Independent Carinthian Art & Cult | ||
Wed Nov 06 2024 17:57:09 CET |
|
2011-10-09 Die Kinder in den italienischen Konzentrationslagern Hintergründe der Ausstellung Quando morì mio padre / Ko je umrl moj oče / Als mein Vater starb (HTL Villach, 12. – 28. Oktober 2011) . Überfall auf Jugoslawien im April 1941 Vor 70 Jahren, am 6. April 1941, überfielen deutsche, italienische, ungarische und bulgarische Truppen Jugoslawien. Ohne vorherige Kriegserklärung wurde Belgrad schwerstens bombardiert. Es war ein Blitzkrieg. Vierzehn Tage später wurde in Belgrad die Kapitulation unterzeichnet. Trotzdem entwickelte sich der Balkan zu einem der blutigsten Kriegsschauplätze des Zweiten Weltkrieges. Besonders verhängnisvoll war dieser Überfall für das slowenische Volk, dessen gesamtes Siedlungsgebiet zwischen den drei Besatzungsmächten Deutschland, Italien und Ungarn aufgeteilt wurde. Während der südliche Teil, einschließlich Ljubljana, an Italien angeschlossen wurde, fiel der nördliche Teil, die Oberkrain und die Untersteiermark, an Deutschland. Das Übermurgebiet/Premurje kam zu Ungarn. Nun wurde im deutsch besetzten Gebiet ein Germanisierungsprogramm und im italienisch besetzten Gebiet ein Italienisierungsprogramm in Gang gesetzt. Beabsichtigt war die Auslöschung der ethnischen Identität des slowenischen Volkes. Slowenien sollte von der Landkarte verschwinden. In diesem Krieg bezahlten auch die Kinder ihren Preis an Gewalt und Terror. Sie lernten Razzien, Brandlegungen, den Tod, die rassistische Verfolgung, die zwangsweise Entnationalisierung und die Deportation in die Konzentrationslager kennen. Italienische Besatzung Ende April 1941 wurde die slowenische Befreiungsfront gegründet, um den bewaffneten Kampf gegen die Besatzer aufzunehmen und im Oktober 1941, sechs Monate nach dem Überfall auf Jugoslawien, kam es zu den ersten bewaffneten Auseinandersetzungen. Die Partisanen unterbrachen alle Eisenbahn- und Straßenverbindungen zwischen Ljubljana und Italien. Das wiederholte sich trotz italienischer Gegenschläge. Im Sommer 1942 kam es zu einer massiven italienischen Gegenoffensive. Von Kočevje bis Čabranka, von den großen Waldflächen des Medvedjek und Novi Kot bis zu den Borovške Bergen machten die italienischen Soldaten alles dem Erdboden gleich, was den Partisanen als Unterschlupf oder Schutz dienen könnte. Zahlreiche Dörfer, Kirchen und Weiler verwandelten sich bis zur ersten Augusthälfte 1942 in leere Brandstätten. Die Bewohner der Orte wurden festgenommen und in die Konzentrationslager Rab, Gonars, Monigo, Visco, Padua und Renicci deportiert. Um den Partisanenkräften die Unterstützung der Bevölkerung zu entziehen, entschied die italienische Besatzungsmacht zahlreiche Bergdörfer in einem dutzende Kilometer breiten Streifen zwischen Slowenien und Kroatien dem Erdboden gleichzumachen. Die gesamte Wohnbevölkerung wurde verhaftet und in die Konzentrationslager an die italienische Ostgrenze deportiert. Dort starben sie unter unmenschlichen Bedingungen an Hunger, Krankheit und Kälte. Die italienische Wachmannschaft in den Lagern hatte selbst mit Frauen, alten Menschen und Kindern kein Nachsehen. Die Kinder erzählen Darüber, wie die Kinder die Tage in den Konzentrationslagern verbrachten, erzählen sie uns in den Aufsätzen, die wir hier ausstellen. Sie erzählen uns, wie sie den Terror, die Niederbrennung ihrer Elternhäuser, die Trennung von den Eltern, den Aufenthalt im Konzentrationslager, den Hunger und die Kälte erlebten. Diese kindlichen Erinnerungen werden in einer einfachen und erschütternden Sprache vorgetragen. Die beigefügten Zeichnungen und Skizzen schildern kleine Episoden des Glücks oder der Angst. Die Erwachsenen erlebten das Konzentrationslager auf andere Weise. Trotz der Stumpfsinnigkeit des Lageralltags halfen sie den Kindern auf verschiedene Art, mit