2004-03-27
Tanzbären im Weltzirkus
Was sind Männer in den ewig kranken Gesellschaftssystemen? Abstrakte Gebilde aus staatlichen, religiösen und philosophischen Wahnvorstellungen. Zwangsbenutzte Individuen, ein Rivalitätshaufen, den man seit Jahrtausenden in verschiedenen Herrschaftssystemen zur Selbstidealisierung erzogen hat. Zum größten Teil bequeme, überhebliche, egoistische, verführbare Dümmlinge.
Helden, Geistesgrößen, Wunderwerker, Schauspieler im Lebenstheater, Hofnarren aller Imperien. Paranoide Tanzbären im Weltzirkus. Sie haben alles erfunden, erklärt, ausgelegt und bezeichnet. Aber nie, was und wie ein Mann ist. Als wäre diese naturgeschichtliche Auslese eine problemlos in die Welt passende Lebensform.
Die Herrn Menschen haben sich selbst nie erkannt. Sie haben nie erkannt, daß ein Mann ein Leben lang im Widerspruch zu seinen Anlagen, Gedanken und Bestimmungen verkümmert. Denn selten paßt der Einzelne in das schizophrene Paradigma der Männer. Und es ist erstaunlich, ja widersinnig, daß sich manche immer noch diesem Leitbild anpassen wollen.
Aber das Außen- und das Innenleben ist gesellschaftlich dominiert, schematisiert und geteilt. Und man tanzt nicht leicht aus der Reihe. Das heißt, der Mann von heute steht noch im Schatten der Männer von gestern.
In diesem historischen Schatten ist er Zielscheibe und Blitzableiter feministischer Geplänkel. Man könnte sie harmlose Herabsetzung nennen. Aber auch gedankenlose Ironie. Das mag nicht jeden treffen. Immerhin aber ist ein Mann kein Bär, der den Honig frißt, während ihn ein Bienenschwarm sticht. Das aber sei eine Nebenbemerkung.
Hier geht es nicht um einen Streit der Geschlechter, sondern um die individuellen Wirkungen und Empfindungen in einer Zeit der längst fälligen Angleichung. Und primär um alltägliche, soziale, geschichtliche Reflexionen.
Die existenzielle Forderung nach Gleichheit ist bislang, wenn auch miserabel, legalisiert. Bildungsmäßig sieht es besser aus. Es gibt im gesamten wissenschaftlichen und kulturellen Bereich hervorragende Frauen.
Wie wo und was aber ist der Mann in dieser Zeit? Das Jahrtausend der Frau hat begonnen. Er muß es zwar nicht wissen, denn er lebt nur Jahrzehnte. Doch in seinem winzigen Zeitraum gibt es große Veränderungen. Neue Paradigmen werden geformt. Neue Unterscheidungen und Gefühlsränge bilden sich.
In einer Online-Ausgabe von „Gleichheit und Unterschied“ schreibt Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz:
„Das Thema der Gleichheit von Frau und Mann wird nur als Rechtsgleichheit akzeptiert, im übrigen geht es auf dieser vorausgesetzten Grundlage aber seit dem Ende der 60er Jahre um deutliche Ausgestaltung des Unterschieds. Es geht um das spezifische Leben als Frau, um die Suche nach weiblichen Werten, weiblicher Geschichte, weiblicher Kultur, weiblichem Selbstbewußtsein (so unscharf und teilweise ideologisch diese Suchvorstellungen bisher auch sind). Dabei bleibt eher im Hintergrund die gegenpolige Frage, was das spezifische Leben als Mann, die männliche Kultur ausmache. Vieles läuft in der Beschreibung stark gefühlsmäßig ab, sucht eine Begründung in der Theorie, aber die Theorie ist noch lückenhaft, sogar widersprüchlich.14“
Hier geht es um den kleinen Unterschied, ein Mann zu sein. Um Gedanken, logisch oder nicht, Bemerkungen, um Epochen und um Minuten. Um die Individualität des Mannes.