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2007-03-04 Bedürfnisse und die Welt der Waren Materialien zu Grundkategorien unserer Gesellschaft
Der vorliegende Beitrag versteht sich als ein Einführungsartikel, der entstanden ist in vielen Jahren der Beschäftigung mit Privatisierungen, dem Dienstleistungsabkommen GATS der WTO etc.. Ausgangspunkt war ein Blick auf die Erde, der die globalen Schranken aufzeigt. Darauf aufbauend folgende Überlegung: Um das Not—Wendige zu denken und sich nicht einfach in die herrschenden Notwendigkeiten zu fügen (siehe Das erkenntnisleitende Interesse) ist es unabdingbar, die Kategorien zu hinterfragen, die unser gesamtes Sein formen und dennoch nicht unsere Natur sind, sondern gesellschaftlich bedingt sind. Widrigenfalls könnte es uns gehen wie den Bewohner/innen der Osterinseln, die (siehe Kriterien für eine zukunftsfähige Entwicklung) ihren Lebensraum vernichteten. Zentral für diese Kategorien, die uns zur zweiten Natur geworden sind, ist die „Arbeit" (... mehr) sowie die abgeleitete Kategorie „Entwicklung".
Zwei weitere, eng damit zusammenhängende Grundkategorien unseres Seins in der kapitalistischen Gesellschaft sind die der „Bedürfnisse" und der „Waren". Wie bei der „Arbeit" ist es auch bei „Waren" und „Bedürfnissen": Wir können uns in der Regel gar nichts Selbstverständlicheres vorstellen als deren Existenz. Um zu erkennen, dass es keine natürlichen Kategorien sind, muss man sich in Bereiche begeben, die bisher noch nicht bzw. noch nicht durchgängig Warencharakter haben. Es sind dies Wasser, Bildung, Gesundheit, Postdienste .... Dazu als Einstieg folgende Veranschaulichung: Vor mir stehen zwei Gläser mit Wasser. Frage: Was ist der Unterschied? Antwort: Vom Geschmack und vom Inhalt her wird kaum ein Unterschied festzustellen sein, aber das eine Glas enthält Leitungswasser (in Villach zumindest noch ein öffentliches Gut), das andere enthält Wasser der Marke „Vöslauer Sport" ohne Kohlensäure. Worin unterscheiden sich nun die beiden?
Wahrscheinlich sind leicht noch zahlreiche weitere Unterscheidungen zu treffen. Einschränkend ist anzumerken, dass es sich beim Beispiel hier um Wasser als Getränk handelt. In der Grundstruktur ähnliche Muster, die sich aber im Detail doch unterscheiden, zeigen sich bei der Wasserversorgung durch die öffentliche Hand bzw. bei privatisierter Wasserversorgung Charakteristisch sind aber allgemein für Dinge, die als „Waren" bzw. Handlungen, die in Form von „Dienstleistungen" gehandelt werden, folgende Eigenschaften [die nicht voneinander zu trennen sind, sondern eben ein gesamtes Syndrom bilden]:
1. Bedürfnisse: Es muss ein Bedarf danach geschaffen werden, denn nur unter der Voraussetzung, dass genügend „belieferungsbedürftige Mängelwesen" vorhanden sind, bleibt die Kette aus: Bedürfnisse – (kaufkräftige) Nachfrage – Gewinn – Investition und Rationalisierung – Arbeit / Einkommen – erweitertes Angebot – Bedürfnisse – ... erhalten. Beispiel Gesundheit 2. Kaufkraft: Ebenso klar für die Welt der Waren ist, dass sie nur jenen zustehen, die entsprechend mit Kaufkraft ausgestattet sind – siehe „Der Markt – Garant von Freiheit und Menschenrechten?" Bei Autos ist es uns so klar, befremdend ist das aber noch im Gesundheitssektor, wo wir anderes gewohnt sind (siehe Kasten) und bei der Infrastruktur: Am Markt agierende Unternehmen MÜSSEN sich danach orientieren, ob da nachgefragt wird, sonst gibt es halt keine Versorgung – siehe Postamt kaputt! 