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Andreas Exner
Solidarisch G'sund

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2011-09-02

Volkswirtschaftliche Vernunft als Barbarei

Nähert sich in der Systemkrise die herrschende Ideologie einem modernisierten Nazismus an?

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Was tun? Was tun!

Am 7. Oktober wird es in Klagenfurt die Veranstaltung „Gegen das Kranksparen: Erfahrungen mit dem Widerstand im Gesundheits- bereich“ geben. Voraussichtlich am 14. Oktober findet dann in Villach die Aktion „Lassen wir's uns gut gehen!" als Kontrapunkt zum „Gürtel-enger-schnallen“-Diskurs statt. Eine Aktion, die im Rahmen des europaweiten Aktionstages um den 15. Oktober stattfindet, mehr dazu siehe r hier.

Die ÖVP hatte ihr intellektuelles Sommerevent: das Forum Alpbach. Damit dort nicht dieselben das Gleiche erzählen was sie immer tun, lud man dort Leute aus der großen weiten Welt ein, um zu diskutieren. Diesmal war das Thema r „Gerechtigkeit – Veranwortung für die Zukunft“. Doch kann die ÖVP über ihren Schatten scheinbar nicht springen. Umverteilung wird in ihrer verkehrten Welt als Almosen halluziniert. Heraus kommt ein Neonazismus light, der angesichts des r kapitalistischen Umgangs mit Peak Oil ein Nazismus des 21. Jahrhunderts zu werden droht.

Da lädt die ÖVP einerseits r Richard Wilkinson und r Kate Pickett ein, deren Forschung nachweist, dass r soziale Ungleichheit krank macht – und das in erheblichem Ausmaß, sodass es im Vergleich der OECD-Staaten nicht nur keinen signifkanten, sondern schlicht keinerlei Zusammenhang zwischen BIP pro Kopf und Gesundheitsindikatoren gibt, jedoch eine fast lineare Korrelation der öffentlichen Gesundheit mit der Einkommensungleichheit. Die Unterschiede im Gesundheitszustand, die Ungleichheit verursacht, sind dabei erheblich. Und da definiert die ÖVP andererseits Krankheit um in ein individuelles Schicksal, das angeblich in den Genen steckt – in der schlimmsten Tradition des Nazi-Faschismus.

Das alles passiert in ein- und derselben Veranstaltung. Diese, das darf man nicht vergessen, ist keine schöngeistige intellektuelle Debatte, sondern eine politische Intervention. Das Forum Alpbach fungiert als Stelldichein der Möchtegern-Eliten Österreichs, Sozialpartner, SPÖ und Grüne inklusive. Bei den öffentlichen Events klopft man einander insgeheim ob des angeblich weltoffenen Charakters auf die Schulter. Man suhlt sich in der Vorstellung, zur Spitze der Gesellschaft zu gehören – was allerdings nur einkommensmäßig der Fall ist. Man nutzt den Nimbus des einstigen philosophischen Aushängeschilds „Forum Alpbach“, das der neoliberale Hofphilosoph Sir Karl Popper einst ins Leben gerufen hatte, für inoffizielle politische Sondierungen, Debatten und Absprachen.

Nun aber zum Einladungstext der verheißungsvollen Veranstaltung r „Justice and Medicine“, die im Rahmen der „Alpbacher Seminarwoche“ vom 18.-24.8.2011 stattfindet. Dort soll es also um Gerechtigkeit und Medizin gehen, der Untertitel „Scientific, social and ethical challenges“ verweist auf „wissenschaftliche, soziale und ethische Herausforderungen“:

Gewalt und Vertrauen, die Geburtenrate bei Teenagern, Drogenmissbrauch, die Fähigkeiten von Schulkindern oder die Kraft des Gemeinschaftslebens zwischen reichen Ländern, so ist klar, dass Gesellschaften, die bei einem dieser Indikatoren gut abschneiden, dazu tendieren, bei allen diesen Indikatoren gut abzuschneiden. Jene aber, die bei einem dieser Indikatoren schlecht abschneiden, tun dies der Tendenz nach auch bei allen anderen. Was erklärt den Unterschied?

