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2010-02-08 Die Sache mit dem Kapitalismus Eine Antwort auf Dan Jakubowics Diskussionsbeitrag „Die Sache mit den Neu-Ösis. Andere sagen ,Ausländerproblem' dazu.“ .
Lieber Dan! Dein locker geschriebener und so logisch klingender Beitrag ist mir immer wieder durch den Kopf gegangen. Aber genau diese Lockerheit ist es, die es meines Erachtens massiv zu hinterfragen gilt, weil sie auch weite Teile der Argmentation der pro-Migrations-Fraktion durchzieht. Die Logik des Volkswirts 1. Du argumentierst in der Logik der Bevölkerungwissenschaft und der herrschenden Ökonomie. Ich wiederhole deine Aussagen in meinen Worten: Ein damit zusammenhängender Aspekt ist, dass mit dieser Logik Gesellschaften und hier insbesondere Frauen in der globalen Peripherie die Funktion von Zuchtmaschinen zukommt, die ihre „Arbeit der Menschenproduktion“ den um Konkurrenzvorteile ringenden Zentren der kapitalistischen Welt kostenlos zur Verfügung stellen sollen. Diese Zentren ersparen sich die Sozialausgaben und humanere, mit Kindern vereinbare Arbeitsbedingungen, weil ja eh andere ihnen diese Arbeit abnehmen. Das ist zwar eine Tatsache, aber die gilt es zu hinterfragen / aufzuheben ... Die Logik der (Erwerbs-)Arbeit 2. Aber selbst innerhalb der Verwertungslogik stellen sich weitere Fragen: Warum ist es so, dass solche „aufgelegten 11er“ („Die werden uns einmal die Pensionen zahlen") von breiten Teilen der Gesellschaft so nicht gesehen werden. Sind es, wie du zum Schluss schreibst, Vorurteile, die aus politischen Gründen geschürt werden? Einfach nur irrational bzw. eine ausgenützte Irrationalität? Oder ist es komplizierter? Schauen wir uns mal die Sache mit den Pensionen an, die ja zentraler Drehpunkt deiner Argumentation ist. Unterscheiden sollte man, um näher das Problem zu beleuchten, zwei Ebenen: a) Die stoffliche Ebene, die es ja in jeder Gesellschaft gibt: Wer produziert was mit welcher Produktivität? b) Und dann – spezifisch in unserer Gesellschaft – die Tatsache, dass sich Kapital vermehren muss (1. Nadelöhr kapitalistischen Wirtschaftens) und gleichzeitig nur weitergegeben werden darf, wenn ich im gleichen Wert was dafür bekommen (Äquivalententausch, das 2. Nadelöhr kapitalitischen Wirtschaftens). ad a) Auf der stofflichen Ebene haben wir vom technischen Ausgangspunkt her gesehen ein weiterhin rasches Produktivitätswachstum (etwa 2% im Jahr quer über die gesamte Wirtschaft). Die entsprechende Umverteilung vorausgesetzt könnten wir uns das Mehr an Alten im Verhältnis zu den weniger werdenden Jungen locker leisten, es müssten halt die Anteile am Einkommen, die für die Altenversorgung gebraucht werden, einfach erhöht werden. Oder anders: Die Arbeitszeitverkürzung, die ja drin ist, müsste halt langsamer vonstatten gehen. Sie könnte sogar schneller vonstatten gehen, wenn wir uns helfen lassen – etwa durch Menschen von auswärts. Wenn man so tut, als gäbe es nur diese Ebene, wäre das Erhalten der Alten „nur“ eine Sache des politischen Willens, sprich eine Umverteilungsfrage. (Mehr zu dieser stofflichen Ebene in → „Anmerkungen zur aktuellen Pensionsdebatte". Nebenbei: Man sieht an diesem Beitrag, wie sehr ich 2002 selbst noch rein auf dieser stofflichen Ebene argumentiert habe) So gesehen greift das Argument von der absoluten Notwendigkeit des Zuzugs weiterer Menschen zwar nicht, aber das ist hier gar nicht der Punkt. Denn auch dieser Zuzug wäre wiederum einfach nur eine Frage des politischen Willens: Wie gehen wir mit den Opfern der Globalisierung – den Menschen aus den plattgewalzten Ökonomien – um, wie solidarisch sind wir? Und wie lassen wir uns von ihnen helfen? ad b) Wie oben erwähnt zeichnet sich unser System aus, dass noch eine zweite Ebene, die der Kapitalverwertungslogik, existiert. Und zwar ob es uns passt oder nicht (wenn es uns nicht passt, dann müssen wir halt das System ändern). Und dies führt dazu, dass steigende Produktivität nicht in mehr Muße, sondern in mehr Arbeitslosigkeit mündet, die Arbeitskräfte werden einfach wegrationalisiert. Dies kann wiederum nur durch rasches Wirtschaftswachstum (ökologische Grenzen!) kompensiert werden kann. Insofern stellt sich für die Menschen in ihrer Charaktermaske als Arbeitskräfte die Sache so dar, dass sie ohnehin ständig vom Verdrängtwerden bedroht sind, dass aber durch ein zusätzliches Angebot an Arbeitskräften diese Bedrohung real oder eingebildet steigt: Weil das Erwerbsarbeits-Verhältnis nicht grundsätzlich kritisiert wird, wird auch nicht das Konkurrenzverhältnis hinterfragt, sondern es werden die Konkurrent/innen bekämpft. Was spezifisch den Kapitalismus ausmacht, zeigt ein Vergleich mit der Antike, die zwar auch nicht „human“ war, die aber im wesentlichen nicht nach der Äquivalententausch- und Wertlogik funktionierte: Während die Römer in die gesamte damals bekannte Welt ausgerückt sind, um sich „Hilfe“ in Form von Sklaven zu holen, ist in unserer Welt, die auf Erwerbsarbeit beruht, jedes zusätzliches Tätigkeitspotenzial wie auch jede technische Erleichterung ein Bedrohung. Dieser Unterschied macht ja die Ironie der folgenden Grafik aus:
Wir leben eben NICHT in einer Gesellschaft, in der auf Basis eines vernünftigen Dialogs entschieden werden kann, was an Tätigkeit ansteht und wie diese möglichst human zu verrichten sei. Das Tätigsein wird, weil es in der Form des (Erwerbs-)Arbeitsverhältnisses daherkommt, zu einem uns feindlichen Ding - ein eigentlich paradoxes Verhältnis droht, uns alle verrückt zu machen. Und es entspricht eben dieser kapitalistischen Logik, Menschen von Auswärts als Bedrohung der eigenen Existenz zu erleben. Es ist daher meine Überzeugung, dass eine migrant/innenfreundliche Position nur zu halten ist, wenn sie mit einer Hinterfragung des herrschenden Systems (Erwerbsarbeit, Markt, Konkurrenz, Wachstum, ... ) einhergeht. „Liberal" zu sein ist hingegen nicht nur ungenügend, sondern sogar ein Teil des Problems „Ausländerfeindlichkeit", weil es ständig dessen Voraussetzungen reproduziert. Soweit einmal meine Gedanken, liebe Grüße, Walther
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