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2007-03-18 Crash - Gedanken im und zum Treibhaus Klima- oder Zivilisationskrise?
Der vorliegende Beitrag ist der dritte und vorläufig letzte einer Reihe von Einführungsartikel, die entstanden sind aus der vieljährigen Beschäftigung mit Privatisierungen, dem Dienstleistungsabkommen GATS der WTO etc.. Vor einer Woche sind an dieser Stelle der Staat, Demokratie und deren strukturelle Schranken , davor Bedürfnisse und die Welt der Waren unter die Lupe genommen worden.
Zum Verständnis: Ausgangspunkt war ein Blick auf die Erde, der die globalen Schranken aufzeigt. Darauf aufbauend folgende Überlegung: Um das Not—Wendige zu denken und sich nicht einfach in die herrschenden Notwendigkeiten zu fügen (siehe Das erkenntnisleitende Interesse) ist es unabdingbar, die Kategorien zu hinterfragen, die unser gesamtes Sein formen und dennoch nicht unsere Natur sind, sondern gesellschaftlich bedingt sind. Widrigenfalls könnte es uns gehen wie den Bewohner/innen der Osterinseln, die (siehe Kriterien für eine zukunftsfähige Entwicklung) ihren Lebensraum vernichteten. Zentral für diese Kategorien, die uns zur zweiten Natur geworden sind, ist die „Arbeit" (... mehr) sowie die abgeleitete Kategorie „Entwicklung". Als vor ein paar Tagen eine Lehrerin ihre Schulklassen zum Besuch des Films EINE UNBEQUEME WAHRHEIT anmeldete, merkte sie ganz nebenbei an, sie habe die Anmeldung übernommen, obwohl sie ja eigentlich keine Biologielehrerin sei. Und tatsächlich: Dass die Erderwärmung ein Ökothema, eventuell noch ein Technikthema (Sonnenkollektoren ....) sei, ist Mainstream. Menschen kommen nur in zweierlei Form vor: Entweder als Opfer (wenn etwa eine Südseeinsel in den nächsten Jahren verschwinden wird), oder als eine Ansammlung von Einzeltäter/innen. Typisch dafür der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore in seinem Film: Selbst dort, wo die Gesellschaft in Form von Politik benannt wird, wird der Eindruck vermittelt, dass halt nur die falschen Politiker/innen am Ruder seien – also auch nur wieder einzelne Individuen (die sich noch dazu wie im Falle der US-Wahlen mittels Manipulation den Sieg erschlichen hätten). Die Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten, unter denen Individuen zusammenwirken – also Gesellschaft – sind praktisch überhaupt kein Thema. Nun werden wohl die meisten zustimmen, dass wir als Kollektiv [!] das Ökosystem an den Rand des Kollaps gebracht haben. Das aber ist noch nicht das, was mit Gesellschaft gemeint ist. Die hier vertretene These lautet vielmehr: In unserer Gesellschaft – also dem Kapitalismus – herrschen Gesetzmäßigkeiten, die wir nur um den Preis der ökonomischen Krise eben dieser speziellen Gesellschaft ignorieren können. Die Formel lautet schlicht: (Kapitalistische) Ökonomie oder Ökologie. Genau an dieser Stelle werden wohl die meisten Protest einlegen und dies als wirres Gerede abtun. Doch versuchen wir einmal ein Gedankenexperiment: Stellen wir uns einfach vor, wir kämen zu dem Schluss, dass wir mit wesentlich weniger Autos auskommen und dass wir stattdessen den öffentlichen Verkehr ausbauen sollten. Dies würde bedeuten, dass wir wesentlich weniger Erwerbsarbeit hätten, denn genau das ist der Effekt des öffentlichen Verkehrs: Er braucht weniger Produktion von Fahrzeugen, er braucht ein paar Fahrer/innen mehr, aber er braucht weniger Tankstellen, weniger Straßenbau, weniger Verletztenversorgung, weniger