Der Schlüssel ist die Größe der Einkommenslücke zwischen Reichen und Armen in einer Gesellschaft. Dieses Bild ist konsistent, egal ob wir die reichen Staaten untereinander vergleichen oder die 50 Bundesstaaten der USA. Je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto mehr Gesundheits- und Sozialprobleme hat sie – größere Gleichheit jedoch nutzt der großen Mehrheit der Bevölkerung und nicht allein den Armen.

Auf der anderen Seite unternehmen wir die ersten Schritte hin zu einer individualisierten Medizin (IM), getrieben durch die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie, medizinischen Bedarf, die Verknappung der finanziellen Ressourcen und die Nachfrage der Gesellschaften nach einer mehr am Patienten orientierten Medizin. IM-Konzepte sind rational und basieren auf dem Faktum, dass das Genom eines Individuums einzigartig ist und das Risiko für Krankheit und die Ansprechbarkeit auf Interventionen determiniert. Dies hat eine bedeutende Auswirkung auf die Entwicklung von Medikamenten und den Zeitpunkt ihrer Anwendung. Während die konventionelle Medizin auf die Diagnose fokussiert und die voll entwickelte Krankheit behandelt, zielen IM-Konzepte bevorzugt dahin, Krankheitsrisiken zu quantifizieren. Sie versprechen hohe Präzision bei geringeren Kosten indem unnötige Behandlungen vermieden werden.

So hat das Seminar eine zweifache Fragestellung: Was sind die wissenschaftlichen Erfordernisse der Gesellschaft und des Gesundheitssystems zur Implementierung einer individualisierten Medizin? Und wie können wir – zugleich – die Ungleichheit in unseren Gesellschaften reduzieren?

Man muss sich erstens klar machen, was individualisierte Medizin bedeutet und zweitens, worin der gesellschaftspolitische Kontext des Forum Alpbach und einer solchen Debatte besteht.

„Individualisierte Medizin“ als Weg in den Nazismus des 21. Jahrhunderts?

Die individualisierte Medizin ist ein Konstrukt, das der Pharma- und Medizintechnikindustrie Profitmöglichkeiten schaffen soll – weit davon entfernt die im Einladungstext suggerierte „Kostenersparnis“ (die überhaupt nicht notwendig ist) zu ermöglichen: durch aufwendige Diagnosen, durch einen Anstieg unnötiger Medikationen und fragwürdiger medizinischer Methoden aufgrund der allgegenwärtigen Risikoideologie und einer verstärkten individuellen Haftung der Ärztinnen und Ärzte, die nach dem Wunsch der neoliberalen Eltern am Besten noch für die Schulnoten der Kinder verantwortlich gemacht werden sollen (dies ist keine Polemik, wie Einzelfälle auch in Österreich zeigen).

Darüberhinaus ist die individualisierte Medizin ein Konstrukt, das die Individualisierung gesellschaftlicher Problemlagen weiter vorantreiben soll. Nicht nur soll eins nun verantwortlich sein für Verlust oder Erhalt eines Arbeitsplatzes, nein, mehr noch: es soll eins auch verantwortlich gemacht werden für das, wofür eins – wie wissenschaftlich eindeutig zu zeigen ist – nicht verantwortlich gemacht werden kann: das eigene Gesundheitsrisiko.

Auch dies ist mit handfesten Profitinteressen vermittelt: dem Vordringen der gewinnorientierten Versicherungswirtschaft, die sich strikt am Konzept der individualisierten Medizin orientiert, was in einer Aushöhlung der öffentlichen Gesundheitsversorgung, einer Verschärfung der krankmachenden sozialen Ungleichheit und schlussendlich in einer Abstoßung derjenigen, die eigentlich Gesundheits- und Pflegedienstleistungen benötigen, resultiert.

So zeigt sich erneut, was Kapitalismus ist: Elend.

