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2006-04-14 Chronologie eines ORF-Langzeitskandals VORSPIEL Prag, am 23. 6. 1977: Janko Messner erhält die Auszeichnung "Zlata Praha" (Goldenes Prag) für sein vom Fernsehen in Ljubljana verfilmtes Drehbuch "Vrnitev/Die Rückkehr". Unter 48 dramatischen Werken aus 30 Ländern vergibt eine siebenköpfige Ost-West-Jury mit den Generalintendanten des Londoner und Moskauer Fernsehens diesem Werk den > 1. Preis. Der Film erzählt die Geschichte der im April 1942 beginnenden Vertreibung von Kärntner slowenischen Familien durch die Nazis: Ein slowenischer Wehrmachtssoldat findet im Fronturlaub auf dem Hof seiner Familie in Unterkärnten eine fremde Familie aus dem Kanaltal vor; weil seine eigene vertrieben worden war. Bei seinem darauf folgenden Versuch, sich den slowenischen Partisanen anzuschließen, wird er von SS-Soldaten erschossen. Juni 1977 bis Februar 2002: Die Prager Preisverleihung an Janko Messner findet in den öffentlichen österreichischen Medien keinerlei Resonanz; einzige Ausnahme: die slowenische Redaktion des ORF Kärnten, die im Rahmen ihres wöchentlichen lokalen Kurzprogramms eine Kurzfassung des Films sendet. Im Janko-Messner-Almanach von 1998 spricht Dr. Jozej Strutz in seiner Dokumentation über den Film "Vrnitev/Die Rückkehr" zum ersten Mal von einem "unerhörten Skandal des ORF". > mehr 20. Februar 2002, Bundeskanzleramt Wien: Staatssekretär Franz Morak > überreicht Janko Messner das > Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse für "Verdienste um die Republik Österreich". Gerhard Kofler, damaliger Generalsekretär der GAV, bezieht sich in seiner Laudatio unter anderem auf die Prager Auszeichnung für den Film Vrnitev/Die Rückkehr und meint: "Heuer im April jährt sich zum 60. Mal der schwärzeste Tag der Kärntner Slowenen unter dem Hakenkreuz – ihre Vertreibung aus dem Gau Kärnten ins tausendjährige Reich ... Wann sonst, wenn nicht in diesem Frühjahr, müsste unsere öffentlich-rechtliche Institution am Küniglberg das Fernsehdrama des heute geehrten Autors ... ihren Zusehern zeigen, schließlich hat es genau das zum Thema ..." Janko Messner übernimmt die Auszeichnung und verknüpft dies mit einem > Appell an die preisverleihende österreichische Präsidentschaft, sich für eine Aufführung des Fernsehdramas im ORF einzusetzen. DAS ORF-DRAMA 20. März 2002: Fünf zentrale politische und kulturelle Verbände der Kärntner Slowenen – der Christliche Kulturverband, der Slowenische Kulturverband, der Rat der Kärntner Slowenen, der Zentralverband slowenischer Organisationen und der Slowenische Vertriebenenverband – ersuchen den ORF (Dr. Willy Mitsche und Generalintendantin Monika Lindner), das Fernsehdrama "Vrnitev/Die Rückkehr" innerhalb der drei Vertreibungstage (14./15. April) allen Österreichern und Österreicherinnen zu zeigen. 9. April 2002: Die Antwort des ORF-Informationsdirektors Gerhard Draxler lautet: "In der kurzen Zeit konnte kein geeigneter Sendeplatz gefunden werden". Und: "Dies müsste man längerfristig zu einem gegebenen Anlass planen." 7. Mai 2002: Die slowenischen Verbände erinnern Draxler an seine Worte und fordern ihn auf, das Fernsehdrama zumindest noch innerhalb des 60. Gendenkjahres (1942/2002) auszustrahlen, und äußern die Befürchtung, dass ein "längerfristiges Planen" und Suchen eines "gegebenen Anlasses" für dessen Ausstrahlung einer "Ablehnung" gleichkäme, und setzen fort: "Das 60. Gedenkjahr der Vertreibung der Kärntner Slowenen ist für uns alle Anlass, dass wir mit der Aufarbeitung der tragischen historischen Ereignisse in Kärnten dem österreichischen Publikum einen Teil der kärntner-slowenischen Geschichte näher bringen ... Wir glauben, dass auch die gegenwärtige schwierige Konsenssuche im Ortstafelanliegen Anlass genug bedeutet, den Österreichern von heute im FS 1 oder FS 2 eine wichtige, literarisch gestaltete Primär-Information zukommen zu lassen." 