3. Arbeit und 4. Konkurrenz: Die Konkurrenz wirkt einerseits zwischen den Unternehmen, was ja offensichtlich ist. Zeitweise ist sie zwar außer Kraft gesetzt, ja Märkte tendieren dazu, permanent Oligopole und Monopole zu bilden. Dennoch sind diese marktbeherrschenden Situationen nur vorübergehende Phänomene, der Krieg zwischen den Unternehmen hört nie auf und wird, sobald es die Situation erfordert, sofort wieder aufgenommen. Das Hauptargument für die Konkurrenz ist, dass dadurch effiziente Lösungen zustande kämen. Die Effizienzsteigerung qua Konkurrenz wirkt aber vor allem gegenüber den Arbeitskräften, auf sie wird der Druck massiv erhöht, während gesamtgesellschaftlich eher das Gegenteil von Effizienz zu bemerken ist:
Kaum offen thematisiert wird der Krieg zwischen den einzelnen Anbieter/innen der Ware Arbeitskraft, vielmehr wird er als gesunder Wettbewerb geradezu angebetet. Der Weltbankexperte Dr. Paolo Rondo-Provetto hat als Verfechter der sogenannten Universitäts-Autonomie diese Wirkung geradezu mit entwaffnender Offenheit beschrieben (siehe Beispiel Universitätsreform - wie Kampfhunde gemacht werden): Die Lohnabhängigen stellen sich hinter ihren Führer und treten auf die Mitkonkurrent/innen ein. Und der Inhalt ist nur mehr insofern interessant, als er sich als Kampfmittel gegen andere einsetzen lässt. 5. Profit: Was haben eine Tonne Getreide und eine Landmine gemeinsam, dass ich sie am Markt gegeneinander tauschen kann? Ihr Gebrauchswert kann es nicht sein: Der Nutzen von Getreide (Nahrung) ist ja ein bisschen anders als der Nutzen der Landmine (töten / verstümmeln). Was gleich ist, ist die Menge an abstrakter (also jeglicher Spezifik beraubten) Arbeit, die zur Herstellung notwendig war. Das ist tauschbar, das wird getauscht. Für den einzelnen Endverbraucher (Konsumenten) ist natürlich der konkrete Gebrauchswert entscheidend. Der Investor aber würde aufhören zu investieren, wenn am Ende des Vorgangs nur immer wieder die gleiche Menge an Geld / Wert vorliegen würde. Das ergäbe für die Tätigkeit des Investierens schlicht keinen Sinn. Wenn es also aus Investorensicht nicht um konkreten Nutzen geht, dann kann aus seiner Sicht nur der Sinn im Mehr vom Gleichen sein: Geld – Ware – Mehr Geld (G-W-G') lautet die Formel, um die sich alles dreht und weswegen es in einer solchen, auf Warenwirtschaft beruhenden Gesellschaft Wirtschaftswachstum geben muss. 6. Wachstum: Na klar, ist ja selbstverständlich, dass es so ist und anders ist es ja gar nicht denkbar, denkt man sich da als einer, der diese Form des Wirtschaftens quasi mit dem ersten Atemzug inhaliert hat. Mulmig wird einem höchstens dann, wenn Eigenschaften dieser Form des Wirtschaftens, die halt doch nur eine von mehreren ist, auf andere Bereiche übertragen wird. Wenn man etwa den Begriff „Boomender Sektor" auf den bisherigen Pensionssektor überträgt, dann wird schon klar, dass da ja der Boom eigentlich nicht so recht erwünscht wird. Boomende Gefängnisse, wenn mehr zu Haftstrafen verdonnert werden müssen: Bei uns Anlass für einen Alarmruf. Aber man braucht nur den Gefängnissektor privatisieren – und schon verschiebt sich die Wertigkeit – vielleicht