Die Debatte um die angebliche genetische Bedingtheit von Krankheiten stellt, in Verbindung mit Kostenerwägungen, einen Kernbestand rechtsextremer Positionen dar. Sie ist im hervorragenden ersten Teil des Zeitgeist-Films r „Moving Forward“ (auf youtube mit weit über 7 Millionen Views mit Stand Juni 2011, r hier mit deutschen Untertiteln) von einschlägig tätigen und renommierten Wissenschaftern als kapitalistische Ideologie entlarvt. Die Nazis versuchten die Ermordung von in ihren Augen „lebensunwertem Leben“ mit den Notwendigkeiten des Überlebenskampfes und schließlich ihrem Krieg gegen die Welt zu rechtfertigen. Die ÖVP und Regierungen wie jene von SP-Voves in der Steiermark, versuchen die indirekte Verkürzung der Lebenserwartung und die direkte Verschlechterung des Gesundheitszustandes durch den Überlebenskampf im globalen Standortwettbewerb und den Krieg auf den Märkten für Staatsanleihen zu legitimieren. Walther Schütz hat die tödliche Dynamik des Standortwettbewerbs in seinen Auswirkungen gerade auch im Gesundheitwesen schon 2004 veranschaulicht (r Sieger sehen anders aus). Diese Entwicklung ist also keine, die allein auf das Konto der ÖVP oder anderer rechter Parteien geht. Sie ist eine, die dem Kapitalismus eingeschrieben ist, egal welche Farbe die Regierungsparteien gerade haben. Und sie droht vor allem in einer großen Krise, in die wir seit 2008 hineinsteuern, ins Extrem getrieben zu werden.

Nicht zufällig kommentierte ein Mensch mit Behinderungen in der Steiermark den r Angriff der Voves-Regierung auf das Menschenrecht auf bestmögliche Gesundheit mit der Idee für eine Aktion am Hauptplatz von Graz, bei der Menschen mit Behinderungen hätten symbolisch verbrannt werden sollen. (Die Aktionsidee wurde nicht umgesetzt.) Dies ist die intuitive Reaktion eines der vielen Betroffenen der erneuten Runde neoliberaler Kürzungen von Sozialleistungen. Und sie lässt sich in einen historischen Kontext stellen. Dieser Kontext heißt Rechtsextremismus, Biologismus, Sozialdarwinismus, Faschismus, Nazismus und Neoliberalismus. Allen quantitativen und qualitativen Unterschieden zwischen diesen Begriffen, den durch sie beannten Ideologien und ihren Praxisformen zum Trotz, besteht ein inhaltlicher Zusammenhang, der auf dem kapitalistischen Diktat der Verwertbarkeit beruht. Auf diesen Zusammenhang zu verweisen hat nichts mit Polemik zu tun, wie manche Leserin und mancher Leser geneigt sein werden zu vermuten, sondern mit einer ideologischen und sozialstrukturellen Kontinuität. Robert Kurz hat diese Kontinuität in erschreckender Anschaulichkeit in seinem r Schwarzbuch Kapitalismus (1999) dargestellt.

In der Falllinie der von der ÖVP organisierten Debatte am Forum Alpbach liegt ein modernisierter Nazismus, dem das Element das Antisemitismus (momentan) zwar fehlt, ansonsten jedoch vollgültig auf das in dieser Falllinie verortete Maßnahmenbündel zur Kostenreduzierung und Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit verweist: r Euthanasie zur „Kostenreduktion“ bei Altenpflege, Jugendbetreuung und Gesundheitsversorgung, Eugenik zur „Verbesserung des Erbgutes“, „Ausmerzung“ von „lebensunwertem Leben“, am Besten schon im Mutterleib, aufgrund von Nackenfaltenmessungen und Fruchtwasseruntersuchungen oder gleich nach der Geburt, eine schlecht dokumentierte Praxis der Vernichtung von Leben, für die es Hinweise gibt.

