als ein Entwicklungsmodell für eine andere Gesellschaft taugt. Er schreibt:

"Die Linux-Community ist ein kleiner elitärer Kreis von vorwiegend weißen Männern aus Europa und den USA. Sie wird daher nicht als Vorbild emanzipatorischer Kämpfe agieren, denn die tatsächlichen Kämpfe finden nicht im virtuellen Raum, sondern in der realen Welt statt und sind vielfach und immer häufiger nicht Widerstandsbewegungen gegen die kapitalistische Form der Vergesellschaftung, sondern blanke Kämpfe ums Überleben in einer Welt, die Mangel und Not künstlich produziert. Wenn Meretz (Krisisgruppe) von "freier" Software als einem Entwicklungsmodell spricht, so zeugt dies schon von einem äußerst ungebremsten Technikoptimismus, der in Technikdeterminismus umschlägt. Allzu viel Hoffnung wird in die technische Produktivkraftentwicklung gelegt. Wenn sie eine Keimform oder ein Entwicklungsmodell darstellen würde, dann hieße dies, dass ein grundlegender gesellschaftlicher Formwandel seinen wesentlichen Ansatzpunkt im technischen Bereich fände. Eben dies reduziert das wechselseitige Verhältnis von Technik und Gesellschaft auf die Technik selbst. Meretz und Co. unterschätzen die tatsächliche Entwicklung des kapitalistischen Weltsystems. Es zeigt sich nämlich heute, dass die "neuen" Formen der Produktion nicht einen Zwang in Richtung einer selbst bestimmten Gesellschaft mit sich bringen, sondern dass das Kapital diese Entwicklungen als neue Form der ideologischen Einbindung der Arbeitenden geradezu begrüßt. Von denen wird im Zuge der Diffusion der neuen Organisations- und Managementtheorien immer häufiger verlangt, dass sie sich in ihrer Lohnarbeit selbst bestimmen sollen (selbst bestimmte Lohnarbeit - ein Widerspruch in sich), und dass sie Spaß an der Arbeit haben; gewisse Entscheidungen werden delegiert, Verantwortungsbereiche ausgeweitet, Betriebshierarchien verflacht, teilautonome Arbeitsgruppen installiert. Arbeitende sollen sich mit dem Betrieb und dadurch mit ihrer eigenen Ausbeutung identifizieren, sie werden zum automatischen Teilsubjekt ihrer eigenen Ausbeutung. Das partizipative Management und die neuen Arbeitsformen können als Versuche der ideologischen Einbindung der Arbeitenden und der Manipulation ihres Bewusstseins interpretiert werden. Dies bedeutet einen Schritt in Richtung einer "Kontrollgesellschaft" (Deleuze 1993), in der die Arbeitenden ihrer eigenen Ausbeutung durch die Internalisierung fremder Ziele zustimmen sollen.

So kompliziert ist das und soweit das Zitat aus dem Beitrag von Christian Fuchs.

Kommunikationstechnologie nicht jenseits der Materialität

Die Open-Source-Bewegung als neue Form der Produktionsweise zu bezeichnen ist zwar zulässig - aber sie findet anders statt als es sich die Schreibtischgesellschaftsveränderer vorstellen. Software ist so wenig von der Hardware zu trennen, wie das Denken von der Materialität der Welt. Bill Gates ist Synonym dafür, was privatkapitalistisches Raubrittertum an Mehrwert akkumulieren kann, ohne dass die Gesellschaft dagegen rebelliert. Microsoft ist eine beinahe mechanistische Applikation auf eine der Grundthesen des Marxismus - nämlich jene von der Konzentration und Zentralisation des Kapitals in ihrer Tendenz vom Fortschrittlichen zum Reaktionären. Walter Schütz irrt mit seiner Fragestellung "Rückkehr zur ursprünglichen Akkumulation durch Patente?" (www.kaernoel.at - Feb. 2005) Abgesehen davon, dass Patente Auswüchse kapitalistischer Regelungsmechanismen sind, sind sie nicht wirklich von Bedeutung. Die Umgehung des kapitalistischen Patentrechts findet tagtäglich statt und trotzdem haben wir nicht weniger Kapitalismus.

Die ursprüngliche Akkumulation - die Trennung der Produzenten von den Produktionsmittel ist gerade im IT-Bereich - nimmt man die Hardware dazu (was ja logisch scheint) - abgeschlossen. Die Halbleiterindustrie hat einen Vergesellschaftungsgrad erreicht, der eine privatkapitalistische Organisation der Produktion massiv in Frage stellt. Das Privatkapital ist mit der Organisierung dieses Produktionssektors hoffnungslos überfordert. Indiz dafür mag vielleicht auch sein, dass gegenwärtig in keinem anderen Bereich kapitalistischer Ökonomie die Konjunkturzyklen dermaßen ausgeprägt sind. Überhaupt scheinen antikapitalistische Alternativen - was den Bereich der modernen Großindustrie anbelangt nach dem scheinbaren Scheitern sozialistischer Modelle - wenig entwickelt. Die Tauschbörsen sind als "Gegenmodell" wohl zuwenig.

Fortschrittlich bis reaktionär

In der Open-Source-Bewegung sind zwei Grundrichtungen feststellbar: Zum einen der Versuch zur Rückkehr in vormonopolistische Stadien der Informationstechnologie ohne Infragestellung kapitalistischer Reproduktionsmechanismen. Zum anderen ein mechanistisch-technisch geprägtes Gesellschaftsverständnis. Die Technik und hier im Besonderen die IT würde den Kapitalismus sozusagen "wegrationalisieren". Technik als gesellschaftstransformierendes Subjekt. Da sind wir dann dort, wo die traditionelle bürgerliche Geschichtsschreibung am Ende ist - mit ihrer Einteilung der Geschichte nach den verwendeten Materialien und Werkzeugen. So haben wir jetzt statt spätkapitalistischer Oligarchie das Informationszeitalter?!

Die Vernetzung und Form der Zusammenarbeit der Open-Source-Softwareentwickler erinnert an den "großen Sprung" unter Mao Tse Tung, der vorsah, dass jedes Dorf seinen Hochofen baut. Die Produktion in kleinen selbstbestimmten Gruppen ist eine feine Sache. Wir haben für den "Geist der die Maschinerie beseelt" recht gute Ansätze. Wie allerdings eine Großindustrie selbstbestimmt zu organisieren sei, vor dieser Fragestellung stockt der gesellschaftliche Diskurs. Es ist vermutlich auch vermessen, aus diesem elitären Bereich Antworten hinsichtlich einer emanzipatorischen Ökonomie zu erwarten, weil im Grunde gar keine Veränderung gewünscht wird bzw. diese gar nicht vorstellbar erscheint.

Vieles an der Diskussion erinnert sehr an Stanislaw Lems Roman "Memoiren gefunden in einer Badewanne". Lem beschreibt hier das Leben einer Gesellschaft in einem Atombunker - jenseits aller Realität und nur mehr auf sich selbst fokusiert. Diese Irrwitzigkeit geht soweit, dass man nicht mehr weis, dass "das Leben" im Atombunker stattfindet und das die Freiheit vor den Betontoren des Bunkers das Unvorstellbare schlechthin darstellt.

Linkempfehlungen zum Thema:

rFuchs Christian (2001a), Die IdiotInnen des Kapitals. In: Streifzge. Nr. 1/2001. S. 13-18
rLinux-Nation Deutschland
rMicrosofts Anti-Linux-Kampagne: "Unamerikanische Umtriebe"
rLinux? Nebensache!
rStefan Meretz (Juni 1999) Linux - Software-Guerilla oder mehr?

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