sollte man doch in Gefängnisaktien investieren? Steigender Wasserverbrauch in einem öffentlichen Sektor: Zu Recht besorgniserregend. Steigenden Nachfrage in einer privatisierten Wasserversorgung: Da herrscht mit dem „Boom" Aufbruchstimmung unter den Lemmingen, wie es Bruno Kathollnig so treffend formuliert. Diese Charakteristika sind logisches Resultat einer Gesellschaftsformation, in der die Produktion privat [3] erfolgt: Einerseits wirtschaften wir in hohem Maße funktionsteilig (gesellschaftlich), andererseits erfolgt dieses Wirtschaften eben privat (ohne Absprache) – wir haben es zu tun mit dem Paradox einer ungesellschaftlichen Gesellschaftlichkeit:
Die Abbildung will die Regulation über den Markt mit seinen Mechanismen veranschaulichen: Indem wir nicht direkt für die Befriedigung der Bedürfnisse produzieren, zerfallen wir in zwei Sphären – in Anbieter/innen von Waren (linke Seite) und in Konsument/innen (rechte Seite), zwischen beiden Sphären vermittelt die Bedürfnisschaffung und das Geld. Wer kein Geld hat, fällt raus (unten rechts unter dem Strich). Zwischen den Anbieter-Produzent/innen-Einheiten (Unternehmen) herrscht Konkurrenz (symbolisiert durch die orangen Explosionen), genauso wie innerhalb der Einheiten Konkurrenz herrscht (herausgehoben als ein kasten links oben), nämlich zwischen den Anbieter/innen der Ware Arbeitskraft (rote Kreise), die, um zu Konsument/innen werden zu können, Arbeit brauchen (weiße Pfeile). Ob wir das Richtige herstellen, dafür ist der Maßstab der Profit: Er wird zum eigentlichen Zweck des Wirtschaftens und ist Garant, um im sozialdarwinistischen Überlebenskampf zu überstehen. Diese Konstellation hat auch massive Rückwirkungen auf unser Wertesystem: Raffgier, Habsucht, Egoismus, Hochmut (Marke Ich), Lug und Betrug, der Neid und die Missgunst (der tagtägliche Wirtschaftskrieg der Marktteilnehmer/innen untereinander ob als Arbeitskräfte oder als Unternehmen), ... all das sind Eigenschaften, die wohl in den meisten Gesellschaften bekannt sind bzw. waren. Aber sie werden als problematisch erkannt und bekämpft. In unserer eigenen Vergangenheit wurden sie sogar als Todsünden verdammt. Erst in dem Maße, in dem eine Produktionsweise, die auf Äquivalententausch (und damit notwendigerweise dem Geld[4]) beruht, aus ihrem Nischendasein heraustritt und zur allgemeinen gesellschaftlichen Verkehrsform wird, werden die einstmals verbannten Eigenschaften zu Kardinalstugenden. Zum Schluss: Das Beispiel Bildung
Beiträge zum Thema finden sich unter Besonders geeignet zum Einlesen sind folgende Beiträge: Reini und Walther Schütz, Bildung als Ware? Erich Ribolits, Welche Bildung braucht der Mensch? . - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Anmerkungen [1] Erich Fromm, Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft (dtv-Sachbuch, München 1980 - 4. Aufl.) ... zurück zum Text [2] laut OECD-Gesundheitsdaten 2001, zit. nach WISO 2002/3, S. 36 ... zurück zum Text [3] siehe dazu die hochinteressante Diskussion des Begriffs Privat bei den Reaktionen auf den Beitrag Der Griff nach dem Leben ... zurück zum Text [4] Einen äußerst lesenswerten Beitrag zu Geld ist zu finden unter Beitrag Andreas Exner, Mythos Geld. Ein Diskussionsanstoß in 5 Akten ... zurück zum Text .
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