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2012-01-26 Erinnern: Das anständige Kärnten – eine Drohung Thesen zur sonderbaren Kontinuität rechtsextremen Denkens in der liberalen Gesellschaft und für ein an die Wurzeln gehendes Erinnern . Die Planung und Durchführung der nationalsozialistischen Massenmorde – an Jüdinnen und Juden, an Sinti und Roma, an behinderten Menschen, an Andersdenkenden ... – geschah in einer von Modernisierung und Aufklärung geprägten europäischen Gesellschaft, einer kapitalistischen Gesellschaft, einer Gesellschaft in der wir heute noch leben. Das ist beunruhigend und sollte uns nachdenklich machen. . Dokumentation eines Vortrags am 25.10.2011, . Vorbemerkung zu den Funktionen von „Erinnern“ „Erinnern“ hat verschiedene Funktionen. Das Übersehen dieser Banalität hat aber schon oft zu Missverständnissen geführt, daher rufe ich es hier in aller Kürze in Erinnerung. Wobei sich die im Folgenden genannten Funktionen überschneiden, einander bedingen ...: 1. Da gibt es das in die Vergangenheit gewandte „Gedenken“, das um Funktionen wie „Trauern“, „Anerkennung / Wiedergutmachung von Unrecht“ und ganz einfach um die Rettung von Wissen über Verbrechen des NS-Regimes angesiedelt ist (die letzten Zeitzeugen sterben ja jetzt). All dies sind ganz wichtige Komponenten von „Erinnern“. 2. „Erinnern“ hat aber auch immer eine in die Zukunft gewandte Funktion: Die Verbrechen sollen sich nicht mehr wiederholen. Mit diesen Funktionen will ich mich im Folgenden beschäftigen. a) Diese „Vermeiden-Funktion“ tritt im Allgemeinen als „Mahnung“ auf: Demokratie sei wichtig, es ginge um Toleranz, vor den Extremismen sei Vorsicht geboten ... b) Neben dieser „Ermahnung“ gibt es aber eine zweite Form der „Vermeiden-Funktion“, die meines Erachtens zu kurz kommt und die z.T. sogar in Widerspruch zur „Mahnung“ steht: Die Analyse und Kritik der Strukturen, die zu den Verbrechen des NS-Regimes geführt haben. Die Konsequenz dieses Ansatzes: Es gilt, diese Strukturen auszutrocknen. Im Folgenden werde ich einen solchen Versuch des „Vermeidens durch Kritk der Strukturen, die zu dem Wahn geführt haben“, versuchen. Meine zentrale These: Bei dem seit den 80erJahren zu beobachtenden Erstarken rechtsextremer Phänomene haben wir es ursächlich NICHT mit einem WIEDER-Erstarken der Neonazi-Szene zu tun in dem Sinne, dass da einfach etwas fortlebt, tradiert wird und sich über Seilschaften, dunkle Finanziers wie eine Art Spinnennetz über die Gesellschaft drüberlegt. Nicht, dass es dies nicht auch gäbe, aber diese Art kriminalistisch-soziologischer Betrachtungsweise greift meines Erachtens zu kurz. Sondern: . Vier unspektakuläre Beispiele Ich möchte zunächst das behauptete Wiedererstarken an ein paar Beispielen aufzeigen. Dabei wähle ich bewusst nicht die offensichtlichen rechtsextremen Phänomene wie die Verfolgung von Sinti und Roma, den Rechtspopulismus eines Strache, ... Diese Beispiele würden ein vorschnelles „Abputzen“ erlauben, würden den Rechtsextremismus als etwas Äußeres quasi externalisieren und damit indirekt durch die Dämonisierung sogar verharmlosen. Vielmehr nehme ich Beispiele aus der gesellschaftlichen Mitte bzw. sogar von Links der Mitte und von den Grünen, wo man es nach deren Eigeneinschätzung eine solche behauptete Nähe zum Rechtsextremismus wohl entrüstet von sich weisen würde. Und vielleicht erlaubt eine Konzentration auf die eigene „Nähe“ leichter ein