Man muss jedoch klar sehen: diese Falllinie, die am Forum Alpbach vorgezeichnet wird, ist beileibe keine Spezialität der ÖVP. So wie der r Faschismus in seinen vielen Spielarten, vom New Deal in den USA bis zum Nazismus, die Grundlagen der modernen Gesellschaft gelegt hat und eine große Spannweite gesellschaftlicher Kräfte „rechts“ wie „links“ der „Mitte“ umfasste, ebenso wird diese Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse, die den Neoliberalismus seit 1980 und seine staatsinterventionistische Variante seit 2008 kennzeichnet, von allen Parteien mitgetragen; mit Ausnahme der nicht im Parlament repräsentierten Partein, und das hat r strukturelle Gründe, die nicht zuletzt auch für r die Grünen gelten.

Die faschistischen Grundlagen der heutigen Gesellschaft, das sind: die fortwährende Orientierung am wirtschaftlichen Wachstum zur Sicherung der relativen Stabilität einer sozial in Klassen, „Rassen“ und „Geschlechter“ gespaltenen Gesellschaft in der permanenten Kriegswirtschaft so genannter Wirtschaftsstandorte; die so genannte Sozialpartnerschaft zwischen Kapital und Arbeit, vermittelt über den Staat (dies war historisch der Kernbestandteil des Faschismus); die restlose Unterwerfung der Individuen und ihrer kooperativen Zusammenhänge unter das Diktat der Überlebenskonkurrenz am Markt und Weltmarkt.

Der Rechtsextremismus ist deshalb die ideologische Mitte der kapitalistischen Gesellschaft. Das Kapital ruht auf faschistischen Grundlagen, die es über seine letzte große Krise in den 1930er Jahren gerettet hat. Diese Grundlagen haben sich im Zuge des r Neoliberalismus seit 1980, in der r Konterrevolution gegen die 1968er, noch tiefer eingegraben und modernisiert. Die faschistischen Grundlagen des modernen Kapitalismus schreiben sich fort, verhärten sich, und nehmen eine neue Form an in der Mehrfachkrise, in die das Kapital seit 2008 eingetreten ist.

Der gesellschaftliche Kontext der Debatte um Gleichheit kontra Individualisierung

Debatten wie am Forum Alpbach sind selbstverständlich nicht aus sich heraus, als neutraler Austausch von Argumenten und objektives Interesse an wissenschaftlicher oder philosophischer Erkenntnis zu verstehen. Wer das Forum Alpbach einmal persönlich kennengelernt hat, wird auf einen solchen Gedanken auch nicht verfallen. Wie jede öffentliche Debatte, vor allem wenn sie politischen Charakter trägt, ist auch das, was beim Forum Alpbach diskutiert wird, eine bestimmte Intervention, die r bestimmten gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen geschuldet ist. Diese entwickeln sich unabhängig von Parteien in den sozialen Kämpfen zwischen Kapital und Arbeit, den sozialen Auseinandersetzungen für mehr Freiheit und Gleichheit einerseits, und soziale Kontrolle und Ungleichheit andererseits. Deshalb unterscheiden sich die parteiförmigen Politiken in einer gegebenen Periode zumeist nur geringfügig. So wie bis in die 1970er Jahre keine nennenswerte (partei-)politische Kraft in Österreich den Wohlfahrtsstaat in Frage gestellt hat, ebenso stellt heute keine nennenswerte politische Kraft weltweit den Neoliberalismus infrage: die Kürzungen öffentlicher Haushalte, Steuerbegünstigung der Reichen und der Unternehmer, die verblödende abstrakte Leistungs- und Konkurrenzorientierung in allen Lebensbereichen. Was hier in Hinblick auf die ÖVP analysiert wird, gilt nicht nur für die ÖVP.

