2008-07-08
Wir brauchen ,Europtimismus'
Scheitert das Projekt Friedensmacht Europa, steht auch das Wohlstandsmodell Österreich auf dem Spiel.
Der europapolitische Umfaller der SPÖ ist über die Tagespolitik hinaus eine Katastrophe. Warum ist es so wichtig, das europäische Projekt, bei all seinen Mängeln und Inkonsequenzen, zu verteidigen? Die Union ist eine Antwort – nicht nur auf die Probleme von gestern, sondern auch auf die von heute und morgen. Europa war bis vor 60 Jahren eine der kriegerischesten Gegenden der Welt – von ihm sind zwei verheerende Weltkriege und die Shoah ausgegangen. Heute präsentiert sich Europa als Zivilmacht mit Menschenrechten und Demokratie. Das alleine ist schon großartig, doch es wäre nicht ausreichend, das Unionsprojekt für die Zukunft zu begründen.
Die EU kann aber auch eine Antwort auf die Globalisierung und die neuen geopolitischen Konstellationen werden. Dazu ist es nötig, Demokratie, gleichberechtigte Zusammenarbeit und friedliche Konfliktregelung nicht nur im Inneren, sondern auch in der Weltpolitik anzuwenden: organisierte Kontakte zu den Nachbarn, z. B. Mittelmeer-Union, Verzicht auf Atomwaffen, Öffnung der „Festung Europa“, Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil mit der Dritten Welt statt Ausbeutung und Anheizen der Migrationsspirale.
Damit Europa eine echte Friedensmacht wird, könnte das österreichische Modell der Neutralität auf die weltpolitischen Beziehungen übertragen werden. Natürlich gehört dazu auch die Demokratisierung der EU-Strukturen. Scheitert das Projekt Friedensmacht Europa, steht auch das Wohlstandsmodell Österreich auf dem Spiel.
Von all diesen Aufgaben reden unsere Politiker kaum einmal ein Wörtchen. Stattdessen ist es üblich, die EU ausschließlich mit der Österreich-Brille zu betrachten: Was gehen uns die anderen an? Was nützt uns die EU? Niemals aber: Was können wir zum gemeinsamen Projekt Europa beitragen?
Österreich ist wohl der größte Profiteur der EU-Osterweiterung. Umso absurder, dass hierzulande die geringste Zustimmung zur EU besteht. Das liegt wohl daran, dass die EU als Sündenbock für hausgemachte Fehler missbraucht wird. In dieser Situation dem Druck der Kronen Zeitung nachzugeben, die seit Jahren nicht bloß gegen die EU, sondern auch gegen die UNO Stimmung macht, ist kein Schritt zur Demokratisierung, sondern bloß ein Ventil für die aufgehetzte „Volksseele“.
Aber die Anti-EU-Haltung ist letztlich nur eine Spielart der Fremdenfeindlichkeit. Die andere ist die staatliche Verweigerung von Rechten für Zuwanderer, z. B. die Verweigerung des Bleiberechts für gut integrierte Familien wie die von Arigona Zogaj, die übrigens aus Europa kommt! Fremdenangst schüren und Europapolitik predigen, das geht nicht zusammen. Was wir brauchen, ist „Europtimismus“ statt „Europportunismus“.
Kleine Zeitung, 8. Juli 2008, Dienstag, S.38
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