2007-10-15
Klimaretter Biosprit?
Weltweit gibt es auf den Landwirtschaftsmessen ein Phänomen. Statt Tiere sind immer mehr Autos zu sehen. Mit großer Erdkugel an der Decke und Blümchen auf den Autotüren verkünden die Hersteller lautstark, dass sie den Planeten mit Biosprit retten wollen. Christian Salmhofer über die gefährlichen Interessen hinter dem Agrosprit.
Die Bauern werden als die neuen »Ölscheichs« gefeiert. Obwohl wir noch nicht einmal die Welternährung im Griff haben, soll die Landwirtschaft unser Energieproblem auch gleich mitlösen. Kann unsere Erde das überhaupt verkraften? Geht es nach denen, die daran verdienen werden, gibt es kein Problem. „Man braucht nur die Stilllegungsflächen mit Energiepflanzen zu kultivieren. Unsere BäuerInnen verdienen wieder und wir schicken kein Geld mehr den Ölscheichs“, so der Tenor. Diese Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass die EU hunderttausende Quadratkilometer landwirtschaftlicher Nutzflächen in allen Ecken der Erde zur Eigenversorgung mitbenutzt. Allein 42 Millionen Tonnen Soja wurden 2003 zur Tiermästung importiert. Dabei schnitt sich der Bioweltmeister Österreich 650.000 Tonnen Soja vom Futtermittelkuchen ab. Würde man die benötigten Futtermittel in Europa selbst anbauen, gäbe es kaum mehr stillgelegte Flächen. Dass in Südamerika der Sojaanbau inzwischen hauptverantwortlich für die Regenwaldzerstörung ist, wird ausgeblendet.
Fleischhunger und Spritdurst
Als ob die Intensivtierhaltung auf Basis globalisierter Futtermittel nicht schon genug Probleme schaffen würde, wittert die Agroindustrie nun bei den Biokraftstoffen den großen Braten. Die Sojabohne zu Sprit und der Presskuchen zu Futtermittel – ein Synergieeffekt, der den Fleischhunger und den Spritdurst der EU stillen soll. Ein Projekt, das nicht nur unsere Autos antreiben soll, auch für die Regenwaldzerstörung wird das wie ein Turbolader wirken. Weltweit gehen die Biokraftstoffproduzenten an die Börse, das globale Geschäft kommt auf Touren. In Brasilien geben sich ausländische Investoren die Klinke in die Hand und suchen nach Beteiligungsmöglichkeiten.
Turbo für Gentechnik
Im Agrobusiness herrscht Goldgräberstimmung. Bunge, Cargill, ADM und Monsanto erwarten sich in den Bereichen Chemie, Maschinen, Saatgut usw. Investitionsbeträge in Milliardenhöhe. Stephan Freyer von BASF bringt es auf den Punkt: „Ohne Grüne Biotechnologie wird eine Bioraffinerie nie effizient sein. Pflanzen müssen gentechnisch gezielt auf die Anwendung zugeschnitten werden.“ (dies fordert auch der Vertreter des Global Marshall Plans [!!!] Franz Fischler für Gentechnik in der Landwirtschaft).
Die Nachfrage nach Bioenergie wird weltweit zur Produktionssteigerung von Agrarprodukten führen. Der Preis für die Biokraftstoffe wird aufgrund der Globalisierung der Märkte auf dem virtuellen Marktplatz „Börse“ zwischen Lebensmittelherstellern und Energiekonzernen ausgemacht werden. Beim Vergleich zwischen der Sucht der Reichen nach Öl mit dem Appetit der Armen werden AutofahrerInnen immer gewinnen. Denn Menschen, die Auto fahren, werden immer mehr Geld haben als Menschen, die hungern. Mit dem Getreide, das für eine Tankfüllung Ethanol gebraucht wird, kann man einen Menschen ein Jahr lang ernähren. Obwohl 2006 erst 1,6 % des weltweiten Ölbedarfs von Biokraftstoffen gespeist wurden, hat der „Ölhunger“ bereits die Preise agrarischer Produkte nach oben gedrückt. Die Zuckerrohr-, Soja- und Palmöl-Monokulturen zerstören aber nicht nur den Regenwald, auch die Kleinbauern werden vertrieben. (siehe dazu Brasilien im Ethanolrausch)
Kyoto zerstört Regenwald
Paradoxerweise beschleunigt das Kyoto-Protokoll die Regenwaldzerstörung, denn beim weltweiten Handel mit CO2 erhält die Biosprit-Industrie große Kontingente gut geschrieben, wenn sie Treibstoff z.B. aus Palmöl produziert. Auch Österreich bedient sich am globalen Markt. Als „Opfer der Globalisierung“ beschwört man zwar das Schließen regionaler Kreisläufe durch Biokraftstoffe, doch die Realität sieht anders aus. Österreich muss hunderttausende Tonnen an Ölen für Biokraftstoffe importieren. Viel effizienter und klimaverträglicher wäre es, Biomasse stationär und dezentral zu nutzen. Holzheizungen, Biogasanlagen und Blockheizkraftwerke, die Strom und Wärme erzeugen, weisen einen wesentlich geringeren Energieverlust als die Biokraftstofferzeugung auf. Angebaut werden sollten nur Rohstoffpflanzen, die die Vielfalt des Systems verbessern. Anstelle des großflächigen Anbaus einer einzigen Pflanzenart sollten prinzipiell nur Pflanzen zum Zug kommen, die ohne Düngemittel und Gifte auskommen. Die Palette reicht hier von Sonnenblumen bis hin zu den verschiedenen Holzarten.
Biolandbau satt Biosprit
Nachwachsende Rohstoffe müssen denselben ökologischen Kriterien wie Nahrungsmittel entsprechen. Anstatt mit enormem Einsatz von Steuergeldern Biokraftstoffe zu forcieren, sollten wir besser all unsere Kräfte in die Biolandwirtschaft lenken. Biokraftstoffe sollten aber nicht nur ein Bio-Gütesiegel tragen, auch ein FairTrade Gütesiegel ist unbedingt erforderlich. Denn neben der Ökobilanz müssen auch die Arbeitsbedingungen vor Ort stimmen. Die Ethanolproduktion in Brasilien z.B. ist die Fortführung der kolonialen Wirtschaftsstruktur, basierend auf Großgrundbesitz, Monokultur und Ausbeutung der Arbeitskräfte. Viele NGOs wie Bauernorganisationen, Landlose (MST), Kirchen warnen daher vor einer sozialen und ökologischen Katastrophe durch Biosprit. Klimaschutz sollten wir auch als Chance sehen, unser gesamtes Ernährungs- und Landwirtschaftsmodell umzustellen.