Lebensmittel aus zugesandten Paketen, oder in dem sie den Platz der verstorbenen Eltern einnahmen. Stane Kumar, ein bekannter slowenischer Maler fertigte Skizzen von hungernden Kindern im Lager an. In seinen Erinnerungen spricht er vom großen Hunger, der die Kinder apathisch machte. Ich habe, so sagt er, den Hunger des ersten Weltkriegs gesehen, aber das war kein wirklicher Hunger. Der wirkliche Hunger war der in den Lagern, wo ich auf jeden Schritt auf zwei Augen traf, die mich baten ihren Hunger zu stillen. Hier gab es hunderte hungriger Kinder, von Säuglingen bis zu Schulkindern. Der Hunger belastete den Organismus und Psyche der Kinder, sie stumpften immer mehr ab, hockten in den Ecken, sprachen kaum miteinander. Eine hohe Sterblichkeit war die Folge dieser furchtbaren Zustände. Furchtbarer in die Verzweiflung treibender Hunger Am 27. Juli l942 traf der erste Transport auf der Insel Rab ein. Kinder, Frauen, alte Menschen und Menschen mit Behinderungen wurden in alten Militärzelten auf einem Maisacker untergebracht. In den ersten beiden Wochen quartierten die Italiener gleich elf Transporte in kaum bewohnbare Unterkünfte ohne sanitäre Anlagen ein. Unter diesen Lagerinsassen gab es neben, Frauen und Männern Frauen auch sehr viele Kinder. Ende August befanden sich auf Rab rund 1000 Kinder unter sechzehn Jahren. In Monigo bei Treviso stieg die Zahl der internierten Kinder auf 979. Heute ist die Zahl der Kinder unter den 25.000 slowenischen Internierten nicht mehr auszumachen. Die Daten gingen in der schlampigen Lagerverwaltung verloren. Aus diesem Grund sind die kindlichen Zeitzeugnisse von großer Bedeutung. Die Kinder erinnern sich in ihren Aufsätzen auch an das Unwetter im Lager auf der Insel Rab vom 29. September 1942. In dieser Nacht stieg das Wasser bis zu zwei Meter hoch und schwemmte Zelte und Menschen weg, die schreiend in der Nacht verschwanden und nie mehr gesehen wurden. In ihren Aufsätzen über das Lager erinnern sich die Kinder an den Tag, an dem sie ihrem Elternhaus entrissen wurden, an die endlos langen Wege in der Kolonne hin zum Schiff nach Rab, sie hörten die Alten reden, dass alle ins Meer geworfen würden. Sie erinnern sich an die Ankunft in der Zeltstadt auf Rab und an den Hunger, den furchtbaren, nicht endenden, in die Verzweiflung treibenden Hunger. Sie erzählen von den verpflichtenden Bädern im winterkalten Meer und von Begräbnissen in Massengräbern. Mit dem Herbstregen und den Winterfrösten des Jahres 1942 stieg die Sterblichkeit auf Rab insgesamt, unter den Kindern jedoch besonders. Der Tod war ein ständiger Begleiter in dieser Zeit. Beim Lesen der Geschichten der Kinder kann man eine Realität erahnen, die frösteln macht. Nach Protesten slowenischer kirchlicher Behörden beim Vatikan wurden zwischen dem 21. November und dem 5. Dezember 1942 von Rab 1.163 Frauen, 1.367 Kinder und 61 männliche Gefangene in das KZ Gonars überstellt. Rückkehr Nach der Kapitulation Italiens am 8. September 1943 kehrten die Menschen in ihre Heimatorte zurück. Viele Kinder hatten einen oder beide Elternteile verloren. Zu Hause erwarteten sie die Reste verkohlter Häuser. Die Felder lagen brach. Die Befreiungsorganisationen sorgten sich vor allem für die Waisenkinder und für die, die ohne Haus, ohne Verwandte oder andere Möglichkeiten geblieben waren. Vielen dieser Kinder ermöglichten sie Gebiete zu erreichen, die durch den Krieg nicht berührt waren und wo sich auch Schulen gebildet hatten. Die Volksbefreiungsfront ließ Kindern, die sich wegen des Engagements ihrer Eltern im Befreiungskampf in Gefahr befanden, besondere Sorge angedeihen. Man richtete ein Netzwerk von Verbindungen und scheinbaren Familien ein, die sich der Kinder annahmen. Die Eltern befanden sich in Gefangenschaft, in der Illegalität oder im Widerstand. Die Gewissheit, dass die