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2006-07-13 Prost Mahlzeit - Aufbruchstimmung im neuen Deutschland Über die Hoffnungen eines Kleine-Zeitung-Schreibers Wir sollten von Deutschland mit seinem neuen Patriotismus und vor allem von seinem Trainer Klinsmann lernen. So in etwa könnte man das zusammenfassen, was Hubert Patterer in seinem "Offen gesagt"-Kommentar "DAS NEUE DEUTSCHLAND" am Sonntag, den 9. Juli 06 von sich gegeben hat. Die Welt als Weltmeisterschaft, in denen die Standorte gegeneinander antreten. Und das alles in einem Artikel, dessen Grundtenor sein sollte, dass der "neue" Patriotismus in Deutschland nichts ist, wovor man sich hüten sollte, weil es ja ohnehin vor allem einmal eine "Viel-Völkerparty" gewesen sei. Nachdem er sich darüber ausgelassen hat, dass die deutsche Regierung nicht den entschiedende Schnitt im Gesundheitssystem zusammengebracht hat (Meint er mit "fantasielos", dass sich die Regierung nicht endgültig von einem solidarisch - halböffentlichen zu einem auf "Eigenverantwortung" beruhenden privaten Modell durchgerungen hat?): Im Windschatten der Vielvölker-Party
fand Uralt-Politik in ihrer fantasielosesten Form statt: Reform durch Steuererhöhung. ... Richtig daran ist, dass ein Vergleich des "neuen Patriotismus" mit Stahlhelm, Hitlerei, 1. und 2. Weltkrieg etc. nicht so ohne weiteres angebracht ist. Dazu hat sich das Verhältnis von Nationalstaaten zu Kapital wohl tatsächlich zu sehr verwandelt: Während es etwa im 1. Weltkrieg darum ging, dass sich Nationalstaaten für IHR Kapital die Räume und Märkte auch militärisch erobert haben, hat sich nunmehr im Kapitalismus in seiner globalisierten Phase das Verhältnis umgedreht: Das Kapital sucht sich SEINEN Staat aus, und die Staaten müssen - im Wettbewerb mit anderen Konkurrenten - mit den jeweils besten Bedingungen locken. So gesehen spielen nun Staat, Nation und Patriotismus eine etwas andere, aber deswegen noch lange nicht harmlosere Rolle: Im Weltwirtschaftskrieg ist es klug, sich zu Banden zusammenzurotten. Nichts anderes ist Patriotismus - und da hat die WM des Jahres 2006 eine wichtige symbolische Kraft. Und wo Rudel, Bande, Racket, Patria ... drauf steht, ist Ausschluss drin. Das eine Mal halt nur ganz "sachlich" über den Markt und die sogenannte Leistungsfähigkeit (als Version der Winner) und das andere mal als Ausschluss über ethnische und sonstige Kriterien (als Version der Loser). Für die aber, die drinnen sind, die Nicht-Ausgeschlossenen, die Ein-Geschlossenen, heißt's Opfer bringen. Den Kakao, durch den man gezogen wird ("Reformpakt"), den soll man auch noch genussvoll schlürfen (sprich: als Opfergang für die höhere Weihe der Wirtschaftsschlacht interpretieren). Bereits in der Nachlese zur Weltmeisterschaft TOOOOR! haben wir auf ein Buch aufmerksam gemacht, das in eine ganz ähnliche Richtung geht: Henrik Müller, als Wirtschaftsjournalist Berufskollege von Patterer, gibt seinem Buch gleich einen programmatischen Titel: Wirtschaftsfaktor Patriotismus. Vaterlandsliebe in Zeiten der Globalisierung. In der Beschreibung des Verlages liest sich das so: Wer zu den Gewinnern der Globalisierung gehören will, muss Patriot sein. Seit Jahren schwächelt die deutsche Wirtschaft und die Stimmung im Land ist schlecht, die Gesellschaft verängstigt und verzagt. Warum? Weil, so die These von Henrik Müller, es den Deutschen an Patriotismus mangelt. Und weil gerade in der Ära der Globalisierung eine intakte nationale Identität zum entscheidenden ökonomischen Vorteil geworden ist: Es sind Nationen, die sich im weltweiten Wettbewerb als Kollektive behaupten müssen, indem sie Investitionen, Jobs und hochqualifizierte Arbeitskräfte an sich binden. Wir Deutsche tun uns damit schwer. Deshalb verkaufen wir uns schlecht im Standortwettbewerb, fehlt uns die Kraft zum großen Reformpakt, wandern die mobilsten und produktivsten Köpfe ab. Was also tun? Können wir wirklich lernen, patriotischer zu werden? Henrik Müller zeigt, warum in der Ära der Globalisierung Patriotismus zum entscheidenden Wirtschaftsfaktor wird und wie wir ein aufgeklärtes [!!!], selbstbewusstes und offenes [!!!!] Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln können." Naja, wo die Herrschaften Recht haben, haben sie Recht: Gemeinsam drischt sich's halt leichter auf andere ein. Würden Patterer und Henrik Müller ihre Aussagen bloß als Beschreibungen des real existierenden Kapitalismus formulieren, so könnte man ihnen direkt dankbar sein. So aber stehen sie vollkommen affirmativ dem Weltwirtschaftskrieg gegenüber! unter den Lemmingen! (Bruno Kathollnig)
Mimenda, 2006-08-30, Nr. 2873 mir waren die bunten fähnchen zu flugs aus der versenkung gekommen: ganz plötzlich hieß es, man solle und könne doch ruhig wieder flagge zeigen, wäre ja nichts schlimmes dabei und außerdem sei es ja eh nur ein accessoire. das spricht vom schlechten gewissen, auf das man nicht hören will: wir deutschen haben es ja bis zum erbrechen mit der aufarbeitung unserer vergangenheit getrieben, jetzt muss einmal schluss damit sein. überall schien sich erleichterung breit zu machen ob diesem coup, dem es gelungen war, den rest der bedenkenträger übernacht mundtot zu machen. tags darauf war eitel sonne auf allen medien, denn unisono tönte es: ja, das ist alles gut, schön, unproblematisch. wäre es vielleicht auch, wenn es nicht so erruptiv sich angelassen und somit vom stau als ursache des "ausbruchs" gekündet hätte. wir haben in deutschland viel aktionismus an den tag gelegt, um die hitlerei im öffentlichen bewusstsein zu diskreditieren. aber aufgearbeitet haben wir sie m.e. nicht, vor allem nicht im privaten.
Walther Schütz, 2006-09-20, Nr. 2942 Lieber Mimenda, dazu passend eine Meldung vom BERTELSMANN-Konzern:
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