Intervenieren bzw. Ändern. Die genannten Beispiele sind vielfach NOCH nicht voll ausgebildeter Rechtsextremismus, aber sie sind Vorstufen, indem sie die gedanklichen Strukturen reproduzieren und sie sind an manchen Stellen bereits mehr, sie sind erste Phasen des Rechtsextremismus. . Beispiel 1: . Beispiel 2: Auch im Bereich der sich mit betonter Distanz zu Parteipolitik gebenden Teilen der Zivilgesellschaft gibt es eine massive Tendenz, grundlegend gesellschaftliche Verwerfungen zu einem Kriminalfall umzudeuten. Als Beispiel dienen die Aufrufe aus facebook und E-Mails für eine Kundgebung am 15.10.2011: Zentrale Kategorien sind Korruption und – wie bereits bei Beispiel 1 – die Bezugnahme auf „Kärnten“, das da „gegen die Wand“ gefahren werde. . Beispiel 3: . Beispiel 4: Die – bis auf das Beispiel Nr. 3 aus Kärnten stammenden – Beispiele zeigen: Es sind nicht nur irgendwelche rechtsextremen Ränder, die da eine „unfreundliche Übernahme“ (so der Titel eines Ich möchte nun zeigen, dass diese rechtsextremen Konstrukte Ergebnis von praktisch alle Lebensbereiche durchziehenden Weltbildern sind und nur deren konsequente Umsetzung sind: . Ein Schlüssel: „Positivistische Staatsbürger/innenkunde“ Was diese Weltbilder ausmacht, zeigt das folgende Zitat aus dem Folder, der die Veranstaltungsreihe, in deren Rahmen diese Thesen hier formuliert werden, bewirbt: Es gibt kaum eine Region in Europa, in der nahezu alle Kriege und gewalttätigen Konflikte des 20. Jahrhunderts so direkte und unmittelbare Folgen hatten, wie im Alpen-Adria-Raum. Dies gilt für den Ersten Weltkrieg, wo die Region Frontlinie war, dies gilt für den antifaschistischen Widerstand, der hier begonnen hat, noch bevor in Deutschland die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, dies gilt für den Zweiten Weltkrieg, in dem es hier nicht nur zu regulären Kämpfen kam, sondern starke Partisaneneinheiten aktiv waren, dies gilt für den Kalten Krieg, als die Ost-West-Grenze direkt durch die Region verlief und die Stadt Görz, wie Berlin, in zwei Teile spaltete. Die Elementarereignisse des 20. Jahrhunderts, – Weltkriege, Nationalsozialismus, Faschismus, antifaschistischer Widerstand, Vernichtung des Judentums, Kommunismus, post-kommunistischer Bürgerkrieg und demokratischer Wiederaufbau – für all dies war diese kleine Region ein großer Schauplatz. Das werden wohl die meisten der „aufgeschlossenen, weltoffenen“ Menschen auch so sehen. Schaut man sich dieses Zitat aber genauer an, so haben wir es hier mit einem Schlüsseltext des „Nicht-Erinnerns“, also des Verdrängens, zu tun, indem DAS Fundamentalereignis des 20. Jahrhunderts, nämlich die Durchsetzung des Kapitalismus (und seines ungeliebten Verwandten, der „Nachholenden Entwicklung“ unter dem Vorzeichen eines angeblichen „Kommunismus“) ganz einfach ausgeblendet wird:
Wenn dann im obigen Zitat die Wiederherstellung dieser Verhältnisse als demokratischer Wiederaufbau bezeichnet wird (ohne die Verwendung relativierender Anführungszeichen!), ist dies schon bezeichnend. Solch eine systemkonforme Staatsbürger/innenkunde ist purer Positivismus: Das, was ist, ist gut, weil es ist. Die Grundmerkmale des Bestehenden sind nicht zu analysieren, sondern hinzunehmen, Anstrengungen sind lediglich zu seiner Optimierung zu unternehmen. Statt dessen gälte es, mit einer historisch-logischen Methode die uns so zur zweiten Natur gewordene spezifische gesellschaftliche Konstellation