Kinder in Sicherheit sind, wirkte motivierend auf die Fortsetzung des Kampfes gegen die Besatzer. Im Rahmen der nationalen slowenischen Hilfe wurde eine Sektion für die Betreuung von Kindern eingerichtet. In dieses Netzwerk wurde ein Kreis von Menschen eingebunden, die für eine sichere Bleibe der Kinder sorgten, ihnen eine neue Identität verschafften und sie mit Nahrung, Kleidung und ärztlicher Hilfe ausstatteten. Diese Kinder-Sektion war so gut organisiert und hermetisch abgeschlossen, dass es während des gesamten Krieges weder den Italienern, noch den Deutschen jemals gelang in sie einzudringen. Die Regeln des Netzwerks verlangten einen ständigen Wechsel der Pflegefamilien. Mit dem Problem, wie sich der ständige Wechsel der Pflegefamilien, das Verstecken und die unaufhörlichen Razzien auf die Kinder auswirkten, hat man sich nach dem Krieg noch viele Jahre lang auseinandergesetzt. Schulen für die Kinder Im Jänner 1944 begann man in den befreiten Gebieten mit der Erneuerung des Schulwesens. Die Befreiungsfront erließ bereits im Mai 1942 eine Verordnung über den Schuldienst in den befreiten Gebieten. Aufgrund dieser Verordnung wurde der Schulunterricht in der Gottschee wieder aufgenommen. Das Partisanenschulwesen war eine Besonderheit der Widerstandstandbewegung in Slowenien. Das Partisanenschulwesen durchlief drei Phasen: Die erste Phase betrifft die Zeit bis zum Frühjahr 1942, als in der Region Dolenjska, in der sich auch die Gottschee befindet, das erste befreite Gebiet entstand. Die große italienische Offensive im Sommer 1942 beendete diese Anfänge. Die zweite Phase der Organisation des Schulwesens beginnt nach der Kapitulation Italiens im September 1943. Damals begann man auf den sich ständig erweiternden befreiten Gebieten mit der Wiederaufnahme des Unterrichts für Kinder. Die dritte Phase der Partisanenschule begann im Februar 1944 und endete mit der Befreiung. In dieser Zeit verbesserte sich die Organisation des Unterrichts, es gab auch immer mehr Schulbücher und man kümmerte sich um die Lehrpersonen und ihre Weiterbildung. Es ist verständlich, dass sich die Art und Weise des Schulunterrichts in der Illegalität ständig änderte und von einer etablierten Schulordnung vor Kriegsende nicht die Rede sein kam. Wegen der Kriegsverhältnisse, der Nähe der Kämpfe und der ständigen Bedrohung durch die Besatzer musste der Unterricht dementsprechend angepasst werden. Ortswechsel waren häufig. Die Lösung vieler Probleme lag in den Händen und der Findigkeit von Lehrpersonen und zahlreicher uneigennützig helfender Menschen, die Räume und Nahrung bereitstellten. Selbst für Kinder keine Gnade Anlässlich des dritten Jahrestages der Gründung der Befreiungsfront schrieb die Sektion für Unterricht einen Aufsatzwettbewerb aus. Die Themen lauteten: „Die Kinder sprechen zu uns“ und „Die Kinder in den Konzentrationslagern“. Durch die schriftliche Auseinandersetzung mit den traumatischen Erfahrungen in den Lagerjahren, sollte es den betroffenen Kindern ermöglicht werden, sich von den Albträumen, die diese Erinnerungen in ihnen auslösten, zu befreien. Die Aufsätze und Zeichnungen sind verbürgte Zeitdokumente, die von den Leiden und den ungeheuerlichen Zuständen in den Konzentrationslagern erzählen. Aus den gesammelten Aufsätzen und Zeichnungen ist ein unmittelbares Begreifen der Geschichte seitens der Kinder wahrnehmbar. Die Aufsätze und Zeichnungen sind eine der schlimmsten Anklagen gegen Kriegsgewalt. Die Kommission, die die Schriften beurteilte, prämierte sie als Ganzes, ohne orthographische oder syntaktische Fehler in Betracht zu ziehen. Diese schriftlichen Denkmäler über das Leiden der Kinder sollen uns an einen Zeitabschnitt des zweiten Weltkriegs in Slowenien erinnern, als Menschen selbst mit Kindern keine Gnade hatten. .
Quellen
Keine Reaktionen vorhanden |
|