Versicherungsdienstleistungen, weniger Straßenordner/innen (Verkehrspolizei), weniger oder gar keine Werbung ... Eigentlich super, mehr Freizeit - oder etwa doch nicht? Nein, denn in den Kategorien des Kapitalismus gedacht wäre dies eine ökonomische Katastrophe, und daher ist es auch kein Wunder, dass Al Gore und all die Vertreter/innen von mehr Nachhaltigkeit IM System vor allem Eines betonen: Die PKW's müssten effizienter werden. Aber eine wesentlich näherliegende Forderung kommt aus dieser Richtung des Nachhaltigkeitsdiskurses bestimmt nicht, nämlich die, dass die Autos weniger werden müssten! (Und wenn, dann nur, um sie durch noch etwas Arbeitsaufwändigeres zu ersetzen.) Müßiggang aber steht in dieser Denkweise sicher nicht am Programm! „Eine noch viel unbequemere Wahrheit" Vor etwa 8 Jahren habe ich einen Beitrag verfasst, in dem ich einige Kriterien einer zukunftsfähigen Entwicklung aufgelistet habe und der auf kärnöl unter „Wie könnte eine nachhaltige Gesellschaft aussehen?" veröffentlicht wurde. Neben Entschleunigung, einer Abkehr vom Wirtschaftswachstum ... ist darin ein Punkt enthalten, den ich heute stärker hervorheben würde als seinerzeit, der sozusagen ein Meta-Kriterium darstellt: Es ist dies die Fähigkeit, eine Wirtschaftsweise, die den Kriterien im Sinne der Nachhaltigkeitsdefinition von Hans Holzinger entspricht, überhaupt wählen zu können! Hans Holzinger benennt als seine Definition von Nachhaltigkeit: „Die Wahl von Wirtschafts- und Lebensweisen, die sicherstellen,
Es geht um die Frage einer grundlegenden (radikalen!) Selbstbestimmbarkeit.
Zentrale These ist, dass wir in der jetzigen gesellschaftlichen Konstellation zu dieser Selbstbestimmbarkeit genau NICHT in der Lage sind, sondern dass die Grundstrukturen unserer Gesellschaft „uns denken, uns handeln". Wir können nicht erkennen, dass ein Leben in den Kategorien Arbeit, Staat, Markt, Ware, Geld, Bedürfnisse, Konkurrenz und Dasein als vereinzeltes Individuum, Wachstum, Entwicklung, ... Ergebnis eines bestimmten gesellschaftlichen Verhältnisses ist. Vielmehr sind diese Kategorien uns so zur zweiten Natur geworden, dass ein Leben außerhalb von ihnen geradezu absurd erscheint. Das Bild von den Moais der Osterinseln verweist auf eine grundlegende Parallele zwischen dieser „Südsee-Kultur" und unserer Gesellschaft: In beiden Fällen handelt es sich um fetischistische Gesellschaften[2]. So wie die Steingötzen für die in den fetischistischen Kategorien gefangenen Insulaner/innen die Garantie für eine gute Entwicklung waren – und das, obwohl sie dabei buchstäblich den letzten Baum fällten! – genauso ist etwa für uns „Arbeit-haben-müssen" (und nicht etwa Arbeit-erledigt-haben) in UNSERER KONKRETEN Gesellschaft Voraussetzung für Wohlergehen. Wirtschaftswachsum Charakteristisch ist dafür die ideologische Entwicklung der Grünbewegung: Einstmals als Wachstumskritiker/innen angetreten ist – bis auf kleine Restbestände – auch bei den Grünen Wirtschaftswachstum angesagt. Und das in einer Zeit, in der selbst für Laien die Zeichen des ökologische Kollaps zunehmend sichtbar werden.