bewusst zu machen: Ausgehend von der Geschichtlichkeit der konkreten Form der Vergesellschaftung, also der Tatsache, . Konsequenz zwanghaft-konsequenter Weltbilder Genau dies aber macht der oben zitierte Text NICHT, die Ausblendung des zugrundeliegenden Kapitalismus macht das Bestehende unhinterfragbar. Dabei kommt der positivistischen Bezugnahme auf die Demokratie im obigen Zitat zentraler Stellenwert zu: In der „liberalen Konstellation“ (in ihren verschiedenen Schattierungen von national-liberal über neoliberal und ordoliberal sowie sozialliberal bis hin zu klassisch sozialdemokratisch) spielt die Vorstellung von der Gestaltungsfähigkeit durch die Bürger/innen als „Subjekte“ (=Bestimmende) ihres Schicksals sowie den Staat als der Instanz, in der sich diese „Subjekte“ zusammenfinden, um aus der scheinbar über allem schwebenden politischen Sphäre die Richtung der Gesellschaft „rational, aufgeklärt und vernünftig“ festzulegen, eine Schlüsselrolle. Konsequent geleugnet wird der Zwang der Verhältnisse, die uns absurdeste Handlungsweisen aufzwingen, ja dieser Zwang wird sogar als Freiheit bejubelt. (siehe dazu ausführlicher ![]() Innerhalb des dicken schwarzen Rahmens bewegt sich die „Vernunft“ des „Entwicklungsmodells“: Einerseits besteht ein von den gesellschaftlichen Verhältnissen ausgehender Zwang, unabhängig davon, ob ich nun daran glaube oder nicht. Die hinter den Dingen versteckten gesellschaftlichen Verhältnisse zwingen mich, so zu handeln. (der Fetischcharakter, siehe Grigat, S. 71. In der Skizze der untere Pfeil zur roten Figur). Andererseits zum endgültigen geistigen Gefängnis wird die liberale Konstellation erst, wenn die Menschen auch noch daran glauben. Es ist dies die subjektive, im Bewusstsein stattfindende Seite, die Fetischisierung, in der vorigen Skizze durch den Pfeil von der roten Figur zum / durch den schwarzen Rahmen symbolisiert. Sie bedingt dann ganz spezifische politische Vorstellung der Monade von Modernität / Entwicklung, Einkommen und Arbeit, Geld, Wachstum, von gut funktionierenden effizienten Regierungen, von Sauberkeit, Berechenbarkeit, Konkurrenzfähigkeit, Bildung, Sicherheit ... Solch positivistisches Denken hat verheerende Konsequenzen: Für wen die Welt SO ist, weil sie so ist / wer sich darin als „Subjekt“ sieht / wer sich „aufgeklärt“ in dieser Vernunft bewegt / wer Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit sieht / wer sich als „Anständige/r“ um nahtlose Einfügung in das System bemüht ...
Das heißt aber nichts anderes, dass aus dem Denken in der „liberalen Konstellation“ heraus rechte bis rechtsextreme, autoritäre Ideologien entstehen: Verschwörungstheorien bis hin zum Antisemitismus, ein Denken in den Kategorien Volksgemeinschaften und Volksschädlingen, der Bedrohung des Guten durch die Kriminellen, der Hass auf die (angeblich) Unangepassten und der Zwang zu deren pädagogischer Bearbeitung wie überhaupt zu der – letztlich autoritären – totalen Pädagogisierung (dazu Erich Ribolits). . Folgerungen für das Erinnern
. Zum Weiterlesen .
Ein überzeugender Beitrag, der unter anderem verschiedene gesellschaftspolitische Protestaktionen in einem anderen Licht zeigt und zu genauerem Hinterfragen anregt.
Ein überzeugender Beitrag, der unter anderem verschiedene gesellschaftspolitische Protestaktionen in einem anderen Licht zeigen und zu genauerem Hinterfragen anregt.
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