Die Einladung von Richard Wilkinson und Kate Pickett ist eine Reaktion auf eine anwachsende weltweite Bewegung für Freiheit, Gleichheit und Kooperation. Wilkinson und Pickett sind nicht nur nobelpreiswürdige Forscher/iinnen, die in einer Fülle von Studien, zusammen mit einer Reihe von Kolleg/innen den engen Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Krankheit belegt haben, sondern auch die Begründer des r Equality Trust, der sich darum bemüht, politische Konsequenzen aus diesen Forschungen zu vermitteln. Zuvor hat sie in Österreich schon die sich progressiv verstehende (zahlenmäßig gegenwärtig bedeutungslose) Linke in der r SPÖ und die r Armutskonferenz entdeckt. Ihre Einladung ist also wohl kaum ein Zufall.

Der Kontext, worin dieses Zugeständnis an die Bewegungen für Freiheit, Gleichheit und Kooperation gemacht wird, ist jedoch hochgradig vermachtet und alles andere als frei, gleich und kooperativ. Die ÖVP – und, indirekt, jene Kräfte aus den Reihen der so genannten Sozialpartner, der SPÖ und der Grünen, von FPÖ und BZÖ ganz zu schweigen, die am Forum Alpbach teilnehmen – setzen die Rahmenbedingungen der Debatte. Unter dem Deckmantel der „Gerechtigkeit“ wird der Angriff auf die öffentliche Gesundheit vorangetrieben. So stellt das r Vorwort der „Alpbacher Reformgespräche/Perspektiven“, das ist die zentrale Schiene der Veranstaltungen in Alpbach, klar:

In der Diskussion um die Verantwortung für die Zukunft muss die Gerechtigkeit ein Leitmotiv sein. In diesem Sinne werfen die Alpbacher Reformgespräche/Perspektiven 2011 ein Schlaglicht auf die Bemühungen zur Konsolidierung der europäischen Wirtschaft. Wir fragen, welche Strukturreformen in der EU und den einzelnen Mitgliedstaaten bereits geglückt sind, und wie die Ziele bis 2020 aussehen.

Eine der wichtigen Fragen ist, wie es um die Entscheidungsfähigkeit in der Demokratie steht. Wie können wir notwendige, aber mitunter unpopuläre Maßnahmen durchsetzen? Auch die nachhaltige Gestaltung der Sozialsysteme wird das Plenum maßgeblich beschäftigen. Wie können Effizienz und Effektivität gesteigert werden? Und wie können wir die Generationengerechtigkeit sichern?

Schließlich untersuchen wir, welche Investitionen zukünftig nachhaltiges Wachstum generieren können. Bleiben notwendige Schritte in den Bereichen Energie, Klima und technologischer Fortschritt aufgrund von Einsparungen auf der Strecke? Und was bedeutet dies für Österreich und Europa?

Gefragt wird nicht, wie der Souverän (die Leute) auch die Souveränität ausüben kann. Gefragt wird lediglich, wie die Interessen des Kapitals auf Kosten der Lohnabhängigen und der Umwelt mit der vom Staat angeeigneten und ihn charakterisierenden Souveränität der Gewalt durchgesetzt werden können. Damit wird eine Wende zum offenen Autoritarismus vorbereitet, die schon der Neoliberalismus mit Strukturanpassungsprogrammen in der Dritten Welt mit stillschweigender Unterstützung der Arbeiterklasse des globalen Nordens vorbereitet hatte, und nun auch im globalen Norden r auf Kosten eben dieser Klasse durchpeitscht.

Das Forum Alpbach fragt klarerweise nicht, warum die ÖVP im Verein mit der SPÖ und unter letztendlicher Billigung durch die Gewerkschaften und Arbeiterkammern – wer nicht streikt und revoltiert, stimmt zu – Steuern auf Vermögen und Kapital abgeschafft oder drastisch reduziert hat, sie fragt nicht, warum sie eine Spreizung der Einkommen unterstützt, sie fragt nicht, warum sich die EU-Grenzen nur mit Massenmord erhalten können. All diese und so viele andere Fragen werden nicht gestellt. Das Zugeständnis, Leute wie Wilkinson und Pickett einzuladen dient der Kooptierung einer Debatte.