16. Mai 2002: Draxler antwortet; er beruft sich auf die lokale Ausstrahlung der Kurzfassung im slowenischen ORF-Regionalfernsehen sowie unter anderem auf die "Melker" Gespräche mit Prof. Paul Lendvai zum Thema "Dialog der Nachbarn: Slowenien – Österreich"; bezüglich des Film "Vrnitev/Die Rückkehr" lässt er wissen: "Eine weitere Ausstrahlung ist nicht vorgesehen." 15. Oktober 2002: Janko Messner ruft in einem Brief an Bundespräsidenten Thomas Klestil und Staatssekretär Franz Morak den unmissverständlichen Appell Gerhard Koflers in Erinnerung, mit dem er anlässlich der Ehrenkreuzverleihung die österreichweite Ausstrahlung des Fernsehdramas eingefordert hat, und kündigt für den Fall der weiteren Taubstellung des ORF an, das "Ehrenkreuz" zurückzulegen, da es ihn "angesichts dieses kultur- und demokratiefeindlichen Verheimlichens und Totschweigens eines wesentlichen Teils der österreichischen Zeitgeschichte erdrücken würde". 15. November 2002: Im Auftrag des Bundespräsidenten Dr. Klestil antwortet Mag. Reinhard Rauchensteiner, dass es "dem Herrn Bundespräsidenten ... nicht möglich (sei), Einfluss auf die Programmgestaltung des ORF zu nehmen. Eine diesbezügliche Intervention von politischer Seite wäre nicht zuletzt sogar rechtlich bedenklich." 27. Februar 2005: Janko Messner wendet sich schriftich an den Bundespräsidenten Dr. Fischer: " ... Sicher können Sie dem ORF keinen diesbezüglichen Befehl erteilen, aber wir vertrauen auf Ihre einsichtig angewandte Psychologie und Ihren ehrlichen Willen, ihm die Ausstrahlung dieses Fernsehdramas zu EMPFEHLEN, vor allem auch zur objektiven historischen Aufarbeitung des klerofaschistischen Umgangs der I.Republik mit der (im Plebiszit heilig versprochenen) Gleichberechtigung der slowenischen Sprache sowie als Entscheidungshilfe bei der gegenwärtig stockenden Suche des Bundeskanzleramtes nach einer verfassungstreuen Konsenslösung in der Kärntner Ortstafelfrage." 1. März 2005: Bruno Aigner antwortet für die Österreichische Präsidentschaftskanzlei: Es sei ihm nicht möglich, sich direkt für eine Ausstrahlung der Produktion im Fernsehen einzusetzen; gerne aber würde er allfällige Gelegenheiten nützen, das Anliegen weiter zu tragen. 27. Juni 2005: Janko Messner schreibt an die Generaldirektorin des ORF: "... Herr Informationsdirektor Gerhard Draxler hat sein Wort nicht gehalten (Wien, 9. 4. 2002: ‘Dies müsste man längerfristig zu einem gegebenen Anlass planen.’). Drei Jahre Frist ist nun doch tatsächlich lang genug? In der 2. Hälfte des heurigen Juli 2005 und Anfang August jährt sich nun abermals zum 60. Mal (ein) Gedenktag – diesmal der Befreiung aus dem Nazi-Joch. Ich ersuche Sie ... der permanent gedemütigten slowenischen Kärntner Wenigkeit ... endlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und noch in den Sommermonaten d. J. zur Information aller Staatsbürger (den Film) ausstrahlen zu lassen." – Lindner antwortet nicht. DIE KONSEQUENZ 14. April 2006: Janko Messner retourniert mit einem Brief an Bundespräsidenten Dr. Fischer das "Ehrenkreuz": Es sei ihm "zu einer seelischen Belastung geworden ... Mögen die Kreuzverwalter damit machen, was sie wollen. Am besten, sie heften es Frau Generaldirektorin Lindner an die Brust oder dem Herrn Direktor Draxler. Denn offensichtlich sind sie es, die Verdienste haben für die Bilder im Kopf der meisten Österreicherinnen und Österreicher, wenn sie von ‘slowenischer Minderheit’ in Kärnten hören." (> mehr) Links:
2. ORF-Langzeitskandal
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