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2007-03-01 Lebenselixier Wasser Der künstlich verschärfte Mangel Der vorliegende Beitrag ist die ergänzte Version eines bereits am 12. 10.2003 erschienen Artikels.
Aktueller Anlass: Die Privatisierung der Wasserversorgung in Klagenfurt, die den Hintergrund des Filmfrühstücks Wasser unterm Hammer am Sonntag, den 4. März bildet. Etwas, was bei uns eigentlich ziemlich selbstverständlich war, wird immer mehr zum Thema: Sauberes Süßwasser! Es droht – wie im 20. Jahrhundert das Erdöl – zum „strategischen Rohstoff“ zu werden. Die Entwicklungen, die dazu führen, können als bekannt vorausgesetzt werden, daher nur in Stichworten: Fortschreitende Zerstörung des Ökosystems Erde incl. Klimawandel, Wüstenbildung, Abholzung; ein exzessiv steigender Wasserverbrauch durch unangepasste Agrarsysteme .... Interessen und Macht Es sind dies die Rahmenbedingungen für das, was laut Weltbank ein Welt-Markt von rund 800 Milliarden Euro pro Jahr werden könnte. Zwar herrscht bei der Wasserversorgung weltweit nach wie vor entweder Selbstversorgung oder öffentliche und genossenschaftliche Strukturen vor. Aber bereits jetzt kontrollieren eine Handvoll Konzerne den profitorientierten Teil, allein die beiden Firmen Vivendi und Suez haben zusammen einen Weltmarktanteil von mehr als 50%. An dritter Stelle ist der deutsche Konzern RWE (laut Wolfgang Lauber von der AK-Wien). Üblicherweise handeln diese „Multi-Utilities“ gleichzeitig mit Strom, Gas, sind z.T. im Abfall-, Telekommunikations- und Nahverkehrssektor tätig. Sie bringen so die Konsument/innen in eine umfassende Abhängigkeit. Laut Schweizer Entwicklungsexpertin Marianne Hochuli wurden die Gewinne der Wasserindustrie im Jahr 2000 auf bereits 40% der Gewinne des Ölsektors geschätzt. Es sind aber nicht nur irgendwelche „böse" Konzerne, sondern JedeR von uns kann, sofern er auf Kapitalmärkten aktiv ist, zu einem der Profiteure des Geschäfts mit dem Wasser werden. Anlagespezialist/innen preisen – neben Pharmazie, Biotechnologie und Finanzwerten wie Versicherungen – ganz offen den Wassermarkt als Anlagesphäre der Zukunft an. „Wasser gilt mittlerweile – global gesehen – auch als kostbares und vergängliches Gut. ....“ (Christina N. Kogler, Fette Gewinne an der Börse. In: Wirtschafts@Woche (Beilage der Kärntner Woche, S. 10, August 2000) Die Politik spielt in diesen „Vermarktwirtschaftlichungsprozessen“ eine wichtige Rolle. Sowohl innerhalb der österreichischen Regierung, der EU als auch auf globaler Ebene gibt es massive Bestrebungen, die Wasserversorgung zum Markt zu machen. Privatisierung ist die eine Schiene: Sie erfolgt sehr oft aus ideologischen Motiven, aber auch – und das ist im Zusammenhang mit dem Wasser von besonderer Bedeutung – aus Geldnot der öffentlichen Hand. Die Kommunen bekommen über den Finanzausgleich im Verhältnis zu wenig Geld vom Bund, einem Bundes, der seinerseits beim Budgetdefizit den Maastrichtkriterien genüge tun will. Und da ist die Verlockung sehr groß, über verschiedenste Tricks die Wasserversorgung de facto zu verkaufen, etwa über Cross-Border-Leasing. Privatisierung kann aber auch als Folge von Liberalisierungsvorschriften in juristischer Form von oben durchgesetzt werden: Auf Ebene der WTO ist das GATS - das ALLGEMEINE ABKOMMEN ÜBER DEN HANDEL MIT DIENSTLEISTUNGEN – ein bedeutsamer Ansatz zur Vermarktwirtschaftlichung der Wasserversorgung. Die EU und damit auch Österreich fordern von 72 Ländern die Öffnung ihrer Wasser bzw. Abwasserversorgung. „Verbesserte Geschäftsmöglichkeiten für europäische Wassermultis werden also entweder durch Zugeständnisse in anderen Bereichen erkauft, oder die Wasserversorgung der EU-Staaten muss auch privatisiert werden“, so Högelsberger von Global 2000 zu der Haltung der österreichische Regierung, die deswegen so absurd ist, weil sie gleichzeitig betont, die Wasserversorgung nicht liberalisieren zu wollen. Ähnlich ist die Politik der EU: Für sie zählt die Öffnung des Wassermarktes, neben der weiteren Liberalisierung von Energie und Verkehr, zu den wichtigsten Elementen. Ein Markt für Wasser als Lösung? Die Frage ist aber, ob das Problem des Wassermangels mit einem „Mehr an Marktmechanismen“. gelöst werden kann? Was ist dran am Mythos der Effizienz, nach dem durch Konkurrenz und das Eigeninteresse von Anbieter/innen und Konsument/innen ein sparsamer Umgang mit der knappen Ressource erzwungen werde? Zunächst einmal weisen praktische Erfahrungen in eine andere Richtung. So haben z.B. die britischen Wasserversorger nach der Privatisierung die Tarife um 50% erhöht und 20.000 Haushalten vorübergehend den Wasserhahn abgedreht, weil sie die steigenden Rechnungen nicht bezahlen konnten. Die Wasserqualität hat sich verschlechtert, private Versorger sind bereits über 100 Mal wegen Vernachlässigung der Wasserqualität rechtskräftig verurteilt worden. Strukturelle Entwicklung von „Wassermärkten“ Charakteristisch für den Kapitalismus ist die wirtschaftliche Dynamik, die er entfaltet: Wenn die kapitalistische Logik aufgeht, entsteht ein BOOMENDER Sektor. Private Marktanbieter müssen sich daran orientieren, soviel wie möglich zu verkaufen an Müllentsorgung, an Abwasserentsorgung ... und so viel wie möglich Wasserverkauf.