Diese Debatte muss aus der Sicht emanzipatorischer Kräfte daher antikapitalistisch zugespitzt und mit konkreten sozialen Kämpfen, Streiks und Revolten im Gesundheits- und Sozialbereich unterstützt werden, um den notwendigen Forschritt für unsere Gesundheit zu erreichen und eine Kooptierung im neonazistischen Rahmen von Mehrfachkrise und kapitalistischer Anpassung an Peak Oil zu verhindern. Dabei ist auch eine theoretische Schärfung unserer Konzepte notwendig. Die ÖVP reagierte auf die jüngsten Debatten um Gleichheit und Umverteilung mit einer Uminterpretation der Umverteilung. Dies fiel schon in politischen Tagesmeldungen auf und erhält nun die schein- und schöngeistigen Weihen der Tiroler Alpenluft:

Umverteilung bedeutet, dass Ressourcen dorthin fließen, wo sie nicht erwirtschaftet wurden. Das gilt für die Sozialpolitik, aber beispielsweise auch für die Entwicklungshilfe, die deutsche Wiedervereinigung, die Subventionen an verstaatlichte Unternehmen oder die Eurokrise. Können wir aus diesen Erfahrungen lernen? Wird in der Wirtschaftspolitik zu viel oder zu wenig umverteilt? Welche Transfers schaffen mehr Wachstum? Sind die Grenzen der Umverteilung bereits erreicht? Welche Folgerungen lassen sich für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft skizzieren?
r Kollaps der Transfergesellschaft? Wohin führt Umverteilung?“

In dieser Sicht erschafft das Kapital die Tätigen und ihr Tun, Zinsen vermehren sich von selbst. Dieser Unsinn ist offensichtlich, hat jedoch Methode. Sein Ziel ist die Entmächtigung jener, die den Reichtum schaffen – nicht nur den fragwürdigen Reichtum im Rahmen des Kapitalismus, der die Gestalt von Klimawandel, sozialer Deprivation und Peak Oil annimmt, sondern jeglichen Reichtum, auch in einer alternativen Gesellschaft r solidarischer Postwachstumsökonomie.

Tatsächlich existiert das Kapital erstens historisch aufgrund der r Enteignung der Bäuerinnen und Bauern und fortwährend nur aufgrund der Arbeit der Lohnabhängigen. Während die Lohnabhängigen auch ohne Kapital, das heißt ohne Management und Kapitalisten produzieren können, wie jede einzelne der unzähligen Kooperativen dieser Welt beweist (Mondragon ist das bekannteste Beispiel für diese Fülle an r solidarischer Ökonomie), kann das Kapital keine Sekunde lang ohne Menschen existieren, die sich ausbeuten, kommandieren und unterjochen lassen.

Der Herr braucht den Knecht, aber die Magd braucht die Herrin nicht.

Die Lohnabhängigen splitten sich auf in Erwerbstätige und Erwerbslose. Anders als die interessierte und plumpe Ideologie der Herrschenden Glauben machen will und der Sozialdarwinismus der konkurrenzistisch geprägten Lohnabhängigen verstärkt, sind zweitens die Erwerbslosen Basis des scheinbaren Ertrags des Kapitals. Denn sie bilden eine ständige (und anwachsende) Masse von „Reservisten“ der kapitalistischen Produktion, die den Preis der Ware Arbeitskraft drücken und den Profit im Gegenzug vermehren helfen. Unter Bedingungen der Vollbeschäftigung wie Ende der 1960er Jahre werden die Revolten der Arbeiter/innen leicht zu einem Todesstoß für das Kapital. Das war ja auch der Grund, weshalb die Wiederherstellung einer hohen Arbeitslosenrate dem Neoliberalismus sehr gelegen kam. (Dies ist übrigens kein Argument für Vollbeschäftigung. Die wird es nicht mehr geben und war nie mehr als Knechtschaft, gegen die die 1968er aus diesem Grund auch massenhaft revoltierten.)

Eine dritte Gruppe von Tätigkeiten, die für den Ertrag des Kapitals notwendig sind, sind jene, die im Haushalt erbracht werden, überwiegend von Frauen.

