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2011-05-25 Monika Gruber: „Schöpferische Zerstörung“ Hinter der herrschenden Agrar- und Umweltpolitik steht selten das Bedürfnis der Sicherung von Nahrung und Lebensgrundlagen, sondern das Streben nach wirtschaftlichem Fortschritt. Die Folgen der Zerstörung durch Massentierhaltung und industrieller Landwirtschaft sind gewünscht, gewollt und gefördert: alte Strukturen werden verdrängt und schließlich zerstört, denn das dient als Motor zur kapitalistisch industriellen Entwicklung. . Redaktionelle Anmerkung Nebenstehender Beitrag ist zuerst erschienen in der äußerst empfehlenswerten Zeitschrift: ![]() Heuer stand der Weltladentag unter dem Motto Bald nachdem wir aus der Redaktion das Schwerpunktthema „Kann die bäuerliche Landwirtschaft die Welt ernähren?“ in die Welt hinaus posaunt hatten, erreichte mich ein E-Mail, in dem sich der Absender empörte. Wie könne man das überhaupt anzweifeln mit dem Fragezeichen! Er sieht die bäuerliche Landwirtschaft als einzige Form der Landbewirtschaftung, mit der die Weltbevölkerung ausreichend ernährt werden kann. Ein paar Tage später höre ich im Ökodorf Eschenau ein paar Bauernsöhne am Wirtshaustisch diskutieren. „Mit dem ÖPUL, … da Vater tuat nu bis 2013, aber i sicher net. I tua ma den Scheiß net an!“ meint einer von der Schar. - Wieder einer, der den Grund verpachten wird und den Hof aufgeben. Wieder einer, der schleichend verschwindet, unhörbar und unsichtbar, wie die bäuerliche Landwirtschaft insgesamt. Er wird sich keine Henne mehr halten, keine Mostbirne klauben und pressen, kein Rind auf die Weide treiben, keinen Zaunstecken anfertigen und setzen, keinen Reisigbesen binden, kein Getreide anbauen fürs Brotmehl und auch keinen Randstreifen lassen fürs Feldgemüse, das die Familie im Herbst einlagert. Der, der den Grund pachten wird, wird keine Zeit mehr finden, über die Wiesen zu gehen, um den natürlich aufgewachsenen Grasbestand zu beobachten, und keine Zeit finden, im Stall das Fell seiner Rinder zu beobachten. Er wird stattdessen noch mehr am Traktor sitzen, um die zugepachteten Flächen zu bewirtschaften. Er wird einen neuen Stall mitsamt größerer Silofläche und eine weitere Jauchegrube bauen, damit er mehr Tiere halten kann, schließlich muss es sich auch rentieren. Damit er dann die aufgenommenen Kredite abzahlen kann, wird er weitere Grundstücke zupachten, um noch mehr produzieren und verkaufen zu können. Und damit er günstiger arbeiten kann, wird er sich schnellere, größere, stärkere Maschinen kaufen. Die Maschinen müssen natürlich gut ausgelastet sein, da ist auf ungeeignete Bodenverhältnisse nicht viel Rücksicht zu nehmen: Gefahren wird, sobald es das Wetter halbwegs zulässt, auch wenn die Feuerwehr die Erntemaschinen aus dem nassen Acker bergen muss. Schöpferische Zerstörung meint einen Prozess der Zerstörung, bei dem laut Wikipedia „alte Güter und Produktionsverfahren ständig durch neue ersetzt werden, als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine zentrale Rolle spielt dabei der schöpferische, einfallsreiche Unternehmer, der durch neue Ideen und den Einsatz neuer Produktionsmethoden, Techniken und Verarbeitungsmöglichkeiten den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt immer wieder vorantreibt.“ – Daher also die Schulung der Bauern und Bäuerinnen zu UnternehmerInnen! Der Pächter aus dem obigen Beispiel wird von den zwei derzeit einflussreichsten Leitbildern der Agrarwirtschaft angesteckt, von der aggressiven Forderung der „schöpferischen Zerstörung“ und dem grassierenden Fieber „Innovation“. Der zum Unternehmer geschulte Bauer baut auf Erfolg. Erfolg hat, wer innovativ ist. Aber Innovation bedeutet zugleich zunehmende Zerstörung, sowohl von alten Strukturen, wie auch vom Zeitmaß, mit einschneidenden Folgen: immer kürzere Produktlebenszyklen, schnellere Herstellungsprozesse und verdichtete Arbeitsorganisation. Innovation wird als Schlüssel zum Erfolg gesehen. Wer Sinn und Richtung von Innovationen anzweifelt, gilt als naiv oder gar als rückständig. Der Pächter wird - damit sich der maschinelle und menschliche Einsatz ausgeht – auch auf eine schnellere, schlagkräftigere Erntekette setzen. Kurz gesagt, er wird zum Söldner, er produziert für Wettbewerb und Weltmarkt. Und er wird keine Zeit haben, sich über hungernde Völker im Süden, Missernten genmanipulierter Sorten, dem Verlust fruchtbaren Bodens, nitratverseuchtes Grundwasser, Verlust der Artenvielfalt, über eine eigene Hühnerschar am Hof, einen Krautacker zur Selbstversorgung oder über bäuerliches Wirtschaften mit Streuobstbäumen und Schmetterlingsvielfalt Gedanken zu machen. Oder doch? Und dazu eignet sich schon heute hervorragend unsere Zeitschrift „Wege für eine bäuerliche Landwirtschaft“, dessen Abo ganz leicht zu bestellen ist: baeuerliche.zukunft@chello.at
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| GUSTAV GANS |, 2011-05-25, Nr. 5115 Hallo Monika!
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