Wahrgenommene Wirklichkeit, gespiegelt
Axel Karner im Gespräch mit Barbara Frank
Axel Karner schreibt: In Dialekt oder in der Schriftsprache, aber immer für die Verfolgten, in der Gesellschaft Ausgegrenzten. Jetzt im Herbst erscheinen zwei neue Bücher des nach Wien "emigrierten" Kärntner Autors
Zwei neue Bücher
Karners Bücher tragen verstörende Titel wie "A meada is a lei an Mensch", "a ongnoglts kind" oder "Schottntreiba".
Jetzt erschienen: "Die Stacheln des Rosenkranzes. Lissabonner Gedichte" (im Wieser Verlag) und "Vom ersten Durchblick des Gewebes am zehnten November und danach" in der "Bibliothek der Provinz.
Biografisches
Axel Karner wurde 1955 im Kärntnerischen Zlan geboren und lebt seit 1974 in Wien. Der Autor unterrichtet evangelische Religion, darstellendes Spiel und soziales Lernen an Pflichtschulen.
Dialekt-Lyrik als Gesellschaftskritik
Das Schreiben im Dialekt hat für Karner, den nach Wien ausgewanderten Kärntner, eine gesellschaftspolitische Funktion. Die eigene Herkunft, das Kärntner-Sein, hat dabei immer wieder kritischen Eingang in seine Lyrik gefunden.
Der Autor sieht sich selbst in der Tradition gesellschaftskritischer Autoren der 70-er Jahre, wie Bernhard Bünker, Hans Haid oder Manfred Chobot. Das Schreiben im Dialekt ist als politischer Akt zuverstehen. Die Dialekt-Literatur stellt die Sprache der sogenannten Gebildeten und des einfachen Volkes auf eine Ebene, die Dichtung wird so zum demokratischen Akt.
"Zuwendung zu den Niedergedrückten"
"Ich verwehre mich dagegen, ins Kastl Mundart hineingestellt zu werden. Was ich mache ist Dialekt, eine Sprache die authentisch ist und die die soziale Dimension zur Sprache bringt. Es ist die Zuwendung zu den Kleinen, Niedergedrückten, Ausgebeuteten und das glaube ich, über den Dialekt transportieren zu können.
Wichtig ist: Es gibt keine Hochsprache und keine Niedersprache, es gibt nicht die gute Sprache und die schlechte Sprache, es gibt Inhalte, die sind zu transportieren, und andere, wo man sagen muss, es wäre besser man hätte darüber geschwiegen", so Karner
"Mord, Hunger, Kälte und Sprachlosigkeit"
Karners Themen kreisen über menschlichen Abgründen: Mord, Gewalt, Hunger, Gefühlskälte und Sprachlosigkeit. Seine Motive findet der Autor in den Katastrophen des Alltags - ganz unter dem Motto "Was ist schlimmer als die Wirklichkeit"? Für das neue Krimi-Buch "Vom ersten Durchblick des Gewebes am zehnten November und danach" ließ sich der Autor vom Chronik-Teil der Zeitungen und von Fernsehberichten ebenso anregen wie von Alltagsgesprächen. Anders als diese, zwingt die Literatur jedoch zum Innehalten.
Literatur, die wachrüttelt - und verstört
Konfrontiert mit dem sich alltäglich ereignenden Wahnsinn, stumpft der Mensch ab - Karners Literatur stellt den Versuch an, den Leser aus diesem Zustand aufzurütteln, er soll zu einem Gefühl gegenüber der Brutalität des Alltags zurückfinden.
Karners Brotberuf als evangelischer Religionslehrer scheint da für viele Menschen im Widerspruch zu seinen Texten zu stehen. Der Autor versteht sich jedoch selbst als Aufdecker, der mit seiner Literatur das an die Oberfläche zurückbringt, was sonst totgeschwiegen wird. Im Schreiben spiegelt sich die wahrgenommene Wirklichkeit. Dem Autor geht es darum, ein Sittenbild der Gesllschaft zu zeigen.
"Abgründe des Menschseins wahrnehmen"
Karner: "Beim neuen Buch ist es mir passiert, dass ich Menschen verstört habe, weil sie von meiner Rolle als Religionslehrer eingenommen waren. Ich glaube aber, als Mensch wär es schon gut, wenn man die Abgründe des Menschseins auch wahrnimmt, eben nicht davonläuft, sie nicht wegdrängt. Solche Texte wie ich sie schreibe, sind Aufrüttler. Wenn Leute sich darüber aufregen, dann weiß ich zumindest,dass sie noch nicht ganz abgebrüht sind, auch wenn sie über mich erschüttert sind.
Und wenn das nicht möglich ist, dann sehe ich wirklich schwarz für die Welt, wenn ich das verdrängen muss, bin ich entweder kalt oder ich fange an, über Projektionen Menschen zu verteufeln, wie es jetzt wieder Gang und Gäbe wird".
Skurrile Prosaminiaturen und Gedichte
Karner bevorzugt die kurze Form, seine Texte sind skurrile, verdichtete Prosaminiaturen und Gedichte. Der Autor spitzt die Wirklichkeit in seine Texten zu, das Tragische schlägt dort, wo es anders nicht mehr zu ertragen wäre, oft ins Komische um.
"Mir geht es darum, alles was überflüssig ist, was den Blick ablenkt, was vom Kern, vom Problem wegführt, wegzulassen, sondern wirklich auf den Punkt zu bringen und da keinen Kompromiss gegenüber dem Leser oder Hörer zu machen", so der Autor.
Die Gescheiterten der Gesellschaft verstehen
Dem Autor geht es in seinem Schreiben nicht darum, "von oben" auf seine Figuren und kaputten Typen herabzusehen. Ihm ist daran gelegen, die Gescheiterten der Gesellschaft verstehen zu lernen, zu fragen, warum diese Menschen scheiterten.
Liebeserklärung an Europas Rand-Metropole
Auch im zweiten, neu erschienenen Lyrik-Band, "Die Stacheln des Rosenkranzes", zeigt sich die Sympathie des Autors für die Outlaws der Gesellschaft. Was im ersten Moment an Urlaubsbilder und sentimentale Wahrnehmungen eines Touristen erinnert, enthüllt eine Gesellschaft im Schatten des Postfaschismus, in der klerikale Zwänge ebenso ihre Wirkung bewahrt haben und nachwirken wie der Kolonialismus.
Karner bewahrt sich jedoch den liebevollen Blick auf die Stadt Lissabon. Sein Text ist in diesem Sinne durchaus auch als Liebeserklärung an diese Metropole am Rande Europas zu verstehen.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors:
Axel Karner im Gespräch mit der ORF Redakteurin Barbara Frank am 28. September 2007 im Cafe Platzl, Villach.
Ausgestrahlt am 1. Oktober 2007 vom ORF, Radio Kärnten „Wortklauber“ |