2006-02-13
Manifest gegen die Arbeit (18)
Verfasst von der Gruppe krisis (1999)
Inhalt
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Die Herrschaft der toten Arbeit
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Die neoliberale Apartheidsgesellschaft
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Die neo-sozialstaatliche Apartheid
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Zuspitzung und Dementi der Arbeitsreligion
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Arbeit ist ein gesellschaftliches Zwangsprinzip
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Arbeit und Kapital sind die beiden Seiten derselben Medaille
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Arbeit ist patriarchale Herrschaft
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Arbeit ist die Tätigkeit der Unmündigen
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Die blutige Durchsetzungsgeschichte der Arbeit
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Die Arbeiterbewegung war eine Bewegung für die Arbeit
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Die Krise der Arbeit
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Das Ende der Politik
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Die kasinokapitalistische Simulation der Arbeitsgesellschaft
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Arbeit läßt sich nicht umdefinieren
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Die Krise des Interessenkampfes
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Die Aufhebung der Arbeit
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Ein Programm der Abschaffungen gegen die Liebhaber der Arbeit
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Der Kampf gegen die Arbeit ist antipolitisch
Daß die Arbeit aber selbst nicht nur unter den jetzigen Bedingungen, sondern insofern überhaupt ihr Zweck die bloße Vergrößerung des Reichtums ist, ich sage, daß die Arbeit selbst schädlich, unheilvoll ist, das folgt, ohne daß der Nationalökonom (Adam Smith) es weiß, aus seinen eigenen Entwicklungen.
(Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, 1844)
Unser Leben ist der Mord durch Arbeit,
wir hängen 60 Jahre lang am Strick und zappeln,
aber wir werden uns losschneiden.
(Georg Büchner, Dantons Tod, 1835)
18. Der Kampf gegen die Arbeit ist antipolitisch
Die Überwindung der Arbeit ist alles andere als eine wolkige Utopie. Die Weltgesellschaft kann in der bestehenden Form keine 50 oder 100 Jahre mehr weitermachen. Daß die Gegner der Arbeit es mit dem bereits klinisch toten Arbeitsgötzen zu tun haben, macht ihre Aufgabe freilich nicht unbedingt leichter. Denn je mehr die Krise der Arbeitsgesellschaft sich zuspitzt und alle Reparaturversuche als Fehlschläge enden, desto mehr wächst auch die Kluft zwischen der Vereinzelung der hilflosen sozialen Monaden und den Anforderungen einer gesamtgesellschaftlichen Aneignungsbewegung. Die zunehmende Verwilderung der sozialen Verhältnisse in großen Teilen der Welt zeigt, daß sich das alte Arbeits- und Konkurrenzbewußtsein auf immer niedrigerem Niveau fortsetzt. Die schubweise Entzivilisierung scheint trotz aller Impulse eines Unbehagens im Kapitalismus die naturwüchsige Verlaufsform der Krise zu sein.
Gerade bei derart negativen Aussichten wäre es fatal, die praktische Kritik der Arbeit als umfassendes gesamtgesellschaftliches Programm hintanzustellen und sich darauf zu beschränken, eine prekäre Überlebenswirtschaft in den Ruinen der Arbeitsgesellschaft zu errichten. Die Kritik der Arbeit hat nur eine Chance, wenn sie gegen den Strom der Entgesellschaftung ankämpft, statt sich davon mitreißen zu lassen. Aber zivilisatorische Standards sind nicht mehr mit der demokratischen Politik zu verteidigen, sondern nur noch gegen sie.
Wer die emanzipatorische Aneignung und Transformation des kompletten gesellschaftlichen Zusammenhangs anstrebt, kann schwerlich die Instanz ignorieren, die bislang dessen Rahmenbedingungen organisiert. Es ist unmöglich, gegen die Enteignung der eigenen gesellschaftlichen Potenzen zu rebellieren, ohne sich mit dem Staat zu konfrontieren. Denn der Staat verwaltet nicht nur ungefähr die Hälfte des gesellschaftlichen Reichtums, er sichert auch die zwanghafte Unterordnung aller gesellschaftlichen Potentiale unter das Gebot der Verwertung. Sowenig die Gegner der Arbeit Staat und Politik ignorieren können, ebensowenig ist mit ihnen Staat und Politik zu machen.
Wenn das Ende der Arbeit auch das Ende der Politik ist, dann wäre eine politische Bewegung für die Aufhebung der Arbeit ein Widerspruch in sich. Die Gegner der Arbeit richten Forderungen an den Staat, aber sie bilden keine politische Partei und sie werden auch keine bilden. Der Zweck der Politik kann es nur sein, den Staatsapparat zu erobern, um mit der Arbeitsgesellschaft weiterzumachen. Die Gegner der Arbeit wollen daher nicht die Schaltzentralen der Macht besetzen, sondern sie ausschalten. Ihr Kampf ist nicht politisch, sondern antipolitisch.
Untrennbar sind Staat und Politik der Moderne mit dem Zwangssystem der Arbeit verquickt und deshalb müssen sie zusammen mit diesem verschwinden. Das Gerede von einer Renaissance der Politik ist nur der Versuch, die Kritik des ökonomischen Terrors auf ein positiv staatsbezogenes Handeln zurückzuzerren. Selbstorganisation und Selbstbestimmung aber sind das genaue Gegenteil von Staat und Politik. Die Eroberung sozial-ökonomischer und kultureller Freiräume vollzieht sich nicht auf dem politischen Umweg, Dienstweg und Irrweg, sondern als Konstitution einer Gegengesellschaft.
Freiheit heißt, sich weder vom Markt verwursten noch vom Staat verwalten zu lassen, sondern den gesellschaftlichen Zusammenhang in eigener Regie zu organisieren - ohne Dazwischenkunft entfremdeter Apparate. In diesem Sinne geht es für die Gegner der Arbeit darum, neue Formen sozialer Bewegung zu finden und Brückenköpfe einzunehmen für eine Reproduktion des Lebens jenseits der Arbeit. Es gilt, die Formen einer gegengesellschaftlichen Praxis mit der offensiven Verweigerung der Arbeit zu verbinden.
Mögen die herrschenden Mächte uns für verrückt erklären, weil wir den Bruch mit ihrem irrationalen Zwangssystem riskieren. Wir haben nichts zu verlieren als die Aussicht auf die Katastrophe, in die sie uns hineinsteuern. Wir haben eine Welt jenseits der Arbeit zu gewinnen.
Proletarier aller Länder, macht Schluß!