[3] So heißt es in einem von Glawischnig und Korschil namens der Grünen verfassten Papier: „Nur durch eine absolute Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch kann es langfristig gelingen, die Trendwende im Klimaschutz zu schaffen." Andreas Exner und Ernst Schriefl haben das durchkalkuliert: „Nehmen wir eine jährliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von 2 Prozent an; das ist eine durchaus moderate Wachstumsrate, bei der WirtschaftsforscherInnen gerade noch nicht von Rezessionsgefahr sprechen. Nach 50 Jahren wäre unter dieser Annahme das BIP auf das etwa 2,7- fache, nach 100 Jahren auf das 7-fache, nach 200 Jahren auf das 52-fache, nach 300 Jahren auf das 380-fache des Ausgangsniveaus gestiegen. Das ist die Dynamik exponentiellen Wachstums. An dieser Stelle ist zu betonen: Die Wende der Grünen zum Wirtschaftswachstum ist kein „Verrat", sondern die Übernahme der herrschenden wirtschaftlichen „Vernunft" bzw. der „Einsicht in die Notwendigkeit" DIESER Gesellschaft, die eben tatsächlich nur funktioniert, wenn ES (das Kapital / der Wert) wächst! Nun sind die Grünen überhaupt nicht alleine mit ihrer „Einsicht", Greenpeace etwa übertitelt ein aktuelles Papier überhaupt gleich mit „Wirtschaftswachstum ohne Klimazerstörung". Und das ist das Absurde: Eigentlich vertreten Grüne, Greenpeace etc. die gleiche Meinung hinsichtlich des Kapitalismus wie etwa ich als einer, der das System grundlegend kritisiert: Dieses System kann nur mit dauerndem Wachstum funktionieren! Wie man sieht, können daraus aber unterschiedliche Schlüsse gezogen werden. Während grundlegende Kritiker/innen eine Umkehr einmahnen, gilt für die Verwalter des Bestehenden: Es kann nicht sein, was nicht sein darf - die Realität wird zurechtgebogen und zurechtgelogen: Dauerndes Wachstum sei ökologisch möglich! Das ist der Fetischismus, der uns mit den Bewohner/innen der Osterinsel eint. Und darum ist die Wahrheit viel unbequemer, als selbst Al Gore es meint: Wir haben innerhalb des Systems gar nicht die Instrumente für ein adäquates Reagieren auf die sich anbahnende ökologische Katastrophe. Und genau darum ist es nicht „bloß" eine ökologische Krise, sondern eine grundlegende Systemkrise, eine Zivilisationskrise nach Elmar Altvater! [5] Um überhaupt „das Ganze sehen zu können", um über „Entschleunigung" nachdenken zu können, um darüber nachdenken zu können, welche Art der Effizienz wir brauchen ...., um also die Kriterien der Nachhhaltigkeit fundiert denken zu können, ist ein Bruch mit der Systemlogik vonnöten. Statt der Übernahme der herrschenden wirtschaftlichen „Vernunft" bzw. der „Einsicht in die Notwendigkeit" (Hegel) bedarf es einer anderen Einsicht, nämlich der, dass die Not zu wenden ist! (siehe dazu „Das erkenntnisleitende Interesse") Einführungstexte zu Grundkategorien
. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Anmerkungen [1] Hans Holzinger, Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für ukunftsfragen am 9.12.2004 in Salzburg ... zurück zum Text [2] Robert Kurz geht soweit, die bisherige Geschichte nicht als eine von Klassenkämpfen zu interpretieren (wie es der Arbeiterbewegungsmarxismus tut), sondern als Geschichte von Fetischismen. So in der Artikelserie
[3] Stellvertretend für viele Texte der Artikel Klimaschutz auf der Grünen Homepage, gefunden am 29.1.07 unter [4] Ernst Schriefl und Andreas Exner, Nachhaltiger Kapitalismus?
1.Teil: Über den Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und ökologischer Nachhaltigkeit. In: Streifzüge 3/2003. Im Netz nachzulesen unter [5] Elmar Altvater, Die Zukunft des Marktes. Ein Essay über die Regulation von Geld und Natur nach dem Scheitern des „real existierenden Sozialismus" (Münster 1991) 63ff ... zurück zum Text .
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