Das ist geradezu das Gegenteil von einer möglichst bescheidenen, mit geringstem Aufwand auskommenden Mangelverwaltung. Der Marktmechanismus versagt dort, wo es darum geht, gesamtwirtschaftlich sparsam mit einer Ressource umzugehen. Der verschwenderische Umgang mit Erdöl ist ein warnendes Beispiel für das, was herauskommt, wenn eine Ressource zur Ware wird. Waren müssen vermarktet werden – und dazu müssen bei denen, die Kaufkraft haben, Bedürfnisse geschaffen werden. Es geht eben nicht um eine solidarische, auf langfristige Perspektiven orientierte Bewirtschaftung. So kann man sich ausmalen, welche Chancen nachhaltige Lösungen haben, wenn sich ein „Komplex“ aus privaten Wasserversorgern, Beratungs- und Planungsbüros sowie Bauwirtschaft des Problems des klimawandelbedingten Wassermangels einer Intensivlandwirtschaft der Alpenvorländer „annimmt“! Dazu kommt, dass einem Wassermarkt genau das fehlt, was der Begriff Markt suggeriert: Eine Vielzahl von Anbieter/innen. De facto herrscht bei der Wasserversorgung immer ein Monopol – die Frage ist eben nur, ob es ein öffentliches (und damit zumindest unter demokratischen Verhältnissen von den Menschen kontrollierbares) Monopol oder ein privates Monopol ist. Den Tiger reiten? Aber könnte nicht ein Wassermarkt durch das System Politik gesteuert werden? Theoretisch: Ja! – Praktisch: „Nein!“ Gerade das Beispiel Erdöl zeigt: Die Macht derer, die den Markt (ob Erdöl, Saat-gut, Wasser ...) beherrschen, wirkt auf die Politik zurück. Diese Macht der Konzerne führt im besten Fall zur Schere im Kopf der politisch Verantwortlichen. In schlimmeren Fällen kann die Intervention bis hin zu Putsch und Krieg gehen (z.B. wird 1954 unter Anleitung des CIA die demokratischen Regierung des Iran gestürzt, weil diese es gewagt hatte, die Ölwirtschaft zu verstaatlichen). Mit der „Liberalisierung“ allerdings schaffen sich die Konzerne ein Instrument, das solche entlarvenden illegalen Interventionen ersetzt durch einen „legalen“ Coup: „Liberal“ – wohl jede/r assoziiert mit diesem Begriff damit Freiheit, Wahlmöglichkeit ... LiberalISIERUNG ist aber das Gegenteil: Sie ist die juristische Festlegung des Wirtschaftens auf EIN einziges Modell, das konkurrenz- und profitorientiert ist. So einfach ist das Grundprinzip – andere Formen von Wirtschaften (öffentlich, gemeinnützig ...) sind nur Ausnahme, die die (neo)liberale Logik bestätigen. Wenn solche Liberalisierungsvorschriften auf Ebene internationaler Abkommen (der EU, der Welthandelsorganisation WTO ...) daherkommen, dann sind sie – wenn einmal beschlossen – de facto unumkehrbar. Sie stehen dann über den Verfassungen der einzelnen Unterzeichnerstaaten. Aber nicht nur, dass eine Liberalisierung legal nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Auch die Vorschriften, die die öffentliche Hand hinsichtlich der vergebenen Dienstleistungen den privaten An-bietern machen kann (z.B. Qualität, Preise, Zugang zur Ressource, Universaldienstleistungspflicht), sind juristisch massiv beschränkt: So hat das GATS einen Sicherungsmechanismus eingebaut, den Necessity-Test. Dieser unterwirft staatlichen Regulierungen einer Überprüfung, ob sie wohl ja die marktkonformste Lösung darstellen. Unter dem Damoklesschwert, vor ein WTO-Schiedsgericht gezerrt zu werden, werden Gemeinden und Regionen sich hüten, Einschränkungen zu erlassen. Vielleicht ist dies der problematischste Aspekt, wenn Wasser zur Ware wird: Demokratie wird ausgeschaltet – diese aber wäre eine wesentliche Voraussetzung für Nachhaltigkeit! Weitere aktuelle Beiträge zum Thema auf www.kaernoel.at ...
... und zum Aktivwerden
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Dr. Hans Bittner, 2007-03-01, Nr. 3441 Sehr geschätzter Herr Schütz!
One World, 2007-03-01, Nr. 3442 Wir gerne würde ich Ihrem Appell „Menschenrecht auf Trinkwasser“ zustimmen.
Endlosschleife, 2007-03-01, Nr. 3443 Pro Toilettengang verschwinden bis zu 12 Liter sauberes Trinkwasser!
Christine, 2007-03-05, Nr. 3460 Ich war im Volkskino und werde versuchen, in meinem Umfeld möglichst gut die heute gehörten Informationen weiterzugeben. Danke dafür! Wäre doch gelacht, da erreichen wir etwas!
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