Viertens kann das Kapital nur akkumulieren, seinen Geldreichtum mehren, aufgrund der Ausnutzung sozialer und rassistisch begründeter Ungleichheit im Weltmaßstab, Ausplünderung der Ressourcen des Südens und Kolonisierung seiner Landfläche im r globalen Land Grab.

Es geht daher nicht um eine Umverteilung, wie die ÖVP sie anzielt, es geht um eine Rückverteilung von Reichtum an jene, die ihn schaffen, und eine Rückverteilung von Entscheidungsmöglichkeiten an jene, denen sie Kapital und Staat genommen hat. Rückverteilung bedeutet, dass Ressourcen dorthin fließen, wo sie auch erwirtschaftet werden. Das gilt für die Sozialpolitik (die einer Ausweitung solidarischer Ökonomien den Platz räumen muss) und für die so genannte Entwicklungshilfe (die einer drastischen Schuldenstreichung und einer deutlichen Verbesserung der terms of trade zu weichen hat).

Der Keim des Schlimmeren ist das Schlimme – Gegenwehr und positive Perspektiven sind notwendig!

In Debatten wie der oben skizzierte wird die weitere Verlendung der Massen, die radikale Individualisierung gesellschaftlicher Verantwortung ideologisch vorbereitet. Debatten und Positionen sind niemals fix. Anders als Institutionen, deren Personal ausgetauscht oder eingeschüchtert werden muss, deren Handlungsroutinen erst mühsam neu zu ordnen sind, wenn deren politische Ausrichtung verändert werden soll, hat die Ideologie nur ein geringes Trägheitsmoment.

Das gilt umso mehr im Umbruch des Kapitalismus, der sich aufgrund von Peak Oil und anderer Verknappungsphänomene in eine neue Form von Herrschaft wird transformieren müssen – wenn nicht Herrschaft überhaupt und insgesamt gebrochen und eine Gesellschaft der Freiheit, Gleichheit und Kooperation geschaffen wird. In dieser Phase des Umbruchs loten die Herrscherklassen, unterstützt durch die (derzeit noch) relativ besser gestellten Schichten der Lohnabhängigen (also fast aller im globalen Norden), die Möglichkeiten einer Erneuerung von Herrschaft unter den gänzlich veränderten Bedingungen des post-fossilen Zeitalters aus.

Dabei werden Elemente der widerständigen Bewegungen r parziell, selektiv und adaptiert übernommen. Dies war schon beim Nazismus der Fall. Es zeigte sich ebenso beim Neoliberalismus, der den Wunsch nach Eigenverantwortung, Hierarchiefreiheit und Selbstverwirklichung repressiv und profitsteigernd inkorporierte, und dies ist auch heute der Fall. Was droht ist eine ökologische Krisendiktatur, ein neuer Feudalismus, mit einer massenhaften Verelendung aufgrund einer ungleichen Gesellschaft, die mit immer weniger Ressourcen auskommen muss, unter den Vorzeichen des Klimawandels. Die dem Kapitalismus nachfolgende Gesellschaftsform wäre dann eine Kombination der schlimmsten Katastrophen und Ideologien der kapitalistischen Epoche, jedoch ohne jede Aussicht auf „Wirtschaftswachstum“ – das es r nach Peak Oil nicht mehr geben wird.

Anstelle eines mit einer verwaschenen Umverteilungsideologie verbrämten Neonazismus ist daher eine Bewegung hin zu einer post-fossilen solidarischen Postwachstumsgesellschaft notwendig. Eine Welt jenseits von Ungleichheit und Elend ist möglich und notwendig.

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Bitte unterstütze auch Du unsere Petition Solidarisch G’sund. Initiative: Für ein öffentliches Gesundheitswesen!, indem Du hier im Netz auf
r www.ipetitions.com/petition/solidarischgsund unterzeichnest!

Der vorliegende Beitrag ist zuerst auf r http://solidarischgsund.org/ erschienen, hier gibt's laufend neue Beiträge, unser Basispapier „Was wir wollen“ etc.

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